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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-02/0017
Die Markgrafschaft

15

erst Feste feiern, daß sie von überall herkommen
und.staunen und bewundern".

Nach diesen schönen Worten, die uns Hans
übersetzte, klatschten und riefen wir stärker als
bisher. Wir stampften mit den Füßen auf den
Boden und ließen, Moüstache immer wieder hochleben
. — Da eilte er fort. Hans sagte: „Entweder
hat ihn jetzt die Rührung übermannt, so daß er
sich vor uns schämt oder er holt etwas und kommt
gleich wieder. — Wir wollen deshalb zusammenbleiben
, Leute. Noch nicht hinlegen".

Moüstache kam wieder. Wir hörten ihn, wie
er sich eilig durch eine untere Fabrikhalle tastete
und Türen zuschlug. Da war er wieder, freudig
und aufgeregt wie ein Junge. In jeder Hand trug
er eine Flasche Kognak.

„Voilä, meine Söhne", rief er. „Trinkt jetzt
wenigstens einen Schluck Kognak". Er atmete so
hastig wie ein Pferd, das einen weiten Galopp
hinter sich hatte. „Moüstache schämt sich vor ganz
Afrika, daß er seinen Söhnen zu seiner Beförderung
nicht mehr bieten kann".

Die Flaschen machten die Runde. Jeder nahm
einen Schluck und sagte zuvor etwas, wie beim
zeremoniellen Trinken eines Humpens: „Prost,
Moüstache, sollst hoch leben! — Hundert Jahre
sollst alt werden, Moüstache! — Moüstache ist-
unser bester Freund! Ich werde Moüstache nicht
vergessen usw."

Hans mußte die kleinen Sprüche übersetzen.
Moüstache verneigte sich nach jedem Wunsch und
sagte: „Merci, mein Sohn!"

Nach dieser Runde standen wir eine Weile
still da. Keiner sagte mehr etwas. Der Wind
rumorte in der Höhe, in den Fabrikhallen schlug
er besonders stark die offenen Türen auf und zu,
als renne ein Heer Geister umher, das sich
betätigte. — Von einer Turmuhr kamen Glockenschläge
. Es war elf Uhr. Eine sehr späte Stunde
für Gefangene.

Moüstache konnte sich nicht von uns trennen.
Der amerikanische Stahlhelm saß ihm ganz schief
auf dem kleinen Schädel. Er hatte das Gefühl,
uns noch etwas schuldig zu sein. Und er suchte
wohl immer wieder zu erforschen, ob die Zuneigung
auf Gegenseitigkeit beruhe. Vielleicht
suchte er auch zu ergründen, warum er uns denn
so gut leiden mochte. Wir waren doch wildfremde
Menschen für ihn, solche, die ihm als grausame
Naturen hingestellt worden sind. Wer weiß was
für Vorstellungen er sich von uns gemacht hatte,
bevor er uns kennen lernte. Vielleicht glaubte er,
wir seien wilde Katzen, die nur auf eine Gelegenheit
warten, um zu morden. Nun hatte er uns als
bescheidene, arme Menschlein kennen gelernt, die
ängstlich gehorchten und inbrünstig der Ausgabe
der Suppe und dem Stück Brot entgegensahen.
Oder glaubte er, daß wir uns nur verstellen und
in uns doch ein wilder Teufel wohne, der im
Stande ist alles anzugreifen und zu vernichten? —
Plötzlich wurde er wieder lebhaft. Er atmete
hastig und rief: „Meine Söhne, ich freue mich,
wenn Ihr bei mir in Afrika seid". Hans übersetzte
uns von der folgenden Rede Satz um Satz. —

Partie am Klemmbach Aufnahme: F. W.

„Nach den Festen bei meinem Mütterlein bekommt
Hans 3 Elefanten, 10 Kamele, 50 Pferde
und 1000 Schafe".

„Merci, Moüstache", sagte Hans.

„Und Du, Rasputin, (wir hatten fast alle Spitznamen
) bekommst 2 Elefanten, 5 Kamele, 30
Pferde und 500 Schafe".

„Merci bien, Moüstache", sagte Rasputin.

Die Stimme des Eingeborenen zitterte vor
Erregung.

„Und Du, Eulenauge (er hatte viel Mühe, dieses
Wort auszusprechen), bekommst 1 Elefanten,
3 Kamele, 25 Pferde und 400 Schafe".

„Merci bien, Moüstache!"

„Und Du, Regenpfeifer, bekommst..."

So verteilte er ungeheure Herden unter uns.
Zuletzt mag er des Eindruckes gewesen sein, daß
die Schenkung Wirklichkeit sei.

„Paßt auf, Leute, was wir jetzt machen", rief
Hans. „Wir singen ein Lied für ihn. Das wird er
sicher schön und großartig finden: „Dort droben
auf dem Berg..." — drei, — vier!"

Es war eine kräftige Resonanz, die wir zu
nächtlicher Stunde in den einsamen Fabrikhallen
hervorbrachten. Der heulende Wind begleitete
uns. Für Moüstache möge es geklungen haben, als
sänge die ganze Welt. Wahrscheinlich hatte er
noch nie etwas Gleichartiges gehört. Vielleicht


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