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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-10/0017
Die Markgrafschaft

15*

sie mit dem Gewände der Armut nicht die
Demut ausgezogen, und nur ihren Stand verändert
hatte, nicht ihr Herz. Nach einigen Tagen
aber, als sie alle ihre Verwandten und Bekannten
besucht hatte, reiste sie mit ihrem Gemahl
nach Genua, und beide leben vermutlich noch in
England, wo ihr Gemahl nach einiger Zeit die
reichen Güter eines Verwandten erbte.

Der Hausfreund will aufrichtig gestehen, was
ihn selber an dieser Geschichte am meisten

rührt. Am meisten rührt ihn, daß der liebe Gott
dabei war, als die sterbende Mutter ihre Tochter
segnete, und daß er eine vornehme Kaufmannsfrau
in Rotterdam in Holland und einen braven,
reichen Engländer am welschen Meere bestellt
hat, den Segen einer armen sterbenden Witwe an
ihrem frommen Kinde gültig zu machen.

Weg hat er aller Wege,

an Mitteln fehlt's ihm nicht.

Johann Peter Hebel

^wt\ Öh^ätylungen

Wie leicht sich manche Menschen oft über
unbedeutende Kleinigkeiten ärgern und erzürnen
, und wie leicht die nämlichen oft durch
einen unerwarteten spaßhaften Einfall wieder
zur Besinnung können gebracht werden, das
haben wir im alten Kalender an dem Herrn
gesehen, der die Suppenschüssel aus dem Fenster
warf, und an seinem witzigen Bedienten.
Das nämliche lehren folgende zwei Beispiele:

Ein Gassenjunge sprach einen gut und vornehm
gekleideten Mann, der an ihm vorbeiging,
um einen Kreuzer an, und als dieser seiner Bitte
kein Gehör geben wollte, versprach er ihm, um
einen Kreuzer zu zeigen, wie man zu Zorn und
Schimpf und Händeln kommen könne. Mancher,
der dies liest, wird denken, das zu lernen sei
keinen Heller, noch weniger einen Kreuzer wert,
weil Schimpf und Händel etwas Schlimmes und
nichts Gutes sind. Aber es ist mehr wert, als
man meint. Denn wenn man weiß, wie man zu
dem Schlimmen kommen kann, so weiß man
auch, vor was man sich zu hüten hat, wenn man
davor bewahrt bleiben will. So mag dieser Mann
auch gedacht haben, denn er gab dem Knaben
den Kreuzer. Allein dieser forderte jetzt den
zweiten, und als er den auch erlangt hatte, den
dritten und vierten und endlich den sechsten. Als
er aber noch immer mit dem Kunststück nicht
herausrücken wollte, ging doch die Geduld des
Mannes aus. Er 'nannte den Knaben einen unverschämten
Burschen und Betteljungen, drohte,
ihn mit Schlägen fortzujagen, und gab ihm am
Ende auch wirklich ein paar Streiche. „Ihr grober
Mann, der Ihr seid", schrie jetzt der Junge,
„schon so alt und noch so unverständig! Habe
ich Euch nicht versprochen zu lehren, wie man
zu Schimpf und Händeln kommt? Habt Ihr mir
nicht sechs Kreuzer dafür gegeben? Das sind ja
jetzt Händel, und so kommt man dazu. Was
schlagt Ihr mich denn?" So unangenehm dem
Ehrenmann dieser Vorfall war, so sah er doch
ein, daß der listige Knabe recht und er selber
unrecht hatte. Er besänftigte sich, nahm sich's
zur Warnung, nimmer so aufzufahren, und
glaubte, die gute Lehre, die er da erhalten habe,
sei wohl sechs Kreuzer wert gewesen.

In einer anderen Stadt ging ein Bürger
schnell und ernsthaft die Straße hinab. Man
sah ihm an, daß er etwas Wichtiges an einem

Ort zu tun habe. Da ging der vornehme Stadtrichter
an ihm vorbei, der ein neugieriger und
dabei ein gewalttätiger Mann muß gewesen sein,
und der Gerichtsdiener kam hinter ihm drein.
„Wo geht Ihr hin so eilig?" sprach er zu dem
Bürger. Dieser erwiderte ganz gelassen: „Gnädiger
Herr, das weiß ich selber nicht". — „Aber
Ihr seht doch nicht aus, als ob Ihr nur für Langeweile
herumgehen wolltet. Ihr müßt doch etwas
Wichtiges an einem Ort vorhaben". — „Das mag
sein", fuhr der Bürger fort, „aber wo ich hingehe
, weiß ich wahrhaftig nicht". Das verdroß
den Stadtrichter sehr. Vielleicht kam er auch auf
den Verdacht, daß der Mann an einem Ort etwas
Böses ausüben wollte, das er nicht sagen dürfe.
Kurz, er verlangte jetzt ernsthaft, von ihm zu
hören, wo er hingehe, mit der Bedrohung, ihn
sogleich von der Straße weg in das Gefängnis
führen zu lassen. Das half alles nichts; und der
Stadtrichter gab dem Gerichtsdiener zuletzt
wirklich den Befehl, diesen widerspenstigen
Menschen wegzuführen. Jetzt aber sprach der
verständige Mann: „Da sehen Sie nun, hochgebietender
Herr, daß ich die reine, lautere
Wahrheit gesagt habe. Wie konnte ich vor einer
Minute noch wissen, daß ich in den Turn gehen
werde, — und weiß ich denn jetzt gewiß, ob ich
drein gehe?" — „Nein", sprach jetzt der Richter,
„das sollt Ihr nicht". Die witzige Rede des Bürgers
brachte ihn zur Besinnung. Er machte sich
stille Vorwürfe über seine Empfindlichkeit und
ließ den Mann ruhig seinen Weg gehen.

Es ist doch merkwürdig, daß manchmal ein
Mensch, hinter welchem man nicht viel sucht,
einem andern noch eine gute Lehre geben kann,
der sich für erstaunend weise und verständig
hält. Johann Peter Hebel

Herzlichein Dank

Für die uns von den Herren Julius Kramer (Argentinien
) und Fritz Gisin (USA) übermittelten Spenden für
den Marktplatzbrunnenfonds sagen wir ein herzliches
„Vergelt's Gott" und übermitteln die besten Grüße aus
der Heimat.

Hebelb und Müllheim

Herausgeber: Hebelbund Lörrach und Müllheim (Baden)
Gesamtredaktion: L. Börsig, Müllheim
Verantwortlich für den Lörracher Heimatteil: Max Demmler

Telefon: Lörrach 2900 — Müllheim 358
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Druck: Markgräfler Druckerei, Müllheim (Baden)


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