Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-01/0006
4

Die Markgrafschaft

Seife £iebrtdj

Am 7. September 1954 hätte Fritz Liebrich, der
bedeutende Basier Lyriker, seinen 75. Geburtstag
feiern können. Bei der Witwe des Dichters feierte
ein kleiner Freundeskreis diesen Tag,, den wir
zum Anlaß nehmen möchten, auch einem größeren
Kreis ein Bild dieses urwüchsigen Dichters
in Erinnerung zu rufen. D. Red.

In den Zwanziger] ahren machte ich meine
erste Bekanntschaft mit Fritz Liebrich. Ich war
damals noch ein junger Lehrer an der Sekundärschule
und wollte meinen dreizehnjährigen Buben
und Mädchen Johann Peter Hebel nahebringen.
Da kam mir wie gewünscht ein schmales, aber
gehaltvolles Heftchen in die Hände: Fritz Liebrich
, „J. P. Hebel". Sfchon beim flüchtigen Durchlesen
merkte und fühlte ich: Da ist einer, der
den Wiesentäler Dichter, der ja auch hierseits des
Rheines so gut wie daheim ist, wirklich kennt
und versteht und der ihn zudem noch darstellen
kann, daß es einem warm und wohl wird.

Dieser Begegnung, ohne leibhaftig dabei zu
sein, folgten weitere Bekanntschaften geistigseelischer
Art. So packte mich bald darauf ein
Aufsatz in der „National-Zeitung", in dem Fritz
Liebrich die so lange offen gebliebene oder durch
halbbatzige Vermutungen und ganzbatzige Fehlschüsse
falsch gelöste Frage „Wo ist J. P. Hebel
geboren?" an Hand vielseitiger Forschungsergebnisse
endlich endgültig beantwortete. Fast zu
gleicher Zeit erschien das Buch „J. P. Hebel und
Basel", in dem sich der nämliche Verfasser als
gündlicher, zuverlässiger Hebelforscher ausweist,
dem nicht nur gegeben ist, zu finden, was er
sucht, sondern auch klar und überzeugend zu
sagen oder zu deuten, was er denkt oder erkennt.

Wie der Hebelkenner sprach mich bald auch
der Dichter Fritz Liebrich an. Ich lernte sein
Mundartstück „Maske", verschiedene, in den
Basler Zeitungen verstreute Gedichte und Erzählungen
kennen. Sie alle ließen mir keine Ruhe
mehr, bis ich mich aufraffte und Fritz Liebrich
zu seinem 50. Geburtstag ein Verslein schrieb,
das anhob: „I wog's fascht nit, an Euch e Briefli
z'schrybe" — und das in dem Bekenntnis
gipfelte:

„I luegen an Ech ue! Wil Dir so ganz

und duredur en Eigne syt und das,

wo Euch so packt, au eige chönnet säge..."

Aus diesen drei Verszeilen ist ersichtlich, was
mich ganz besonders ansprach und immer noch
anspricht: die eigenwillige Eigenart Fritz Lieb-
richs, die sich sowohl in der Gedanken- und
Gefühlswelt seiner Werke wie in der Darstellungsform
kundgibt. Nicht umsonst nahm sich
Liebrich in aller Stille Zeit zum Wachsen und
Ausreifen. Erst im besten Mannesalter trat er ja
hervor, dann aber ganz und als ein Meister.

Nun kam es auch zur persönlichen Bekanntschaft
von Angesicht zu Angesicht. Hebel öffnete
gleich jenes geheime Pförtchen, durch das „innere

Menschen" einander entgegenkommen können.
Hebel war zunächst das ständige Bindeglied und
Gesprächsthema. Bei diesen ersten Besuchen her
und hin, die immer mehr zu ganzen Nachmittagen
oder Abenden erwuchsen, lernte ich aber
auch die Feinfühligkeit und das auf die echten,
bleibenden Lebenswerte gerichtete Denken Fritz
Liebrichs kennen. Ich wurde in nichts enttäuscht.
Mein Drang, Fritz Liebrich zu sehen, zu hören,
zu erleben, war nicht nur Rausch, dem Ernüchterung
folgt. So war alles, was ich nun sah, hörte,
erlebte, eigentlich eine Bestätigung dessen, was
ich aus den mir bereits bekannten Schriften ablesen
oder herausfühlen konnte. Nichts von
Anderssein oder gar von Wichtigtuerei; kein
Besserwissen, kein Sichvordrängen — und wenn
man einmal doch auf ihn selber oder auf etwas
von ihm zu sprechen kam, dann wehrte Fritz
Liebrich basierwitzig ab. Er war von Grund auf
bescheiden wie jeder wahre Kenner und Könner.
Man lese einmal seine kleine Autobiographie:
„Ich wurde in Basel geboren am 7. Dezember
1879. Sobald ich einigermaßen sicher auf den
Beinen stand, schickte man mich in die Häfeli-
schule. Seither ist mein Leben ein ewiger Schulweg
, da ich ja selber Lehrer geworden bin". So
schrieb der bereits anerkannte, in Fachkreisen
hoch geschätzte Dichter und Hebelforscher von
sich.

Fritz Liebrich war vor allem Lyriker. Vier
Gedichtbände zeugen dafür: die Sammlung schriftdeutscher
Gedichte „Meine Stadt", die Mundart-
versbändchen „Die stille Gasse", „D'Fähri" und
aus dem Nachlaß „Baseldytsch". Wie die Titel
verraten, steht Liebrichs Heimat, die Universi-
täts-, Industrie-, Handels- und Grenzstadt Basel,
in ihrem Mittelpunkt. Man darf aber nicht glauben
, es handle sich etwa um idyllische oder
romantische Motive, gleichsam um eine durch
Tradition vorgezeichnete Altstadtverklärung, bei
der eingeborener Fasnachtwitz und angeborener
Basler Geist als Paten gestanden. Nicht nur das
Eingesessene, historisch Gewordene, das heimelige
Alte spornte Fritz Liebrichs Dichten und Trachten
an, sondern ebenso sehr das erst Kommende,
Werdende, das so ganz anders geartete Neue.
Der Kran und die Maschinenhalle kommen neben
den Münstertürmen und dem alten Stadttor nicht
zu kurz. Telefon, Telegraph und Radio lassen sich
wie „'s Buebezigli" und ,,d' Reßliryti" hören.
„Ich sehe in Basel nicht nur die stillen Gassen,
sondern den Wirrwarr am Dreiländerstein, aus
dem sich mit Getu und Gewalt ein Neues ringt",
sagt der Dichter.

Das nachfolgende Gedicht, das mir Fritz Liebrich
1931, als wir Feundschaft schlössen, gleichsam
als Widmung in „Meine Stadt" einschrieb
und das er vier Jahre später in sein „Basler
Dichterbuch" aufnahm, mag zeigen, daß es sich
nicht um glatte, leicht eingängige Verse handelt,
sondern um Verse, um die gerungen werden
muß, die erworben sein wollen:


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-01/0006