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8 Die Markigrafschaft
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Ranbzmtt Wüllen
In Kandern bestanden von altersher eine Anzahl
Mühlen. Ein Berain von 1564 nennt: die
Obermühl, die Weiße Mühl, die Mühl im Hofacker
und die Mahlmühl von Hans Stücklin. Über einige
dieser Mühlen haben wir genauere Kenntnisse.
1692 erscheint dann neben den oben genannten
Mühlen die Kammühl, heute Hintere Mühle genannt
, über deren Geschichte im Zusammenhang
mit der Familie Kammüller in Heft 12/1953 aus-
führlich berichtet wurde. Dort ist auch das Bild
des Schlußsteins zu sehen, dessen obere Buchstaben
auf Friedrich Kammüller, Müller und
Richter 1618—1681, und seine Frau Anna Stich
von Hertingen hinweisen. Aus derselben Kammüllerfamilie
stammt auch Hans Heinrich Kammüller
, Richter zu Kandern, der in erster Ehe mit
Kunigunde Längin, in zweiter Ehe (1677) mit
Maria Meyer von Riedlingen verheiratet war. Ihr
Sohn Friedrich, geboren 1683, heißt der Weißmüller
. Noch kenne ich bis heute nicht alle Nachfolger
dieses Weißmüller-Geschlechts der Reihe
nach; aber es scheint doch, daß die Kammüller,
die später auf der Bruckmühle in Wollbach erscheinen
, aus dieser Familie stammen. War jener
Johann Georg Kammüller, der imv Jahre 1904
seine Weißmühle an Hermann Fischer übergab,
auch ein direkter Nachkomme von Hans Heinrich
Kammüller und Maria Meyer, deren Namen mit
dem Müllerwappen und der Jahreszahl 1687 den
Schlußstein der Weißmühle zieren am alten Eingang
, der heute überbaut ist?
Daß diese! Mühle vor fünfhundert Jahren erstmals
urkundlich erwähnt wird (21. 1. 1452 Hans
Stuykle der müller uf der wissen muli), und daß
sie seit fünfzig Jahren im Besitz der Familie
Fischer ist, gibt Anlaß, sich mit ihr etwas ausgiebiger
zu beschäftigen. Schon 1564 zinsen Hans
Kammüllers Erben von der ,,wyßmuel hat drei
gäng". Alljährlich auf Martini müssen 8 Malter
Kernen Bodenzins an die Burgvogtei Sausenburg
geliefert werden. 1678 erklärte der schon oben
genannte Heinrich Kammüller, er habe das ganze
Jahr hindurch kaum sechs Wochen zu mahlen
gehabt. Die Mühle sei ruiniert. Er könne den
starken Zins wie bisher nicht weiter bezahlen.
Nachdem er nun die Hälfte bezahlt habe, bitte er
um Nachlaß der anderen Hälfte. Dazu geben
Daniel Moritz, der Vogt, und Konrad Scheyer,
der Stabhalter, folgende. Erklärung: Kammüller
ist ein guter und fleißiger Haushalter. Aber 1678
war anfangs eine französische Garnison in Badenweiler
, welche vielmals nachts und tags unversehens
hierher kommen oder durchmarschiert
und die Straßen unsicher gemacht, daß man keine
Frucht holen können. Hernach sind sie vor Röt-
teln gezogen, dann vor Rheinfelden, denen die
Lothringer gefolgt sind. Beide haben die Früchte
so ruiniert, daß nicht nur Kammüller, sondern
auch die andern Müller nichts zu mahlen hatten.
Wer in der Lage'war, holte Mehl oder Brot zu
Basel. Trotzdem war die Beschäftigung besser als
er angibt. Aber die Burgvogtei ist anderer Ansicht
: Kammüller lebe in guten Verhältnissen und
habe 1678 sowohl zu Kandern wie zu Riedlingen,
woher seine Frau stamme, eine gute Ernte gehabt,
die er „in ziemlicher Quantität allhier in die
Stadt Basel, wie ich, der Burgvogt, selbst gesehen,
sicher eingebracht". Seinen Zins aber habe er mit
alter und hohler Frucht bezahlt.
Die Klagen über die Steuern reißen nicht ab.
Aber gerade dadurch wissen wir etwas über die
Vorgänge in früheren Zeiten, wenn wir auch, wie
obiges Beispiel zeigt, vorsichtig sein müssen bei
der Beurteilung, weil jeder Teil zu seinen Gunsten
redet. Das zeigt sich auch in der folgenden
Eingab^ von Kammüllers Sohn Friedrich im Jahr
1710. Er behauptet nämlich, er habe vor dreißig
Jahren die Mühle gekauft, obwohl sie ganz hinfällig
war, er habe sie niedergerissen und neu
erbaut mit viel Kosten. Woher kommt aber dann
der^ Schlußstein von 1687 mit HK und MM? Daß
der Wasserbau schlecht wurde, ist glaubhaft.
Wahrscheinlich meint er den, denn 1680 ist ein
oberschlächtiges Rad eingebaut worden. 1709 hat
das Hochwasser das baufällige Wuhr durchbrochen
und zerrissen. Nun bittet er, ihm das Bauholz
unentgeltlich zu überlassen. Er erhält die
notwendigen sechs Eichen gegen die Forsttax.
1729 will er seinen jährlichen Zins mit Geld ablösen
, aber die Behörde geht nicht darauf ein.
1759 petitionierte Matthis Kammüller, der Weißmüller
, um Nachlaß des Zinses wegen des Wasserschadens
von 1758. Vier Jahre später wehrt er
sich gegen jährlich zwei Gulden, die auf neue
Werke und Öltrotten gelegt worden sind. Seine
Öltrotte bestehe doch schon über zweihundert
Jahre. Aber die Behörden kennen nur eine Mahlmühle
bisher. Die Öltrotte sei wahrscheinlich wie
viele andere ohne Erlaubnis errichtet worden,
darum seien die 2 fl berechtigt. Vier Jahre später,
im April 1767, bittet seine Witwe Anna Katharina
um Nachlaß der Zinsen. Seit vier Jahren ist
sie Witwe mit sieben kleinen Kindern. Das Jahr
1766 war wasserarm; dazu kam eine Viehseuche.
Ihr Gesuch wird abgelehnt.
Soviel von der Weißmühle, die von allen Kan-
derner Mühlen allein als Mahlmühle weiterbesteht
. Hermann Fischer hat das Mühlengebäude
innen und außen neuzeitlich hergerichtet und hat
nun als Abschluß über dem jetzigen Eingang, (da
ja der alte mit dem Schlußstein über der Türe
verbaut ist), einen Hinweis zur Erinnerung an
das Alter der Mühle anbringen lassen, der gleichzeitig
die alte Bezeichnung ,,Weißmühle" festhält.
Das ist umso freudiger zu begrüßen, weil dann
der Blick vom Marktplatz und der Kirche her' den
Beschauer hinweist auf ein Gewerbe, das einst in
Kandern mehrfach vertreten war.
A. Eisele
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