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Die Markgrafschaft
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Blick vom Schliengener Berg
Haus ob dem Altinger
Brunnen bog sie ein,
schnell die Laterne verlöschend
. Die Marianne
hörte noch, wie die
Russen fluchten und
tobten, und ging dann
durch den Brunngraben
heim".
„Ja, ja, es gab wenig
Erfreuliches dazumal.
Angst und Furcht waren
fast in aller Herzen
. Die Russen gebär-
deten sich eher als
Feinde denn als Freunde
. Ihr Tun flößte den
Leuten gar . vielmal
Schrecken ein,. So war
es auch, als die Kosaken
das Eis im Dorf-
hrunnen einschlugen
und badeten. Denen
konnte die Kälte nichts
anhaben. Sie waren
noch strengeren Frost
gewöhnt. Ach, war das
eine schwere Zeit! Aber
weißt du, wir — und und ich — haben doch auch
Frohes und Heiteres erlebt, und erst die Erlebnisse
während der Geisterstunde! einmalig. —
Heute gibt es andere Dinge, so etwas nicht mehr".
„Weißt du, was es auch früher gab, sich zu
freuen? Frohes und Heiteres brachten die Hochzeiten
und Kindstaufen. Was meinst du, wieviel
auf uns beiden zur Kirche schritten, wie mancher
Erdenbürger zur Kirche getragen wurde!"
„Und gar mancher Gast auf Erden beendete
seine Reise, machte seine letzte Reise auf den
Gottesacker, benützte dich oder mich. Ach, schon
wieder bin ich melancholisch!"
„Und weißt du noch, wie es an allen Ecken
und Enden spukte? 's isch nit ghiir! hieß es so
vielmal. Es gab Gespenster, Hexen und auch
Geisterbanner, und auch welche, die über derlei
Dinge lachten, manchmal sehr zu ihrem Schaden.
Da hatten der Sepp, der Karl und der Bertel eine
alte Frau, die als Hexe verzollt war, arg gehänselt
. Gar manchmal hatte sie hierauf den Buben
gedroht und eine Faust gemacht. Und was geschah
? Eine ganze Woche lang waren die Deckbetten
der drei jeden Morgen im Kellerhals. Da
wußten sie, daß sie dies den Zaubersprüchen der
Hexe zu verdanken hatten. Und ein ander Mal,
ich muß lachen, wenn ich daran denke. Wollte
sich doch d'Franz-Donene beim Konrad verabschieden
; von einem Fuß trat sie auf den andern,
als ob sie nicht wüßte, sollte sie rechts oder links
die Treppe hinabgehen. Warum wohl dies? Ja,
ja, die Jugend, die böse. Da hatte sie einen neuen
Besen vor die Haustüre gestellt, mit den Borsten
nach oben. „I will doch dem Bese au e Tritt gee,
daß die Frau au use cha!" sagte da der Vater
Konrad. Und so geschah es und das alte Fraule
ging eiligst heim. Ja, so gab es damals Sachen,
so konnte man die Hexen hinhalten".
Foto: Chr. Frenzel, Müllheim
„O Altingerin, auch in den Anwesen, die
meinen Weg säumen, geschahen allerhand Dinge,
trübe und heitere. Wenn ich nur an das Wirtshaus
„Zum Baselstab" denke. Was hat sich in
diesen Mauern doch schon alles zugetragen. Soll
ich dir von dem schlauen Pilgrim erzählen, der
auf seinem Weg ins gelobte Land dort Einkehr
hielt? Eine kurze Strecke ist er ja auch auf dir
geschritten, kam er doch von Mauchen her".
„Warum von Mauchen, dem unscheinbaren
Dörflein, Basler Landstraße?"
„Als der Mann in Müllheim an der Post
fragte, wie weit es wäre nach Jerusalem, sagten
sie ihm, auf dem Fußweg über Mauchen wäre es
eine Viertelstunde näher. So ging er, um auf dem
langen Weg eine Viertelstunde zu sparen, über
Mauchen".
„Hat man so einen weiten Weg vor sich, so
muß man einen kleinen Vorteil nicht verachten,
das sehe ich ein. Aber trotzdem: der Pilger hat
sich wohl mehr an die Landstraße gemacht, wo
reiche Häuser stehen und gut gekocht wird".
„Deine Meinung ist nicht schlecht. Das war
ein ganz schlauer, ein fauler Halunke. Und so
ging er denn in den „Baselstab" in Schliengen
und bat ganz demütig und hungrig um ein gutes
Wassersüpplein von Kieselsteinen um Gotteswillen
, Geld habe er keines. Laß mich fortfahren,
wie es ein guter Bekannter von mir, der Johann
Peter Hebel, erzählt hat. Der hat in dem Dörflein
Hertingen, an dem mein Weg vorbeizieht, als
Seelenhirte gewirkt. Also höre: Wenn nun die
mitleidige Wirtin zu ihm sagte: ,Frommer Pilgrim
, die Kieselsteine könnten euch hart im
Magen liegen4, so sagte er: ,eben deswegen! Die
Kieselsteine halten länger an als Brot, und der
Weg nach Jerusalem ist weit. Wenn ihr mir aber
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