http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-04/0014
12
Die Markgrafschaft
den Rock aus und schleppte Steine heran, große
Steine, die ich am Ufer fand oder aus dem Wasser
fischen mußte. Diese warf ich an der mir
geeignet scheinenden Stelle in den Bach, um so
einen Steg zu bauen. Sie plumpsten hinein,
spritzten uns voll und kugelten übereinander
weg. Wir lachten und freuten uns wie Kinder.
Wir waren wieder einmal richtig jung. Aber mit
dem Steg wurde es nichts. Durchwaten! — war
die nächste Eingebung. Wir zogen Schuhe und
Strümpfe aus. Ich rollte die Hosen hoch, meine
Frau hob ihren Rock etwas höher als bis zum
Knie und meinte beim Hineinwaten: „Riviera di
Levante!" — Wir hatten uns getäuscht, das Wasser
reichte höher als wir glaubten. Als ich meine
Hose wieder lang machte, glich sie einer Ziehharmonika
und die untere Hälfte schien dunkel
gefärbt. An diesem Tage konnte ich nicht mehr
als vornehmer Kurgast auftreten. Nachts schliefen
wir wie Murmeltierchen. Am anderen Morgen
regnete es wieder. Ich ließ mir die Rechnung
geben. 52,50 Mark lautete sie. Wir waren beglückt
über die Genialität der Wirtsleute. Waren
sie Hellseher? Hätten sie zwanzig Pfennig mehr
verlangt, so wäre ich blamiert gewesen..., nun
hatte ich sogar noch zehn Pfennig übrig. Stolz
wie ein Großmogul zählte ich die 52,50 Mark auf
den Tisch. Wir wurden mit Ehrenbezeugungen
verabschiedet. Und wieder gings auf dem
„Triumph" über den Berg und dann durchs Wiesental
. Es regnete während der ganzen Fahrt;
das Land lag grau in Grau. So stelle ich mir die
Schweiz und Italien bei Regenwetter vor. Daheim
auf dem Tisch stand noch die leere Reisekasse
, offen wie, eine Hand, die um eine Gabe
bittet. Ich legte feierlich die zehn Pfennig hinein
und sagte zu meiner Frau: ,,Für die nächste
Ferienreise!" Nun planen wir wieder und freuen
uns. Aber wir wissen, wir reisen in äen Schwarzwald
! K. M.
Z)ec f)albmonfc im OTülUjeimer ©tabtwappzn
Dieser Tage waren es 300 Jahre her, daß
einer der besten Altbadener das Licht der Welt
erblickte, dessen Name und Geschlecht auf das
engste mit der Markgrafschaft und nicht zuletzt
mit unserer Stadt verknüpft ist: Markgraf Ludwig
Wilhelm von Baden-Baden. So licht seine
Fürsten- und Soldatengestalt in der deutschen
und europäischen Geschichte erstrahlt, so liegt
doch noch einiges Dunkel über mancher Episode
aus seinem bewegten Leben. Eine der schönsten,
die daher auch ihren Platz im Sagenkranz unserer
engeren Heimat bekommen hat, möge an
dieser Stelle all denen erzählt werden, die sie
noch nicht kennen oder schon vergessen haben.
Aus seinen langjährigen Kriegszügen gegen
die Türken, zuerst an der Spitze seines Regiments
und zuletzt als kaiserlicher Marschall,
brachte der „Türkenlouis" — so hat ihn der
Volksmund bis heute genannt — seiner jungen
Gemahlin Auguste Sibylle neben manchen Kostbarkeiten
eine leibhaftige türkische Leibkapelle
mit. Kurze Zeit nur sollte sie das fürstliche Eheglück
erheitern. Denn bald rief ein kaiserlicher
Befehl ihn erneut zu den Waffen, diesmal an
die Spitze der Armee, welche den Franzosen den
Übergang über den Oberrhein verwehren sollte.
Von Breisach, Neuenburg und Friedlingen her
waren schon zu Beginn des Sommers 1702 größere
feindliche Truppenansammlungen unter
General Villars gemeldet. Die Streitkräfte des
Markgrafen versammelten sich auf den Feldern
und Wiesen zwischen Müllheim und Tüllingen.
Nur die Angehörigen der Türkenkapelle bezogen
Quartier und zwar in den der Landstraße nahe
gelegenen Häusern von Untermüllheim, und jenseits
der Landstraße in der Alten Post beim
Gastwirt Heidenreich lag der Markgraf mit seinem
Stab. Da jederzeit ein Angriff von Eichwald
und Chalampe her zu befürchten war, hatten die
Musikanten den Auftrag, von morgens früh bis
abends spät zwischen Müllheim und den ersten
Häusern von Neuenburg auf- und abzumarschieren
und dabei so auf die Pauken, Zimbeln und
Trommeln zu schlagen, daß alles über dem Rhein
der Meinung wäre, es würden immer neue Verstärkungen
in Müllheim eintreffen. Durstig rückten
mit Einbruch der Dunkelheit die Trommler
und Bläser in ihre Quartiere. Den Bewohnern
des Unterdorfes gefielen die dunkelfarbigen und
lustigen Gestalten immer besser, und die türkischen
Märsche erklangen von Tag zu Tag immer
kräftiger, so daß der Gegner seinen Plan, Neuenburg
zu besetzen, aufgeben mußte.
Da kam in den Herbsttagen die Unglücksbotschaft
, Villars stünde in Weil-Friedlingen und
sei im Begriff, den Vormarsch durch den oberen
Teil der Markgrafschaft anzutreten. Auf der
Tüllinger Höhe gelang es Markgraf Ludwig
Wilhelm, auch diesen Plan der Feinde zu vereiteln
, und von seinem Volke erneut als Sieger
gefeiert, kehrte er zu seiner Gemahlin Augusta
Sibylle nach Rastatt zurück. Hier erst dachte er
an seine Türkenkapelle in Untermüllheim. Seinem
Befehl, sofort das Oberland zu verlassen
und die neuen Räume neben seinem Schloß zu
beziehen, folgten bei weitem nicht alle. Da gerade
die Winterszeit bevorstand und er sich den
weiten Heimweg ersparen wollte, zog so mancher
es vor, in den warmen Stuben des Unterdorfes
zu bleiben.
Seitdem aber nennt man diesen Teil unserer
Stadt die „Türkei", und zur Erinnerung für alle
kommenden Zeiten führt seit jenen Tagen unser
Gemeindewappen neben dem uralten Mühlenrad
den türkischen Halbmond. Und wenn bei festlichen
Anlässen die Gäste und Vereine der Nachbarorte
empfangen werden, so erfeut sie immer
wieder die Inschrift auf dem Schwibbogen über
dem Ortseingang bei der Alten Poststraße:
,,Do wohne Dürke, liebi Lüt!
Doch hen kei Angscht!
Si düen Euch nüt!"
Fe.
/-\
Haben Sie Ihren Verwandten und Bekannten unser
Blatt schon gezeigt? — Wenn nicht, holen Sie es
bitte nach. Für jeden Neuabonnenten zahlen wir
1.— DM Werbeprämie.
V__)
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-04/0014