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14 Die Markgrafschaft
rung vom Rathaus aus die Deutsche Republik
ausrief. Aber die badische Regierüng hatte inzwischen
ihre Gegenmaßnahmen getroffen. Von
Karlsruhe aus war der General Hoffmann mit
badischen und Bundestruppen in Stärke von
zwei Bataillonen Infanterie, einer Eskadron Dragonern
und vier Geschützen mit der Eisenbahn
nach Freiburg in Marsch gesetzt worden. Am
Sonntag, dem 24. September, hatten die Freischärler
in Staufen erfahren müssen, daß an der
allgemeinen deutschen Revolution kein wahres
Wort war und daß der Struve-Putsch ein ganz
vereinzeltes Unternehmen sei. Sie waren schon
entschlossen, in aller Stille auseinanderzugehen,
als das plötzliche Auftauchen der badischen Truppen
unter General Hoffmann den Abzug der Aufständischen
verhinderte. Auf zwei Straßen, von
Krozingen und von Heitersheim her, waren die
Truppen gegen Staufen vorgerückt, an dessen
Ortseingängen Barrikaden errichtet worden waren
. Nun eröffneten die Freischärler das Feuer.
Als in dem beginnenden Gefecht die Truppe vor
einer Barrikade einen Augenblick zögerte, riß
der zu Fuß vorgehende General Hoffmann die
Barrikade selbst auseinander, die Soldaten verjagten
die Aufständischen und besetzten das
Städtchen Staufen. Die Anführer, Struve, Blind
und Daser, flohen mit ihren Anhängern durch
die Reben und den Wald in das Gebirge, doch
wurden Struve und Blind am 29. September bei
Wehr gefangen genommen. Kaiser schreibt dazu:
„Es gab an diesem Tage nur etwa ein halbes
Dutzend Tote, Gefangene gar keine. Die Komödie
war zu Ende". Immerhin waren sechs Mann der
Ortsmusik von Weil in die Hände der Truppen
gefallen und wurden am 25. September erschossen
. Auf dem Friedhof in Weil wurde ihnen ein
Gedenkstein errichtet.
Die Nachricht, daß die Anhänger Struves in
Staufen geschlagen und versprengt worden seien,
traf in Lörrach erst in der Frühe des 25. September
ein und wurde dort von der Mehrzahl der
Bürger freudig begrüßt. Im Nu waren die roten
Fahnen und Schilder verschwunden; die drei
republikanischen Kommissäre der sogenannten
Regierung flohen mit allen jenen, die sich für
Struve eingesetzt hatten, in die Schweiz. Lörrach
und seine Umgebung erhielten starke Einquartierung
an Infanterie,. Kavallerie und Artillerie.
Der neue Ortskommandant, Freiherr v. Rotberg,
der Kommandeur eines Dragoner-Regiments, verstand
es, mit der Bevölkerung gut auszukommen
und wurde, wie Kaiser schreibt, bald eine in
Lörrach gern gesehene Persönlichkeit. Bis ins
Frühjahr 1849 hinein blieb die Einquartierung im
Lande. Dieses lange Zusammenleben der Soldaten
mit der zum Teil recht radikal eingestellten
Bevölkerung war nun aber für die Disziplin in
der Truppe recht nachteilig. Auf diese Weise
lockerte sich die Disziplin in bedenklicher Weise,
und die Folgen zeigten sich im dritten und
gefährlichsten badischen Aufstand, der im Mai
1849 ausbrach.
Der bedeutendste Anlaß zu dieser badischen
Revolution lag in der Tatsache, daß König Friedrich
Wilhelm IV. von Preußen am 3. April die
ihm angetragene deutsche Kaiserkrone ablehnte,
daß damit die von der Frankfurter Nationalversammlung
beschlossene Reichsverfassung hinfällig
wurde und so die Hoffnungen auf eine
nationale Einigung zerstört wurden. Ferner war
am 30. März das Urteil im Hochverratsprozeß
gegen Struve und Blind gefällt worden. Beide
wurden zu längeren Zuchthausstrafen verurteilt,
und durch diesen Prozeß und die Verurteilung
wurden sie nun in den Augen weiter Kreise des
Volkes zu „Märtyrern der guten Sache" gestempelt
; sie gewannen nun erst Sympathien, die man
ihnen während des Herbstaufstandes kaum entgegengebracht
hatte. Am 11. Mai meuterte die
Garnison der Festung Rastatt und befreite Struve
und andere Gefangene, die dort ihre Strafen verbüßen
sollten. Als dann am 13. Mai auch die
Karlsruher Truppen meuterten, verließ Großherzog
Leopold mit seiner Familie sein badisches
Land. Nach der Flucht der Ministerien zog der
revolutionäre Landesausschuß unter Vorsitz
Brentanos in Karlsruhe ein.
Wie in Rastatt und Karlsruhe, so meuterten
auch in Lörrach am 14. Mai die dort einquartierten
Truppen. Trotz Abmahnung ihrer Offiziere
versammelten sich randalierende Soldaten am
Abend auf dem Marktplatz und verlangten die
sofortige Freilassung von Kameraden, die wegen
Verstößen gegen die Disziplin im Turm eingesperrt
worden waren. Schließlich drang eine
Schar Infanteristen, die zum Teil mit Faschinenmessern
und Gewehren bewaffnet waren, zum
Turm — in der heutigen Turmstraße — vor. Es
fielen Schüsse. Der junge Leutnant von Rotbergy
der Neffe des Obersten von Rotberg, des Platzkommandanten
von Lörrach, wollte im Toreingang
den Meuterern den Eintritt verwehren.
Als die Soldaten den Eingang mit der Waffe
erzwingen wollten, schoß der Leutnant auf einen
derselben. Bei der sich nun entwickelnden
Schießerei wurde der Oberst von Rotberg selbst
getroffen und mußte fortgetragen werden, während
es den Meuterern gelang, in den Turm einzudringen
und die Gefangenen zu befreien. Die
Mehrzahl der Lörracher Bürger wie auch der
Soldaten verurteilte diese Vorgänge, wandte sich
ab von den Rädelsführern und erhoffte von dem
Eingreifen Preußens, dessen Hilfe der Großherzog
angerufen hatte, die Wiederherstellung von
Ruhe und Ordnung. Im Juni besetzten die preußischen
Truppen Karlsruhe, und im Juli gelang die
Eroberung der Festung Rastatt, nachdem die
republikanischen Freischaren unter der Führung
des Polen Mieroslawski bei Waghäusel entscheidend
geschlagen worden waren. Der Aufstand
brach restlos zusammen, der Chef der provisorischen
Regierung, Brentano, floh nach Schaffhausen
, und auch Mieroslawski und Struve suchten
und fanden mit ganzen Scharen Revolutionärer
eine Zuflucht auf Schweizer Boden. Bei seinem
Rückzug gelangte er am 5. Juli mit etwa 1500
Mann und 13 Geschützen nach Lörrach. Seine
Leute waren in völliger Auflösung, schlecht gekleidet
und ausgerüstet. Bei Rheinfelden und
Riehen überschritt er die Schweizer Grenze. Fünf
Tage später, am Abend des 10. Juli, marschierten
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