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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-08/0018
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Die Markgrafschaft

No-ne-mol e sparsami Husfrau!

Sie het wirklich nit übertriebe, die Dichteri,
wo-n-ich vo der sparsame Husfrau un ihrem
Herdöpfelsalat verzellt het. I ha si au g'chennt,
un sogar ziemlich guet. Sie isch nämlich emol
üsi Gotte gsi, selli Anna-Bas. Aber numme so
lang sie ledig gsi isch, noher nümmi! Ihr werdet
denke, das isch komisch! Aber nei, das isch ganz
natürlich zuegange, numme cha-n-is nit so
schriebe, wenn er mi*aber emol bsuechet, no will
is gern verzelle.

Mir, domit mein i mi Brueder, der Männi, un
ich, mir hän als gsait, sie sei gizig, aber numme,
wenn sie's nit ghört het, aber viellicht hämer's
nit besser verstände. Aber sparsam isch sie gsi,
ojeh! Schließlich het sie doch au jedes Johr e
Feriereis mache müesse mit ihrem Schorsch; un
wo-n-er die letzti großi Reis atrete het, no isch
sie halt jedes Johr ellai in d'Ferie gfahre. Sie
het jo Zit gha, un Geld au, denn sie isch doch so
giz.. nei, jetz hani mi scho wieder verschwätzt,
so sparsam gsi, wenn's anderi agange isch.

Wenn sie gschmierti Waihe bache het, no het
üse Männi als gsait: „Weisch, worum me zue
dem eso sait? Wil die, wo si esse, agschmiert
sin!" Un bi der Ziebelewaihe het me kei Buchweh
gha vo de Ziebele un Speckmöggeli, höchstens
vom Teigbode. Het sie uszogeni Chüechli
gmacht, no het der Männi gsait, es seie abzogeni,
sie heig ene Anke, Eier un 's öl, wo me zuem
bache brucht, abzöge.

Der Männi het halt e Wuet gha uf sie. Wo
sie no üsi Gotte gsi isch, hei mer am Neu johr un
am Geburtstag e „Fünfliber" (Fünfsilberfrankenstück
) kriegt vonere. Un noher aber nümmi.
Noher hän numme no d' Basler Nichte öbbis
kriegt. Eini isch chrank gsi un het's wege dem
guet brache chönne, aber die anderi! Der Männi,
seile het jo für alles e Übername gha, seile het
als gsait, die anderi seig e vergrotene Filmstar!

Hüte brucht d'Anna-Bas nümmi spare. Sie
het scho lang d'Feriereis zuem Schorsch atrete,
un isch dort, wo's nümme us em eigene Geldbeutel
goht. Wege dem cha me jetz verzelle.
Wenn's aber au no nit eso wär, no chönnt sie gar
nit begriffe, daß me von-ere gsait het, sie seig
gizig, denn sie het e mordsgroße Stolz gha uf
ihri Sparsamkeit un uf die gueti Chocherei!

^ Lina Kreß - Preusch

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Sie erscheint monatlich und kostet 50 Pfg., im Postversand
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Herausgeber: Hebelbund Lörrach und Müllheim (Baden)
Gesamtredaktion: L. Börsig, Müllheim
Verantwortlich für den Lörracher Heimatteil: Max Demmler

Telefon: Lörrach 2900 — Müllheim 358
Anzeigen-Annahme: F. Wolfsberger, Müllheim, Wehrgasse 3
Postscheckkonto 68889 Karlsruhe
Druck: Markgräfler Druckerei, Müllheim (Baden)

Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften, Roman.
Rowohlt-Verlag, Hamburg 1952, 1672 Seiten (Dünndruck-
ausgaibe), 38,— DM.

