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Die Markgrafschaft
nirgends wird „babbedipfig, zimpferlig grätscht"
oder irgend etwas „nochequätscht" oder gar wie
von einem „Ruech vom Dingsquartier" gewettert.
Ob Fritz Lieblich das Bild der alten, lebensweisen
Dame im Sessel zeichnet oder ewige Musik in
Worte faßt oder das ungeheure Stimmengewirr
der Welt einfängt — überall zeigt er, in welche
ungeahnten Tiefen der Empfindung Muttersprache
und Mutterlaut uns führen können. Auch beweist
er immer wieder aufs neue, daß die Mundart, von
einem Meister gehandhabt, nicht eine hilflos
lallende „Tittitättisprache" ist, wie uns Halbgebildete
etwa weismachen wollen, sondern eine
Voll-Sprache, in der Höchstes und Letztes gesagt
werden kann.
Unsere „Höck" führten uns beide nicht nur zu
Hebel und dem, was wir so schrieben, sondern
zu uns selbst. Jeder fühlte im andern das Andere:
Fritz Liebrich der typische Stadtbasier, ich der
typische Baselbieter. Eines schönen Tages schlössen
wir Freundschaft — nicht gemeinsamer
Interessen oder der beruflichen Kollegialität
wegen, sondern einfach, weil wir uns aufrichtig
gern hatten und weil wir uns glücklich schätzten,
einander zu haben. Es war eine fruchtbare und
unverbrüchliche Freundschaft.
Wie gerne denke ich heute an jene für Geist
und Seele „sieben fetten Jahre", die mir durch
Freund Fritz alles brachten, was ich von innen
her wünschte und erstrebte: ein aufgeschlossenes
Wesen, das mein verschlossenes Wesen ganz versteht
; eine unerbittliche, aber wie aus väterlicher
Liebe stammende Kritik an meinem Schaffen;
neidlose Anerkennung, wenn mir etwas gelang;
Ansporn und Aufmunterung in trüben Stunden;
endlich die ständige Mahnung wie das stets
wache Gewissen, mit der eigenen Sache soll man
erst dann zufrieden sein, wenn es an ihr gar
nichts mehr zu rütteln gibt.
Und wie aus heiterem Himmel fuhr am
30. März 1936 auch für mich der Blitz herab:
Fritz Liebrich
So muesch denn fürt? Muesch furt, für nümme z'cho?
Du guete Möntsch! Du grade, ganze Ma!
Das drückt is. Und mer träge schwerer dra
jez, wo dy Zyt chunnt, Fritz — und du nümm do!
Und 's fot doch afo blueschte, was es cha.
Und 's wüelet, wuslet — alls will uuferstoh!
Das weere Stunde: so dur d'Matte z'goh!
Do geeb dy Siliberglogge suufer a!
's mueß nit sy, Fritz. Doch, tuet's au noo so weh,
mer hei dys Waren, das ryf und gsägnet. Meh!
D' Erinnerig a himmelschöni Stunde!
Do läbt dys liebrych Wäse wider uuf:
So läbsch du sälber mit in jedem Schnuuf.
Und du und mir — mer blybe fescht verbünde.
Tatsächlich habe ich neben dem reifen, gesegneten
Werk Fritz Liebrichs auch den Freund in
der1 Erinnerung an „himmelschöni Stunde" immer
noch. Er lebe weiter — auch für andere.
Traugott Meyer
Wlantin f)etöegger über fabele ©peaetje
Der Freiburger Philosoph Martin Heidegger,
vor 65 Jahren zu Meßkirch geboren, einer der
großen Denker der Gegenwart, ist auch Verehrer
Hebels. Aus der Rede, die er vor Berner Gästen
kürzlich in Freiburg-Zähringen hielt, übersandte
Heidegger — mit seinem Bild — in dankenswerter
Weise einige wesentliche Sätze dem
Langenharder Hebelbuch. Die Sätze, die zum
Tiefsten gehören, was je über Hebels Sprache
gesagt wurden, lauten:
„Die Mundart ist der geheimnisvollste Quell
jeder gewachsenen Sprache. Aus ihr strömt all
das zu, was der Sprachgeist in sich birgt.
Was birgt der Geist der Sprache? Er verwahrt
in sich die unscheinbaren, aber tragenden
Beziehungen zu Gott, zu Welt, zu den Menschen
und ihren Werken und Dingen. Was der Sprachgeist
in sich birgt, ist jenes Hohe, alles Durchwaltende
, woraus Jegliches seine Herkunft hat.
Dieses Hohe und Gültige lebt in der Sprache auf
und stirbt mit ihr ab, sobald eine Sprache den
Zustrom aus jenem Quell entbehren muß, der die
Mundart ist. Der Dichter Hebel wuße dies klar.
Was jedoch in Hebels Schatzkästlein verborgen
ist, haben bis heute nur wenige ganz ermessen
.
Die deutsche Schriftsprache, in der Hebels
Erzählungen und Betrachtungen sprechen, ist die
einfachste, hellste, zugleich bezauberndste und
besinnlichste, die je geschrieben wurde. Die
Sprache des Schatzkästleins bleibt die hohe
Schule für jeden, der sich anschickt, maßgebend
in dieser Sprache zu reden und zu schreiben.
Worin liegt das Geheimnis der Heberschen
Sprache?
Nicht im gekünstelten Stilwillen, auch nicht
in der Absicht, möglichst volkstümlich zu schreiben
. Das Geheimnis der Sprache des Schatzkästleins
beruht darin, daß Hebel es vermochte, die
Sprache der alemannischen Mundart in die
Schriftsprache aufzufangen und diese — die
Schriftsprache — als reines Echo jener — der
Mundart — erklingen zu lassen.
„Die Markgrafschaft*
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