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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-02/0008
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Die Markgrafschaft

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der Landschreiber zu Rötteln und Orgelmeister

Das scheint freilich ein merkwürdiges Nebeneinander
von beruflicher Tätigkeit zu sein: ein
Schreiber trockener Protokolle und amtlicher
Episteln im strengen Dienste eines Fürsten und
ein Meister auf der Orgel zur Ehre Gottes. Aber
Christoph Leibfried war schon von Geburt her
zu beidem geradezu vorherbestimmt: sein Vater
war zu Würzburg Stadtschreiber und seine Mutter
entstammte dem Geschlecht der Woltz, das
in langer Folge immer Rat- und Stadtschreiber
und zugleich Musiker aufwies. Christoph hat
beide Berufe glücklich in sich vereinigt, und eine
Tätigkeit hat die andere immer wieder befruchtet
und sein eigenes harmonisches Wesen vollkommen
ergänzt.

Ein Erlebnis, das der Zwanzigjährige gehabt
hat, scheint von ausschlaggebender Bedeutung für
sein Leben geworden zu sein, und mit dieser
Begebenheit rückt er auch erstmalig in unseren
Gesichtskreis, während über seine Kindheit und
Jugend nichts bekannt ist. Damals als Student
der Rechte auf der Universität zu Karlstadt war
er, ein überzeugter Protestant, den Häschern der
bischöflich - würzburgischen Inquisition in die
Hände gefallen und hatte sein Leben nur noch
mit knapper Not dadurch retten können, daß er
aus Karlstadt flüchtete, wo er seine geliebten
Bücher, darunter anscheinend auch schon Orgelwerke
, zurücklassen mußte. Da eine Rückkehr
ins Elternhaus nach Würzburg ihn und seine
Angehörigen nur aufs neue gefährdet hätte, so
sucht er nach einer verwegenen Flucht seinen
Unterschlupf bei dem Bruder seiner Mutter in
Heilbronn, dem dortigen Raschreiber und Organisten
Johannes Woltz. Ein Jahr lang beherbergt
ihn der treue Oheim, der offenbar seine helle
Freude an dem orgelkundigen Neffen gefunden
hat, in seinem Haus, und sie gehen miteinander
an die Herausgabe eines Tabulaturwerks, ohne
freilich die umfangreiche Arbeit zum Abschluß zu
bringen. Woltz empfiehlt nun seinen Neffen
einem Freund in Tübingen weiter, dem Magister
Hetler, wo er freundliche Aufnahme findet. Hier
heiratet er die filia hospitalis, die Dorothee Hetler
und scheint sich neben seinem Rechtsstudium mit
besonderer Vorliebe der Weiterbildung in der
Orgelkunst gewidmet zu haben, wie es jenes
Selbstbildnis beweist, das er von sich, an der
Orgel sitzend, gefertigt hat. Darunter setzte er
bezeichnenderweise das Distichon des Eoban, das
auf deutsch lautet: ,,Rühr mit dem Finger die
Orgel, und Seelenschmerz wird dir entschwinden,
wenn ein erquickendes Lied tröstet das trauernde
Herz".

Überhaupt scheint er sich in diesen acht Tübinger
Jahren fleißig mit Holzschnitten für Exlibris
befaßt zu haben, von denen eines die Glücksgöttin
darstellt, die in der einen Hand den Zweig
und in der anderen ein Füllhorn hält, wozu er
folgende Erklärung gibt: „Was trägt die Seele?
Christus. Was der Körper? Den Frieden. Was die

Jungfrau? Das Füllhorn des Glücks". Ist die
erste Frage eine Anspielung auf seinen Namen
Christofferus, so deutet er mit der letzten auf
sein eheliches Glück hin. Denn in dieser seiner
Dorothee, die ihm in Tübingen vier Mägdlein
geschenkt hat, ist offenbar das Glück leibhaftig
in sein Leben eingetreten. Getreu ihrem Wahlspruch
:

„Willst du, daß dir's geling,
so lueg selber zue den Ding!"

schaltete die nüchterne und umsichtige Schwäbin
in ihrem Hauswesen. Aber Christoph empfindet
es an ihrer Seite, daß es doch im Grunde ein
spielerisches und müßiges Dasein ist, das er in
Tübingen verbringt, und vor allem kommt ihm
zum Bewußtsein, daß er eine Familie zu ernähren
hat. So ist der Dreißigjährige froh, daß sein
Schwager Joseph Hetler, dem er bei der Hochzeit
ein carmen nuptiale gedichtet und komponiert
hatte, und der sich gleich darauf in den Dienst
eines Landschreibers auf Schloß Rötteln begeben
hatte, Botschaft schickt, daß hier auf der Burg
eine freilich noch untergeordnete Stellung als
Sekretär beim markgräflichen Kanzler frei sei,
wenn auch vorläufig noch ohne eine Wohnung im
Schloß selbst. Christoph greift zu und übersiedelt
mit Frau und Kindern und nicht ohne Mühsal
und Unkosten nach Röttlerweiler, wo er zunächst
eine nur primitive Unterkunft findet. WaS ihn
wohl am meisten angezogen hat, war die Nähe
der Stadt Basel, und hier treffen wir ihn nun
öfters, zunächst als einen zum Doktor utriusque
juris Promovierenden, aber auch als einen bei
allen größeren Festen gern gesehenen Gast. Zu
den vier schwäbischen Töchterlein gesellen sich
nun noch drei badische Buben, von denen der
letzte bereits auf der Burg Rötteln selbst geboren
ist. Denn der Schwager Hetlier, der bisherige
Landschreiber, ist zum Kanzler des Markgrafen
aufgerückt, und Christoph übernimmt dessen Amt
und Wohnung. Es scheint freilich für Christoph
nicht immer eine angenehme Tätigkeit gewesen
zu.sein unter dem zornmütigen Markgrafen Ernst
Friedrich, der dazu als ein strenger Reformierter
keine Vorliebe für Liturgie und kein Verständnis
für Leibfrieds Liebhaberei, die Orgelkunst, besessen
hat. Und daß der neue Landschreiber so
ganz und gar nicht geneigt ist, die Untertanen mit
der Betreibung der Abgaben zu drücken und zu
plagen, bringt den Markgrafen oft in Harnisch.
Als aber Ernst Friedrich im Kampf gegen die
ihm abtrünnig gewordene Stadt Pforzheim an
einem Schlagfluß stirbt und dessen milderer
Bruder Georg Friedrich an seine Stelle tritt, beginnt
für den Leibfried ein neues Leben und ein
frohes Schaffen. Denn der weiß, was er an dem
Leibfried hat, und betraut ihn mit der gesamten
Gerichtsbarkeit in den rötelisch-sausenburgischen
Landen und überträgt ihm Ämter und Pflichten,
wie sie sonst nur dem Landvogt selbst zustehen;
so etwa die Einsetzung der Vögte, das Präsentie-


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