Das Epische beruht auf der schlichten Zeitform des
Nacheinander. Die Erzählung kann einfache und auch
verwickelte Vorgänge darstellen, sie vermag sogar, mit
psychologischer Raffinesse in das Zwielicht der modernen
Seele einzudringen. Für diesen „Roman" erwies sich
die epische Form dennoch als zu eng. Er unterrichtet
über das Inkubationsstadium des ersten Weltkrieges.
Dieser (unwägbare und gespenstisch-unwirkliche Komplex
besteht nicht aus objektiven Beziehungen, die sich
einfach aufweisen lassen. Der Herd des Krieges ist
„Kakanien", wie der Verfasser die K. K. Österreichisch-
Ungarische Monarchie nennt. Aber damit wird nicht
etwa eine geschichtliche Tatsache festgestellt, die politisch
oder völkerpsychologisch bedeutsam wäre; der
Weltkrieg ist jenseits aller Tatsächlichkeit ein moralisches
Ereignis. Die Staatsweisheit Kakaniens ist jenes
Ausweichen vor grundsätzlichen Entscheidungen, das als
„Fortwursteln" bekannt ist; darin liegt viel Klugheit,
denn es ist das Geheimnis aller Erhaltung. Das gegen
diesen Zustand gerichtete Drängen auf Unbedingtheit,
Überzeugung, Tugend treibt unmittelbar zum Kriege.
Der geplante Weltfriedenskongreß wird sich als Weltkrieg
entpuppen! Gerade die gute Absicht beschleunigt
den Triumph des Bösen. — Der Virtuose dieser zwar
„wirklichen", aber keineswegs fest gegründeten Welt ist
der „Großschriftsteller" (und Großindustrielle) Arnheim,
in dem man Walther Rathenau erkennt. Er wird nicht
beschrieben, er beschreibt sich selbst und erscheint statt
als Karikatur als seine eigene höchste Möglichkeit. Hier
ist die Welt zur Sprache geworden, ihre Geheimnisse
zur Literatur Arnheim ist die Autobiographie des
Zeitalters.

Diese ganze Welt der Öffentlichkeit und Repräsentation
ist reflektiert in die unruhige Skepsis Ulrichs, des
Mannes ohne Eigenschaften. Eigenschaften heißen die
Endlichkeiten, welche den Menschen der Gesellschaft,
der Arbeit und dem politischen Leben verpflichten und
ihn dort auch auswechselbar machen. Mit dem Pech der
Eigenschaften kleben die Menschen an der sogenannten
Wirklichkeit, und ihrer Eigenschaften wegen werden sie
geschätzt. Aber Ulrich weiß schon als Mathematiker, daß
die Anwendung des Gedankens für das Denken selbst
belanglos ist, daß das Faktisch-Wirkliche vor dem Ideell-
Möglichen keinen Vorrang hat. Ulrich zieht bewußt die
Möglichkeit vor. Er verzichtet auf Erfolg und Früchte
des Tuns, um sich die reine Tätigkeit zu erhalten, welche
ebensosehr positiv wie negativ, gut wie böse ist. Ulrich
will nicht das Gute tun, sondern gut sein. Wenn, Kant
zufolge, nichts ohne Einschränkung für gut gehalten
werden kann als ein guter Wille, dann müssen Gründe
und Folgen von der Tätigkeit abfallen, dann erweist sich
die höchste Moralität als verbrecherisch. Der „andere
Zustand", die Ekstase, die sich auf der halsbrecherischen,
schwindelerregenden Höhe inzestuöser Geschwisterliebe
oder in der befremdenden Erlöserbereitschaft schwerer
Hysterie ereignet, würde in der Welt der Öffentlichkeit
und Sprache der Justiz und der Psychiatrie verfallen.
Ulrich /muß die Sache des Gefühls und die Welt des
Gefühls theoretisch (d. i. im Medium der Sprache selbst)
zur Erscheinung steigern und seine Anerkennung ermöglichen
, damit die Höhe des „anderen Zustandes"
nicht mißverstanden werde. Dieser andere Zustand ist
allerdings nicht lebensfähig und bricht zusammen, weil
ihm zur Erhaltung das Element des nackten Bösen fehlt,
welches dann dem Krieg in ausreichendem Maße eignet.

Der Erotik kommt große Bedeutung zu. Aber es wird
so aus dem Werk nicht ein Liebesroman, sondern eine
Philosophie der Liebe. Damit rückt es in die Nähe von
Piatons Gastmahl. Andererseits legt die Schilderung der
„wirklichen" Welt einen Vergleich mit Goethes Faust
zweitem Teil nahe. Solche erlauchten Ahnen bezeichnen
den außergewöhnlichen Rang des „Mannes ohne Eigenschaften
", der in unsere Literatur nicht eingeordnet werden
kann. Das in seinen letzten Partien leider nicht
vollendete Werk wird heute wie in ferner Zukunft auf
Leser rechnen dürfen. h. r.


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