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Die Markgrafschaft
Im Mittelpunkt allen Seins steht von Anfang
an die Drei in der Heiligen Dreifaltigkeit, der
Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Das weiß
wohl jeder, aber nicht jeder denkt über die
Bedeutung dieser Zahl nach, die in so mancher
Form in der Welt vorhanden ist ohne unser
Zutun, aber auch — teils bewußt, teils unbewußt
— in unsere Lebensordnung aufgenommen
wurde.
In drei Abschnitte gliedert sich das Leben,
in Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft als Zeitbestimmung
, in Werden, Sein, Vergehen, als
Ordnung allen Lebens.
Nach drei Tagen ist Christus von den Toten
auferstanden.
In drei Formen erhellen uns die Himmelslichter
Tag und Nacht, als Sonne, Mond und
Sterne.
Die alten Maler stellten das Auge Gottes in
einem Dreieck dar, und beim hl. Abendmahl
trinken wir das Blut Christi in drei Schlucken.
Ein Schwur wird geleistet mit erhobenen drei
Fingern, einem Toten werfen wir drei Schaufeln
voll Erde nach.
Dreimal läutet die Totenglocke zum letzten
Gang und dreimal gibt die Glocke das Zeichen
zum Beginn des Gottesdienstes.
Drei mal drei Monate liegen zwischen Empfängnis
und Geburt eines Menschen.
Nach drei mal drei Tagen ist die Krisis nach
schweren akuten Krankheiten.
In vier mal drei Monate hat der Mensch das
Jahr eingeteilt.
Die Mythologie berichtet von drei Parzen
(Parca, Nona und Decuma) als römische Geburtsgöttinnen
, und drei Nornen wohnten im Norden
als Schicksalsgöttinnen: Urd, Verdandi und Skuld.
Der dreibeinige Schemel der Pythia, auf dem
sie bei ihren Orakelsprüchen saß, ist vielleicht
der Vorgänger unseres dreibeinigen Schusterschemels
.
Auch das Märchen hat die Zahl drei aufgenommen
.
Drei eiserne Reifen sprangen vom Herzen
des treuen Heinrich; drei Wünsche erlaubten die
Feen den Menschen.
Drei Brünnlein rauschten am Weg, als Brüderchen
und Schwesterchen in den Wald gingen;
drei Tropfen Blut fielen auf das weiße Leinen,
als die Königin sich in den Finger stach; dreimal
verneigten sich der Kalif und sein Vezir nach
Osten, um mit dem Zauberspruch wieder Mensch
zu werden. Und so könnte man noch endlos
fortfahren.
Aber auch ins tägliche Leben stellte sich die
Zahl drei. Beim Säen tat der Bauer die ersten
drei Würfe in den drei höchsten Namen. Gute
und böse Sympathien wurden in denselben
Namen gesprochen. Drei Kreuze über der Tür
sollten gegen den Einfluß böser Mächte schützen,
und noch heute, in der aufgeklärten Zeit, klopfen
die Menschen — toi-toi-toi — dreimal gegen
Holz, wenn sie etwas „unberufen" sagen wollen.
Bei der Flußschiffahrt gibt der Kapitän des
Schleppers abends und morgens dreimal das
Zeichen zum Ankerwerfen oder zur Weiterfahrt.
Das dritte Zeichen bedeutet „in Gottes Namen".
Das Klingelzeichen im Theater ertönt dreimal,
und hell klingt im Orchester der Dreiklang des
Triangels.
In drei Ordnungen steht der Handwerker: als
Lehrling, Geselle und Meister.
In dem Maß der alten Elle war die Drei vervielfacht
, und das Dutzend enthält viermal drei.
Der Bäcker formte die Brezel mit drei Löchern,
der Töpfer das alte „Babbedüpfe" mit drei Füßen.
Selbst in die Küche drang die Drei ein. Die
Hausfrau ließ den aufgebrühten Kaffee drei
Vaterunser lang ziehen, und der Salat mußte
dreimal gewaschen werden. Der „Bhaltis", der
bei Familienfesten in die Nachbarschaft und
Freundschaft ausgetragen wurde, mußte neben
einem Stück Gugelhupf dreierlei Torten aufweisen
.
In die Zwiebel, die einem Sauerbraten oder
einer sauren Tunke beigegeben wird, steckt man
drei ganze Nelken.
Der „dritt Tag Neu" (Neumond) war die
rechte Zeit, um Kindern das Haar zu schneiden
oder Bohnen ins Land zu legen, damit alles
ungehindert wachsen konnte.
Heilkräutertee war richtig dosiert, wenn die
Köchin pro Tasse nahm, was zwischen drei
Fingern Platz hatte. Drei Schritt vom Leibe aber
wünschte man einen unangenehmen Menschen.
Selbst die Kinder bemächtigten sich dieser
Zahl. Wir sangen ein Liedchen:
Schuehmächerli, Schuehmächerli,
was choste myni Schueh?
Drei Neegeli, drei Neegeli,
drei Bätzeli derzue.
Bekamen wir bei wilden Spielen das „Seitenstechen
", so half es, dreimal auf einen flachen
Stein zu spucken und ihn rückwärts zu werfen.
Mußten wir etwas Schwieriges auswendig
lernen und es wollte nicht sitzen, lasen wir es
vor dem Einschlafen dreimal laut, dreimal leise
und legten dann das Buch unter das Kopfkissen.
Manchmal half es, manchmal auch nicht, gleichviel
ob ein Er, eine Sie oder ein Es das Mittel
anwendete, denn in der deutschen Sprachlehre
gibt es auch drei Geschlechter.
Und so wird es noch manche Drei geben, die
dem Leser in seinem Leben begegnet ist.
Ida P^eusch-Müller
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