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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-08/0003
Die Markgrafschaft

Nr. 8/6. Jahrgang

Monatszeitschrift des Hebelbundes

August 1954

Woran man hmhn (bitte

Der derzeitige amerikanische Hochkommissar
in Deutschland, Conant, der von Haus aus Chemiker
ist und in seinem Beruf einen bedeutenden
wissenschaftlichen Ruf besitzt, erklärte vor
einiger Zeit in einer,politischen Rede unter anderem
etwa folgendes: Bekannte hätten sich zu
seinem Beruf als Chemiker einmal kritisch geäußert
. Die Chemie, so meinten die guten Leute,
sei doch etwas Schreckliches: die eine Hälfte
davon sei giftig, und die andere explodiere. Hätten
diese Leute damals erst gewußt, daß er
einmal den Beruf des Politikers ausübe, dann, so
meinte Conant humorvoll, hätten sie allerdings
noch mehr die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen
. Vielleicht hat Mister Conant dabei
an den Umstand gedacht, daß Politik nicht nur
giftig und explosiv ist, sondern sich auch durch
den penetranten Gestank ihrer Methode auszeichnen
kann. Aber Mister Conant hat nach
einem Gedankenstrich ein Trotzdem gesetzt. Und
wenn wir heute einigen Anlaß haben, uns auf
dieser Seite wieder einmal politischen Dingen
zuzuwenden, dann setzen wir ebenfalls ein
Trotzdem. Weniger aus Neigung als durch ernste
Besorgnis über einige Erscheinungen dazu gedrängt
, möchten wir unsere Leser, die uns politischer
Ambitionen kaum verdächtigen können,
zumindest nicht mit Grund, dazu anregen, an
dem einen oder anderen Punkt „hängen zu
bleiben". Damit ist unsere politische Absicht
bereits zu eine*n guten Teil erledigt.

Zwei Dinge sind es, die uns heute einiger
ernsthafter Überlegungen besonders wert erscheinen
.

In unserer näheren Heimat hat ein aktuelles
Problem in letzter Zeit politische Wellen geschlagen
: der Finanzausgleich. Seine Aufgabe sollte
sein, um ihn nur ganz kurz zu umreißen, einen
Ausgleich bei den Finanzen zwischen solchen
Gemeinden, Kreisen usw. zu erreichen, die nicht
vom Glück des großen Steueraufkommens gesegnet
sind. Dazu ist es nötig, daß alle zunächst in
einen großen Topf bezahlen, aus dem dann der
weise und so gütige Vater Staat seinen Segen
über Gute und Böse, Arme und Reiche, Dumme
und Gescheite, kurz über alle gleichmäßig verteilen
soll. Das ist eine einfache Überlegung.
Leider ist ihre konsequente Durchführung alles
andere als einfach. Ein zähes Tauziehen zwischen
solchen, die Morgenluft wittern und solchen, die
ihre sauer genug hereingeholten Steuergelder
davonschwimmen sehen, hat eingesetzt. Die
Materie ist in der Tat so schwierig, daß wir hier
über Vor- oder Nachteile im einzelnen Falle uns
nicht auslassen können. Wir wollen es auch nicht.
Wir wollen vielmehr auf etwas aufmerksam
machen, das erstaunlicherweise noch in keiner

Parlamentsdebatte, in keinem Leitartikel, in :
keiner Entschließung gesagt wurde: nämlich, daß
mit diesem Finanzausgleich zumindest die große
Gefahr gegeben ist, daß die kümmerlichen Reste
der Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände
bei dieser Prozedur des Ausgleiches
notwendigerweise vor die Hunde gehen
müssen. Die Staatsallmacht greift unter dem
Vorwande des „gerechten Ausgleiches" ganz einT
fach in die Kasse jeder Gemeinde, holt sich heraus
, was dem oder jenem Referenten für richtig
erscheint und verteilt dann, was einer Gemeinde,
die „spurt", die gute Fürbitter oder Beziehungen
hat, die selbstverständlich in keiner Weise
„schwierig" ist, noch zustehen kann. Daß die
Verwaltung des gemeinsamen, des bedenklich in
die Nähe des Kommunismus gerückten Suppentopfes
Geld kostet, ist einleuchtend. Ergo auch,
daß denjenigen, die ihn gefüllt haben, nicht
mehr das zukommt, was sie hineintun mußten. *
Mehr als bedenklich erscheint uns dieser Weg.
Aber es gibt nicht einen einzigen Abgeordneten, *
der diese Gefahr sieht. Zwar hören wir dann
und wann, daß sich Volksvertreter gegen die
Bürokratie kräftig zur Wehr setzen. Leider aber
ohne Erfolg.

Eine andere Sache ist in Zusammenhang mit
dieser Misere des sogenannten Finanzausgleiches
zu setzen. Es sind dies die Lehrstellenbeiträge,
die nun nach schwäbischem Muster, nach einem
sehr alten, längst überholtem Muster, von den
Gemeinden für die Volksschulen und höheren
Schulen aufgebracht werden sollen.

Mit welcher frappierenden Unkenntnis hier
der Finanzreferent beim Finanzausgleich vorgegangen
ist, beweist der Fall der dreizehn süd-
badischen Städte, die nun von 50 bis zu 100 Prozent
ihres Steueraufkommens Lehrstellenbeiträge
bezahlen sollen. Was ist das schon für eine
Regierung, deren Chef zugestehen muß, daß der
Referent hier die Auswirkungen vollständig
übersehen hat! Was ist das für eine Regierung,'
unter deren Herrschaft es notwendig ist, daß eine
Reihe kleiner Bürgermeister mit aller Kraft sich
zusammenschließen muß, um hier absurde Folgen
wenn nicht abzuwenden, so doch zu mildern zu
versuchen! Wo bleibt hier der Staatsapparat?-
Wo bleiben hier die von uns gewählten Abgeordneten
? Wo bleibt hier ein Fünkchen Vernunft?
Das gehört also noch in den Komplex Finanzausgleich
, der im großen und ganzen ein edel-
kommunistischer Versuch der Gleichmacherei und
ein bürokratischer Versuch, über alle demokratischen
Einrichtungen zu triumphieren, genannt
werden muß, und zwar ih aller Öffentlichkeit,
auch wenn man das infantile Geschwätz-Stürmele
von oben bereits zu hören vermeint! l. b.


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