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Die Markgrafschaft
15
durch die sommerliche Landschaft
eine Wallfahrt zur Maria
auf den Berg und riefen um
Fürsprache an für eine gute und
baldige Heimkehr des Bruders
und Bräutigams.
Als der Herbst ins Land zog,
kam mit ihm auch der Hans
zurück, — rechtzeitig zur Weinlese
. Da war alles eitel Freude
und Sonnenschein. Ein geruhsamer
Winter folgte, angefüllt
von Hans' Erzählungen über die
reichhaltigen Erlebnisse in Rußland
.
Im Frühjahr war dann die
Hochzeit. Resl zog in das neue
Heim. — „Wänn das numme au
guet goht!" brummte der Franz-
Johannis in seinen Bart. „I weiß
nit, 's Lisett isch e Riibise!" —
Er als Nachbar mußte dies ja
wissen. Und er hatte recht mit
seiner Befürchtung.
Bald nach der Hochzeit traten
die ersten „klimatischen Störungen
" ein. Jeden Tag gab es
einen andern Aufzug. Oft ging
es nur um Kleinigkeiten. Die
Lisett hatte durch die Kriegsjahre
mit starker Hand den Be- '
trieb geleitet und der alternde
Vater war froh, daß ihm jemand
das regieren abnahm. Und nun
sollte sie weichen, eine andere,
jüngere, etwas gelten lassen? Sie
dachte nicht daran. Alles sollte ohne jede Änderung
weitergehen wie bisher. Da gab es manchmal
spitze Worte. Und der Leidtragende bei der
Geschichte war der junge Ehemann, der Hans.
Er stand zwischen zwei Feuern. Meistens handelte
es sich nur um Nichtigkeiten, Fragen des
Haushalts. Ergriff er die Partei seiner Frau, so
konnte er sich auf allerhand gefaßt machen.
Teilte er die Ansicht seiner Schwester, so hatte
er es mit seiner Frau verdorben. Wie auf einer
verlassenen Insel mitten in einem Strom käme
sie sich vor, bekam er zu hören. Und dann
konnte die Lisett anfangen: „Mir verlumpe no,
wenn das eso witergoht, so übelhuse!" Und sie
warf giftige Blicke auf die Schwägerin. Da fing
es aber auch in dem sonst so gutmütigen Hans
zu kochen an. „Weisch, Schwester, was 's Resl
zuem choche brucht, des isch mir glich. D'Hauptsach
isch, 's isch jedesmol guet. Un wenn di e
Sach reut, so bind der 's Mul halt zue. I ha
scho gnueg Hunger glitte dur dä Chrieg un in
der Gfangeschaft!" Die junge Frau war nun
gerechtfertigt.
Wie schon oft, so schüttete sie auch heute
wieder dem alten Franz-Johannis das Herz aus,
erzählte ihm, daß die Lisett den Schmalzhafen
unter dem Bett versteckt hätte. ,,Jä, jä, Resl, so
cha's aim goh. I mueß scho sage, i ha au lieber
e Esse, wu's au eweng Schmutz in Ranze git.
Sommertag
Zeichnung von Max Brückner
Brägleti rlerdepfel hani au lieber als gschwellti.
Die hani am liebste, wenn si dur d'Sau sin!"
Wochen vergingen. Aus dem gemäßigten
Klima gab es zuletzt eine heiße Zone. Und da
bekam die Lisett wohl den „Tropenkoller". Der
Karl-Frieder war auf dem Wege zur Schule. Mit
den Vögeln um die Wette pfeifend, schritt er
durch das Gäßle. Da auf einmal, was war das?
Dort aus dem obersten Bühnifenster heraus
winkte jemand. Ein paar rasche Sprünge und
der Bub war in der Nähe. Da bat die Resl: „Du,
Karlfrieder, bisch doch so guet un mach mer
d'Bühnitüre uf. Si hän mi igsperrt. Gohsch grad
vorne ine!" Der Karlfrieder ließ sich dies nicht
zweimal sagen. Schnurstracks ging er durch die
offene Haustür und wollte rechter Hand die Tür
zum Speicher öffnen. Doch zwischen Wollen und
Vollbringen liegt oft viel, so auch hier. — Im
Sturmschritt kam die Lisett aus der Küche. Sie
hatte wohl den Schlüssel knarren hören. „Losch
du d'Hand eweg, du Schnuderi. Die blibt do obe,
bis ich si abe loß. Do bi ich Meister!" — Do het
aber der Karlfrieder d'Finke gchlopft. — „Windstärke
zwölf!" rief er im Wegrennen.
Nach diesem Ereignis trat keine Verständigung
mehr ein. Das junge Paar suchte sich eine
Wohnung und der Hans hat guten, auskömmlichen
Verdienst gefunden. E. Jäger
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