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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-12/0011
Die Markgrafschaft

9

sich trennen. — „Zur Erinnerung an diese
Stunde", sagte da die Königin, „pflanze ich einen
Dattelkern in die Erde, und ich will, daß daraus
ein Palme werde, die wachsen und leben soll,
bis im Lande Juda ein König ersteht, der größer
ist als Salomo".

Und als sie dies gesagt hatte, senkte sie den
Kern in die Erde und ihre Tränen netzten ihn.
„Woher mag es kommen, daß ich just heute
daran denke?" fragte sich die Palme. „Sollte
diese Frau so schön sein, daß sie mich an die herrlichste
der Königinnen erinnert, an sie, auf deren
Wort ich erwachsen bin und gelebt habe bis zum
heutigen Tage? Ich höre meine Blätter immer
stärker rauschen", sagte die Palme, „und es
klingt wehmütig wie ein Totengesang. Es ist, als
weissagten sie, daß jemand bald aus dem Leben
scheiden müsse. Es ist gut, zu wissen, daß es mir
nicht gilt, da ich nicht sterben kann". Die Palme
nahm an, daß das Todesrauschen in ihren Blättern
den beiden einsamen Wanderern gelten
müsse. Sicherlich glaubten auch diese selbst, daß
ihre letzte Stunde nahe. Man sah es an dem Ausdruck
ihrer Züge, als sie an einem der Kamelskelette
vorüberwanderten, die den Weg umgrenzten
. Man sah es an ihren Blicken, die sie
ein paar vorbeifliegenden Geiern nachsandten.
Es konnte ja nicht anders sein. Sie waren verloren
.

Sie hatten die Palme und die Oase erblickt
und eilten nun darauf zu, um Wasser zu finden.
Aber als sie endlich herankamen, sanken sie in
Verzweiflung zusammen, denn die Quelle war
ausgetrocknet. Das ermattete Weib legte das
Xind nieder und setzte sich weinend an den
Rand der Quelle; der Mann warf sich neben ihr
hin, er lag und hämmerte mit beiden Fäusten
auf die trockene Erde. Die Palme hörte, wie sie
miteinander davon sprachen, daß sie sterben
müßten. Sie hörte auch aus ihren Reden, daß
König Herodes alle Kindlein im Alter von zwei
und drei Jahren hatte töten lassen, aus Furcht,
xlaß der große, erwartete König der Juden geboren
sein könnte.

„Es rauscht immer mächtiger in meinen Blättern
", dachte die Palme.

„Diesen armen Flüchtlingen schlägt bald ihr
letztes Stündlein". Sie vernahm auch, daß die
Beiden die Wüste fürchteten. Der Mann sagte,
es wäre besser gewesen zu bleiben und mit den
Kriegsknechten zu kämpfen, statt zu fliehen. Sie
hätten so einen leichteren Tod gefunden.

„Gott wird uns beistehen", sagte die Frau.

„Wir sind einsam unter den Raubtieren und
Schlangen", sagte der Mann. „Wir haben nicht"
Speise und Trank. Wie sollte Gott uns beistehen
können?" Er zerriß seine Kleider in Verzweiflung
und drückte sein Gesicht auf den Boden.
Er war hoffnungslos, wie ein Mann mit' einer
Todeswunde im Herzen. Die Frau saß aufrecht,
die Hände über den Knien gefaltet, doch die
Blicke, die sie über die Wüste warf, sprachen von
einer Trostlosigkeit ohne Grenzen.

Die Palme hörte, wie das wehmütige Rau-
rschen in ihren Blättern immer stärker wurde.

Die Frau mußte es auch gehört haben, denn sie
hob ihre Augen zur Baumkrone auf. Und zugleich
erhob sie unwillkürlich ihre Arme und
Hände.

„O, Datteln, Datteln!" rief sie.

Es lag so große Sehnsucht in der Stimme, daß
die alte Palme wünschte, sie wäre nicht höher
als der Ginsterbusch, und ihre Datteln so leicht
erreichbar wie die Hagebutten eines Dornenstrauches
. Sie wußte wohl, daß ihre Krone voll
Dattelbüscheln hing; aber wie sollten wohl Menschen
zu so schwindelnder Höhe hinaufreichen?
Der Mann hatte schon gesehen, wie unerreichbar
hoch die Datteln hingen. Er hob nicht einmal den
Kopf. Er bat nur die Frau, sich nicht nach dem
Unmöglichen zu sehnen. Aber das Kind, das für
sich selbst umhergetrippelt war und mit Hälm-
chen und Gräsern gespielt hatte, hatte den Ausruf
der Mutter gehört. Der Kleine konnte sich
wohl nicht denken, daß seine Mutter nicht alles
bekommen könnte, was sie sich wünschte. Sowie
man von Datteln sprach, begann er den Baum
anzugucken. Er sann und grübelte, wie er die
Datteln herunterbekommen sollte. Seine Stirn
legte sich beinahe in Falten unter dem hellen
Gelock. Endlich huschte ein Lächeln über sein
Antlitz. Er hatte das Mittel herausgefunden. Er
ging auf die Palme zu und streichelte sie mit
seiner kleinen Hand und sagte mit einer süßen
Kinderstimme: „Palme, beuge dich! Palme, beuge
dich!"

Aber was war das nur? Was war das? Die
Palmenblätter rauschten, als wäre ein Orkan
durch sie gefahren, und den langen Palmenstamm
hinauf lief Schauer um Schauer. Und die
Palme fühlte, daß der Kleine Macht über sie
hatte. Sie konnte ihm nicht widerstehen. Und
sie beugte sich mit ihrem hohen Stamme vor
dem Kinde wie Menschen sich vor Fürsten beugen
. In einem gewaltigen Bogen senkte sie sich
zu Boden und kam endlich so tief hinunter, daß
die Krone mit bebenden Blättern über den
Wüstensand fegte.

Das Kind schien weder erschrocken noch erstaunt
zu sein, sondern mit einem Freudenruf
kam es und pflückte Traube um Traube aus der
Krone der alten Palme. Als das Kind genug
genomen hatte und der Baum noch immer auf
der Erde lag, ging es wieder heran und liebkoste
ihn und sagte mit der holdesten Stimme: „Palme,
erhebe dich, Palme, erhebe dich!"

Und der große Baum hob sich still und ehr-

Weihnachten — das Fest des Schenkens

Wenn unsere Freunde in diesen Tagen den Einkauf
ihrer Weihnachtsgeschenke vornehmen, dann bitten wir
sie, in erster Linie unsere Inserenten zu berücksichtigen
, deren ständige Unterstützung durch die Anzeigen
es uns ermöglicht, unsere „Markgrafschaft" in dieser
Form herauszugeben. Gerade jetzt in der Zeit der
größten Kaufbereitschaft können wir diesen Firmen
einen bescheidenen Dank für ihre Förderung dadurch
abstatten, daß wir ihnen beim Einkauf den Vorzug geben.


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