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Die Markgrafschaft
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Technik. Wenn wir unsere Nasenspitzen an den
Fenstern der mechanischen Werkstätte Reif plattgedrückt
hatten und der Meister uns in seiner
gewohnten barschen Art und Weise fortgejagt
hatte, galt unser nächster Besuch der Gipsmühle.
Staunend betrachteten wir die nimmermüden
schweren Stempel, wie sie mit mächtigem Krach
die großen Gipssteine zerstampften. Hie und da
gelang es uns auch in das Innere der für uns so
viel Geheimisse bergenden Gipsmühle hinein zu
kommen. Gerne hielten wir uns auch in dem
„Ribistüble" auf, das seinen Namen von der
früher in der Gipsmühle noch befindlichen
Hanfreibe hatte.
Unser nächstes Ziel war der Meyerhof. Gleich
unten im Untergeschoß des großen Wohngebäudes
klapperten lustig die Mühlenräder. War der
Müller gerade guter Laune, so durften wir mit
dem modernen Sackaufzug in die Höhe fahren,
was uns jedesmal einen Mordsspaß bereitete.
Wenn wir dann noch droben auf der Langholzsäge
dem „Wurster Andreas" unseren manchmal
nicht gerade gern gesehenen Besuch abgestattet
und im Herbst noch der „Äpfelribi" zugesehen
hatten, war für uns der Nachmittag voll ausgenützt
.
Nach dieser Abschweifung wollen wir aber
nun zum eigentlichen Thema unseres Berichtes,
der Geschichte der Gipsmühle und deren Besitzer
, dem alten Geschlecht der Krafft, zurückkehren
.
Durch ein ausgezeichnet geführtes Familienstammbuch
, das zugleich auch ein großes Stück
Gemeindechronik enthält, kann der Stammbaum
der Niederweilermer Krafft (bis 1830 schrieben
sie sich nur mit einem f) lückenlos bis vor 1600
zurückverfolgt werden. Der Erbauer des Stammhauses
der heutigen Generation Krafft war
Johann Georg Kraft. „Derselbige" ist nach der
Familiechronik „geboren Anno 1720 in der nächststehenden
Mühlin" (Meyerhof). „1745 ist er mit
Barbara Eglin, Tochter des Cronenwirtes von
Badenweiler Copuliert (getraut) worden". 1749
hat er die Grundstücke nächst des Meyerhofes
käuflich erworben und innerhalb Jahresfrist
darauf das heutige Anwesen Krafft erstellt.
Schon 1780 war ein Kraft an den Gipsgruben
bei Sehringen beteiligt. 1777 lesen wir in der
Chronik von einer Hanfreibe, die unten am
Klemmbach erstellt wurde. „1780 wurde darin
angefangen Gips mahlen".
Aus der Chronik erfahren wir weiter, daß
im Anwesen Krafft auch schon eine Metzgerei,
eine Messerschmiede und Weißgerberei untergebracht
waren. Auch ersehen wir aus dem
Familienstammbuch, daß das Geschlecht der
Krafft sehr kinderreich war. Es gab Familien
mit zehn und mehr Kinder. Unter dem vierten,
nunmehr alleinigen Besitzer des Gipswerkes,
erfuhr der Betrieb einen mächtigen Aufschwung.
Unseren Dorfältesten ist der zweitletzte Gipsmüller
noch gut in Erinnerung. Gustav Krafft,
der Vater des heutigen Geschlechtes Krafft, war
der letzte Gipsmüller, denn im Jahr 1922 wurde
die Gipsmühle an die Breisacher Gipsdielenwerke
Gustav Krafft, der Innerbergbezwinger Zeichnung von K. Wolfsberger
verkauft, ebenso das Schürfrecht aus etwa 50 Ar
im Gipsgrubenwald.
Nachdem an der Sehringer Straße ein neues
Gipswerk erstanden war, hatte die alte Gipsmühle
ausgedient und wurde zu einer Töpferwerkstätte
umgestaltet. Wie seine Vorfahren, die
als Vögte und Stabhalter auch im öffentlichen
Leben stets ihren Mann standen, so versah auch
der letzte Gipsmüller verschiedene Ehrenämter
im Gemeindeleben. Noch heute erinnern wir uns
gerne daran, wenn der Gipsmüller als langjähriger
Feuerwehradjutant mit seinem roten Busch
auf dem Helm die Front der „Kompagnie4 abschritt
.
Aus der Ehe des letzten Gipsmüllers mit
Elise Bronner von Auggen entsprossen neun
Kinder. Ein Sohn starb bald nach der Geburt;
zwei Söhne und zwei Töchter sind in Niederweiler
verheiratet, die anderen vier Töchter sind
nach ihrer Verheiratung nach Oberweiler, Badenweiler
und Buggingen gezogen. Der jüngere
Sohn, früherer Ratschreiber, ist auf dem elterlichen
Hof verblieben. Der ältere Sohn erwarb
nach seiner Verheiratung das frühere Anwesen
Rieger. Als technischer Leiter der Rebumlegung
hat sich der „Gusti" große Verdienste um die
Neugestaltung des Römerberges erworben. Unsere
Aufnahme zeigt den „Römerbergbezwinger",
der erst kürzlich seinen 60. Geburtstag begehen
konnte, so wie er leibt und lebt. Die Zeichnung
ist ein Werk des Kunstmalers Karl Wolfsberger.
E. B«
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