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8 Die Markgrafschaft
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Es gehört nicht zu den Alltäglichkeiten, wenn
man von einem 1200. Geburtstag berichten darf,
kommt uns doch schon ein Zeitabschnitt von
hundert Jahren fast unendlich vor. Und wenn
wir die Geschichte der letzten hundert Jahre, von
denen wir doch selbst irgendwie einen Teil mitgeschrieben
haben, an unserem Geist vorüberziehen
lassen, dann wachsen die 1200 Jahre ins
Ungeheure. Und doch ist diese Zeitspanne da
und mußte von einer Dorfgemeinschaft in etwa
vierzig Geschlechterfolgen durchlebt und durchlitten
werden.
Schon der erste alemannische Siedler dieses
Tales, der Chronist nennt ihn L i t o, durfte
sich nicht allzulange seines Besitzes freuen. Er
wurde vertrieben oder verlor in den schweren
Kämpfen mit den von Norden eindringenden
Franken das Leben. Hoch über Lipburg auf dem
Lipberg hatte dieser alemannische Edle einmal
seinen Hof, während seinen Hörigen und Leibeigenen
das Tal als Wohnsitz zugewiesen war.
Bescheidene Holzhütten mögen es gewesen sein,
die sie sich selbst mit der Axt gezimmert, und mit
dem zähen roten Lehm des Tales mögen sie die
Riegel der Wände vermauert haben, um sich vor
der Unbill der Witterung zu schützen.
Es ist wohl auch anzunehmen, daß Lito den
Bergbau, den schon die Kelten und Römer betrieben
haben, fortführte und die Bewohner des
Tales als seine Knappen in den Schächten von
Haus Baden arbeiten ließ.
Hart war ihr Leben, denn die Gebräuche und
Sitten der Alemannen ließen ihren Leibeigenen
wenig Freiheit. Begriffe wie Liebe oder Hingabe
kannten sie nicht. Dagegen stand die Treue in
hohem Ansehen. Ein einmal gegebenes Wort
wurde bedenkenlos, auch wenn es sich um Mord
handelte, gehalten. Ihre Gottesdienste schildert
der römische Geschichtsschreiber Tacitus als
Opferfeiern, bei denen Haustiere und Menschen
geopfert wurden. Reue und Verzeihung waren
ihnen fremde Begriffe.
Die Einführung des Christentums durch die
Franken schaffte allmählich in ihrem Denken
einen Wandel.
Leider hatte auch das Christentum nicht mehr
jene Kraft, wie es uns von den ersten Zeugen
Christi überliefert ist. Schon im römischen Reich
zur Staatsreligion erhoben, war es zum Teil eine
Organisation geworden, die es sich neben der
Ausbreitung der Lehre Christi angelegen sein
ließ, auch irdische Güter in ihren Bereich zu
bringen, ja, im Streben nach weltlicher Macht
standen die geistlichen Herren den weltlichen
kaum nach.
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Schon im 7. und 8. Jahrhundert gab es Klöster
, die sich, was den Besitz betraf, mit manchem
Fürsten messen konnten.
So finden wir nach Einführung des Christentums
in unserem Tal sehr bald schon geistlichen
Besitz, und die Bauern mußten zwei Herren
dienen, die beide scharf darauf achteten, daß ihre
Rechte nicht geschmälert wurden.
Im Mittelalter gehört unser Lipburg zur
Herrschaft Badenweiler, auch im kirchlichen
Bereich war für Lipburg Badenweiler zuständig.
Wir stellen noch fest, daß die Abgabe des
Zehnten, der seit den Zeiten der fränkischen
Könige und Kaiser jeweils an diese abgeführt
werden mußte, immer mehr in den Besitz der
Kirche überging.
Dann kamen die Bauernaufstände.
Die gedrückte Lage, in der die Bauern jener
Zeit sich befanden, ist allenthalben bekannt.
Abhängig von der Herrschaft und ihrer Willkür
preisgegeben, stand der Bauer da. War es in diesen
Verhältnissen ein Wunder, wenn er mit verlangendem
und freiheitshungrigem Herzen nach
den Schriften Luthers griff? Wo war ihm jemals
etwas von der Freiheit eines Christenmenschen
gepredigt worden?
Schon in den Jahren 1491 und 1492 hatte es
unter den Bauern Unruhen gegeben. 1502 hörte
man zum erstenmal vom ,,Bundschuh". 1512
wurde bei uns ein Aufstandsversuch des „Bundschuh
" verraten, und mit Verhaftung, Folter und
grausamen Hinrichtungen unterdrückt. 1513 erlitt
in Badenweiler ein Teilnehmer am Lehener
Bundschuh die Todesstrafe der Vierteilung.
Und bei all diesen Verfolgungen fand man
geistliche und weltliche Herren in treuer Genossenschaft
. Da darf es nicht verwundern, wenn
(1525) die Bauern Klöster und Probsteien plünderten
und ihren Peinigern Schaden zufügten.
Auch die Schlösser Badenweiler, Rötteln und
Sausenburg ereilte ihr Schicksal, und wir dürfen
annehmen, daß bei der Plünderung in Badenweiler
auch Lipburger beteiligt waren. Oberst
jener Bauernscharen war Hans Hammerstein aus
Feuerbach.
Furchtbar war die Rache der Herren besonders
in den österreichischen Gebieten. Wohltuend
lesen wir von der! Milde der badischen
Markgrafen.
1556 wurde in den markgräflidi-durladiischen
Landen die Reformation eingeführt. Im gleichen
Jahr noch wurde in Badenweiler die erste Kirchenvisitation
abgehalten.
Von 1570—1576 herrschte furchtbare Notzeit
und große Teuerung. Reich beschenkte das Jahr
1599 das Tal, gab es doch einen besonders reichen
Herbst. Der Wein dieses Jahres war von
besonders guter Qualität. Das letzte Jahrzehnt
dieses Jahrhunderts stand überhaupt unter einem
guten Stern.
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