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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-06/0006
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Die Markgrafschaft

gutem Sinne an. Ganze Gedankenfluten werden
oft überraschend durch einen Anstoß von außen in
Bewegung gesetzt. So kommt es, daß er in seinen
größeren Aufsätzen # und Leitartikeln zur
Kunst- und Kulturpolitik, wie sie der ,,Türmer",
,,Westermanns Monatshefte" und die „Allgemeine
Musikzeitung" brachten, niemals langweilig
, ja auch heute noch vielfach aktuell wirkt.
Es wird ja um das, was er anregte und was ihm
Herzensanliegen war, in den meisten Fällen auch
heute noch gekämpft und gerungen. Neue Dichtung
, neue Musik, neue bildende Kunst aus dem
Wurzelboden eines echten, geläuterten, nicht
mehr überfremdeten Volkstums stehen immer
noch vor der Tür und harren, wie im „Faust
das Kunstmenschlein Homunculus, auf „das Entstehen
". Storck hat unermüdlich und mit fieberhaftem
Eifer versucht, sichtbar zu machen, was
hier als neue Schöpfung möglich war und erwartet
werden durfte. Das Ziel jedoch ist noch keineswegs
erreicht. Die gläserne Retortenhülle, die
das Gekünstelte verhindert, zu echter Kunst zu
werden, ist noch nicht gesprengt und aus dem
Weg geräumt.

Kennzeichnend für die temperamentvoll subjektive
, stets Berührung mit dem wirklichen
Leben und seinem geistigen Bedürfen suchende
Eigenart Storcks ist die Entschiedenheit, mit der
er als eifriger Schüler des berühmtesten Literarhistorikers
jener Tage, Erich Schmidt, dessen Ruf,
sich ganz der Wissenschaft zu widmen und die
Dozentenlaufbahn einzuschlagen, ablehnt. Er, der
mit 22 Jahren durch eine preisgekrönte Arbeit
über Clemens Brentano bewiesen hatte, daß er
durchaus das Zeug zu gelehrter wissenschaftlicher
Arbeit habe, wollte nicht mittelbar wie
etwa ein Famulus Wagner, sondern unmittelbar
in enger Fühlungnahme seinem Volke mit seinem
weltweiten Wissen dienen.

So setzte sich denn der noch nicht 25jährige
Berliner Doktor der Literaturwissenschaft hin und
schrieb, freilich ganz unwissenschaftlich, dafür jedoch
erfrischend subjektiv und temperamentvoll
im Urteil, eine „Deutsche Literaturgeschichte", die
für Haus und Schule, nicht für gelehrte Nachprüfer
bestimmt war.

Mar merkte, daß es ihm darauf ankam, Begeisterung
für edles Geistesgut und damit den
Wunsch schöpferischer Mitarbeit besonders in der
Jugend unseres Volkes zu wecken. Und so war
dem Buch ein überraschender Erfolg beschieden.
Kein Wunder, daß er sich bald an der Spitze
des Deutschen Schriftsteller - Verbandes sehen
durfte.

Schöpferische Kräfte im Volk lebendig werden
zu lassen, schien ihm alsdann im Bereich
einer andern, ihm ganz besonders lieb und vertraut
gewordenen Kunst noch viel erfolgverheißender
zu sein, im Zauberbereich der Musik.
Mit einem Fleiß, der seinesgleichen sucht, schuf
er sich für seine bis in die Stunde seines frühen
Todes reichende musikpolitische, weitverzweigte
Arbeit eine breite, auch in die Tiefe gehende
Basis mit seiner umfassenden, zweibändigen
„Geschichte der Musik". Auch hier dachte er in
allererster Linie an das musikliebende Haus und
an jene musikfrohen Dilettanten, die einem überzüchteten
und veräußerlichten Virtuosentum das
wirkungsvollste Gegengewicht zu bieten vermochten
.

Als Mitherausgeber der gewichtigen und bis
auf den heutigen Tag unvergessenen Monatsschrift
„Der Türmer" und als Schriftleiter des
umfangreichen, alle kunst- und kulturpolitischen
Fragen der Zeit behandelnden Teils dieser Zeitschrift
war ihm Gelegenheit gegeben, in einer
schier unübersehbaren Zahl von Aufsätzen seinen
bessernden, fördernden, aufbauenden Gedanken
Ausdruck zu geben. Wo irgend er eine Not sah,
wie etwa in der kläglichen Honorierung der
privaten Musiklehrer, in der geschäftlichen Ausbeutung
der Berufskünstler, wo ein Absinken
ins Flache, ja wohl gar Sumpfige drohte, wie
beim Volkslied, beim Gesang der Soldaten, ja
hier und da auch bei Gesangvereinen in Stadt
und Land, immer sprang er mutig auf die Barrikade
und wies den Weg von einer mißverstandenen
Freiheit zu einer lauteren Selbstzügelung.

Durch eine wieder ganz volkstümlich gehaltene
Biographie Mozarts trug Storck wesentlich
dazu bei, dem Meister das Herz des Volkes zu
erschließen. Auswahlbände der Briefe Mozarts,
Beethovens, Schumanns entstanden gleichsam
nebenbei. Unvermindert wertvoll ist für unsere
Gegenwart das 1911 in zweiter Auflage erschienene
Buch „Musik - Politik" geblieben, während
das Ergebnis seines unermüdlichen Sammlerfleißes
, der bilderreiche, starke Band in Großformat
„Musik und Musiker in Karikatur und
Satire" schon längst zu den begehrtesten Kostbarkeiten
der Musikliteratur zählt. Es ist zweifellos
die originellste Musikgeschichte, die wir
besitzen, in allen Stücken interessant, ja in gutem
Sinne amüsant, weil zum Vergleich mit der meist
weniger humorvollen Kritik in unseren Tagen
herausfordernd.

Mit der Herausgabe des vielgelesenen „Türmer
" war natürlich die Aufgabe verbunden, an
Neuerscheinungen im Bereich der Dichtung, der
Musik und der bildenden Künste Kritik zu üben,
Storck nahm diese Aufgabe sehr ernst, und seine
Kritiken, die stets mehr als Analysen, Zergliederungen
oder Zerpflückungen waren, sind nicht
selten wegbestimmend für die Schaffenden gewesen
. So erinnere ich mich noch an seinen ausführlichen
kritischen Bericht über die Uraufführung
der „Ariadne auf Naxos" 1912 in Stuttgart,
da das Strauß'sche Opernwerk nach dem Vorschlag
des Textdichters Hugo von Hofmannsthal
noch mit Molieres Lustspiel „Der Bürger als
Edelmann" gekoppelt war. Storck schätzte den
Textdichter wie den Komponisten sehr hoch, aber
er scheute sich nicht, in gründlichen kritischen
Darlegungen auf die theatralische und musikalische
Unmöglichkeit jener Koppelung sofort hinzuweisen
. Heute weiß im musikliebenden Publikum
nur noch der Leser des Storck'schen „Opernbuches
" etwas davon, daß Dichter und Komponist
einmal jenes ungleiche Gespann über die Bühne
gehen ließen. Die Trennung wurde schon bald
nach der Uraufführung vollzogen.

Die Last der Arbeit wuchs während des Krieges
und erst recht nach dem unglücklichen Ausgang
desselben ins Ungemessene. Der Schrift-


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