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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-01/0013
Die Markgrafschaft

IT

mords. Verhandelt den 13., 14. und 15. Dezember
1852 vor dem Schwurgerichtshof des Oberrheinkreises
". Den Vorsitz führte Hofgerichtsrat von
Bodmann; die Verteidigung hatte Hofgerichtsadvokat
Lamey übernommen. Der Verfasser der
Schrift stellt am Anfang fest: „Dies Verbrechen
— ein unglückseliges Zusammentreffen verfehlter
Jugenderziehung, versagter Hoffnungen und
Wünsche, unbegreiflichen Leichtsinnes, anerzogenen
Geldstolzes und Vergessens aller Pflichten
— ist ebenso interessant durch die gerichtsärztlichen
und nötig gewordenen chemischen
Untersuchungen, als ergreifend und erschütternd
durch die grenzenlose Verblendung der Angeschuldigten
, . die zu dem gräßlichen Verbrechen
des Elternmordes schritt".

Natürlich hatte man der Angeklagten von
vornherein einen dreifachen Mord zugetraut: am
Vater, an der Mutter und an dem jüngsten
Kinde. Aber die Mutter war ohne Zweifel am
Blutsturz gestorben. An der kleinen Leiche
- des im Dezember verstorbenen jüngeren Kindes
konnte trotz aller Sorgfalt keine Spur von Gift
festgestellt werden, was für das Gericht ein
Beweis dafür war, daß der Nachweis beim Vater,
der nach derselben Methode wie beim Kinde
durchgeführt worden war, als absolut zuverlässig
gelten konnte. Maria Barbara wurde zum Tode
mittelst öffentlicher Enthauptung verurteilt und
zur Tragung der Kosten, mit Ausnahme der
durch die Hinrichtung entstehenden. Das Gericht
konnte, so erklärte der Präsident, keine Gnade
walten lassen. Dsts sei allein Sache des Staatsoberhauptes
.

Am 12. Januar wurde ihr die Begnadigung zu
lebenslänglichem Zuchthaus eröffnet.

Es ist natürlich, daß die Erinnerung an die
furchtbare Tat noch lange fortlebte in dem stillen
Dörflein. Daß alte Leute heute noch ein
Gedicht auswendig hersagen können, das zu der
<Jeschichte gehört, beweist einmal das gute Gedächtnis
der älteren Generation. Beweist aber
auch, daß es schon oft vorgetragen wurde. Es soll
von Maria Barbara im Gefängnis verfaßt worden
sein und hat folgenden Wortlaut:

Ich stand vor einem Eisengitter
in der stillen Einsamkeit;
klage laut und weine bitter,
klage Gott mein Herzeleid.

Ach, Wie sind die Mauern düster,
ach, wie sind die Ketten schwer.
r% O, wie lange wird's noch dauern!

Gibt's denn keine Rettung mehr?

Von der Welt bin ich verlassen,
von der Welt, von jedem Mann.
Freund und Feinde tun mich hassen,
niemand nimmt sich meiner an.

Holder Jüngling, nimm zum Pfände
dies mein dunkles Lockenhaar,
mit dem roten Seidenbande,
da® an meiner Seite lag.

Einen Vater, den ich hatte,
den ich oftmals Vater nannt,
eine Mutter, die -mich liebte,
die hat mir der Tod entwandt.

Beide sind für mich gestorben,
beide sind für mich dahin.
O, wär ich doch nicht geboren,
weil ich so unglücklich bin.

Wenn ich einmal sterben werde
und vor dir getrennt muß sein,
o, so pflanz' auf meinem Grabe
Rosen und Vergißnichtmein.

Ohne Zweifel liegt hier ein altes Lied im
Volkston zugrunde, das in ihrer Erinnerung an
vergangene schöne Tage in ihr wach wurde. Wer
weiß, vielleicht keimte in ihr auch schon eine
neue Liebe auf. Denn nach der Uberlieferung
soll sie mit einem Gefängniswärter nach Amerika
entflohen sein, wohin später ihr Sohn Gustav
folgte. Das ergäbe einen romantischen Abschluß.
Mir scheint es etwas anders gegangen zu sein:
damals war es vielfach so, daß man Leuten, die
zu langen Zuchthausstrafen verurteilt worden
waren, die Erlaubnis gab, nach Amerika auszuwandern
. Dann hatte man sie los und brauchte
sie nicht mehr füttern. Nur mußten sie versprechen
, nie mehr heimzukommen.

Gelegentlich werde ich versuchen, in Strafakten
das Schicksal der Maria Barbara nacbC ihrer
Verurteilung festzustellen. Immerhin schien es
mir richtig, die verfehlte Jugend der Maria
Barbara Gerwig hier einmal nach gedruckten
Unterlagen zu veröffentlichen. A. Eisele

Die betrogenen Zecher

Zwei Zechbrüder besuchten oft eine Stunde weit einen
Freund aufs Mittagessen, weil er guten Jochem hatte
und ihm der Wein nicht überzwerch im Faß lag. An
seinem Namenstag, als sie wieder kamen, hatte jeder
vorher einen Hering gegessen wegen dem Durst und
schwitzten Tropfen wie Haselnuß, denn es war im
August. Cyriak hieß er. Da dachte der Herr Cyriak:
Ich will doch einmal sehen, ob ich der gute Freund bin
oder mein Wein. Also nahm er den. einen vor dem
Essen auf die Seite und sagte: „Gevatter, tut mir den
Gefallen und helft mir den Apotheker (das war der
andere) unter den Tisch trinken. Wir wollen gelbgefärfo-
tes Wasser trinken, und Ihr müßt mit ihm fleißig anstoßen
auf den Cyriak". Das war dem Gevatter recht.
Darauf nahm er den Apotheker auch auf die Seite und
sagte: „Helft mir heuteumeinen Gevattermann zudecken",
und tat ihm den nämlichen Vorschlag. Dem Apotheker
war's auch recht, und jeder dachte: das gibt einen Spaß.
Also tranken sie miteinander sieben Maß Wasser
Durlacher Eich über der Mahlzeit und noch drei Maß
stehenden Fußes auf viel nachfolgende. Als er ihnen die
vierte einschenken wollte, sagte der Gevattermann: „Ich
kann nimmer, er ist mir zu stark". Der Apotheker sagte:
„Ich kann auch nimmer. Ich muß noch Bärendreck
kochen, wenn ich heimkomme". Doch nahmen sie noch
eins zur schuldigen Danksagung. Unterwegs sagte der
Gevatter des Cyriaks: „Apotheker, heut habt Ihr ein
Meisterstück gemacht. Ich kann nicht begreifen, wie Ihr
noch aufrecht gehen könnt". Der Apotheker sagte: „Mich
wundert's, daß Ihr nicht blindhagelvoll seid". „So", sagte
der Gevattermann: „drum hab' ich Wasser getrunken".
Da gingen dem Apotheker die Augen auf, und sagte:
„Ich auch". Da gingen dem Gevattermann auch die
Augen auf. J. P.Hebel -


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