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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-02/0010
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Die Markgrafschaft

nahm lieber die übelhausende Einquartierung der
Kaiserlichen in Kauf. Erst als der Schwedenkönig
in den Krieg eingriff, gab der Kaiser nach und
ließ, wenn auch unter harten Bedingungen, die
badische Markgrafschaft bei ihrem lutherischen
Bekenntnis. Als aber nach dem frühen Tod
Gustav Adolfs die schwedischen Heere brandschatzend
durch die Lande zogen, bekam auch
Rötteln erst recht die Schrecken des Krieges mit
seiner traurigen Gefolgschaft von Hunger, Teuerung
und Seuchen zu spüren. Christoph und sein
Eidam Zangmeister mit Frau mußten ihre Zuflucht
hinter Basels Mauern suchen, während
Frau Dorothee auf Schloß Rötteln aushielt und
haushielt, um nur dann und wann den Christoph

Q&ebanFen unter bem ©teunentjimmel

O Sternenacht, o Himmel voll vo Sterne!
Es git kai Wort, wo sait, wie schön du bisch;
es wott aim numme 's Herz fast gar versprenge,
luegt men in selli Welt, wo doben isch.

In selli Welt — in Millione Welte,

wo schwebe dort im ewig gliiche Bild

un uf un untergöhn no ihre Gsetze.

's isch kain derby, wo mer my Frooge stillt.

Mer sehn si funkle, zeige si mit Name,
die Himmelsliechter, blau, gäl, rot un wiiß.
Uf welem sin si alli wonis gstorbe?
Isch acht uf aim vo seile 's Paradies?

Es dunkt mi, 's war e gar vermesse Denke,
aß numme Lebe sei uf u n s e m Stern.
Wird ain vo seilen ächt ernol my Haimet,
wenn i do furt mueß? O, i wüßt's so gern.

Scho mängge Tod bini im Lebe gstorbe;
dur wieviel Wandlige mueß d'Seel no goh,
bis si so isch, aß si cha ohni Ängste
im letzte Chlaid vor ihrem Schöpfer bstoh?

Ida Preusch - Müller

im markgräflichen Hofe zu Basel zu besuchen
und ihn über die neuesten Ereignisse in Kenntnis
' zu setzen. Diese Nachrichten enthielten freilich
jedesmal traurige Hiobspost: zwei der Töchter
und zwei Söhne, den ältesten und jüngsten,
hatte die Pest dahingerafft, und Christoph mußte
seiner Dorothee berichten, daß auch Zangmeister
und die Anastasia in Kolmar vom Tod ereilt
worden seien. Das böse Gerücht, das Frau
Dorothee besonders schmerzen mußte, daß man
sie wegen ihres Kräutersammelns im Land als
Hexe verschrie, verschwieg sie dem Christoph,
der ihr bei jedem Besuch hinfälliger vorkam. Als
sie aber wieder einmal von einem zweitägigen
Aufenthalt in Basel nach Rötteln zurückkam, traf
sie ein Bild der Verwüstung an, das ihr Herz vor
Schrecken für einen Augenblick stillstehen ließ:
man war in ihr Apothekerstübchen eingedrungen
und hatte alle Gläslein und Gütterlein zerschlagen
und die Kräuter und Pülverchen auf den
Boden gestreut. Dorothee wußte, daß diese Untat

nicht von plündernden Soldaten verübt worden
war, wie man ihr gesagt hatte, und sie vertraute
sich in bitterer Enttäuschung ihrem Pfarrer zu
Rötteln an, der die stets hilfsbereite Frau Land-
schreiberin in ritterlichen Schutz zu nehmen
versprach.

Aber noch einmal mitten in den schweren
Kriegs jähren gab es ein Freudenfest in der Familie
Leibfried: die Doppelhochzeit vom noch
einzigen Sohn Jakob mit einer Adligen und die
der Enkelin, der Dorothee Tochter aus Tübingen,
die nach Rötteln heiratete. Die Zurüstung zu
diesem Festtag erforderte alle Kräfte der rührigen
Landschreiberin, und sie spürte hier zum
erstenmal, daß sie nicht mehr die jüngste an
Jahren war. Ja, sie hatte sich dermaßen mit der
Arbeit übernommen, daß sie wenige Tage darauf
an Erschöpfung zusammenbrach, von der sie sich
nicht mehr erholte. Als sie ihr Ende herannahen
fühlte, hatte sie nur noch den einen Wunsch, von
ihrem Christoph, dessen Anwesenheit am Hochzeitstag
weder ratsam noch auch nur möglich
war, Abschied zu nehmen. In einer Sänfte trug
man die Todkranke nach Basel, und am Krankenlager
ihres Gatten hauchte sie ihr Leben aus.
,,Ich komm bald nach, Dorothee", sagte Leibfried,
als er ihr die Augen schloß. Auf dem Chilft zu
Rötteln ward dann die vielgeliebte und vielgeschmähte
Landschreiberin begraben, und der
Pfarrer rühmte ihr nach, daß mit ihr ein guter
Engel von Schloß Rötteln dahingegangen sei, die
man zu Unrecht eine Hexe gescholten habe.

Noch ein halbes Jahr lang mußte, bisweilen
unter großen Schmerzen, der brave Christoph
dahinsiechen; in dieser Zeit bereitete er sein
Sterben vor. Er schrieb, schon mit zitternder
Hand, ein Gesuch an den Rat der Stadt Basel,
man möge ihm die Beerdigung in Basel gewähren
— aber der Rat bestimmte darüber hinaus,
daß ihm, dem Freund der Stadt und treuen
Nachbarn von Rötteln, ein Platz im Kreuzgang
des Münsters zur letzten Ruhe gegeben werde.
Christoph schrieb auch noch sein Votivum
Symbolum, seine Grabinschrift, die nicht nur
seinen Namen wiedergibt, sondern auch seine
ganze tiefe Gläubigkeit kennzeichnet:

,,Tod, Teuffei, §ünd, der Welt Gesell,
Fahren immer hin sampt der Hol.
Denn Christi Tod und sig allein
Meiner Seel und Leibes Friede sey".

Es war gerade der 46. Hochzeitstag, an dem
er die Augen für immer schloß; diesmal hatte
seine Dorothee ihn abgeholt zu der großen Hochzeit
in der ewigen Freude.

Von den Nachkommen dieses großen, tapferen
Landschreibers ist noch zu berichten, daß der
Sohn Jakob Frevelschreiber zu Rötteln ward, und
daß dessen Sohn Max, der noch die Zerstörung
von Burg Rötteln miterlebte, der erste Bürgermeister
in Lörrach wurde nach der Stadterhebung
. Beide trugen sie als Beinamen den
ihres Vaters und Großvaters Christoph, weil er
der mutige Christofferus gewesen war, der
Christus durch Strom und Strudel seines Lebens
hindurchgerettet hatte ans Ufer einer neuen Zeit.

R. Nutzinger


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