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Die Markgrafschaft
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Handel wegen der bey denen Bauers Leuthen
sich erworbenen vorzüglichen Zuneigung merck-
lichen Schaden zuziehen möchte.
Wie aber auch dieser Vorwand gänzlich wegfallet
, wann in Betrachtung gezogen wird, daß
die in Müllheim wohnhaften und mehrentheils
wohl bemittelten 15 Judenfamilien den großen
Bezirk der sieben obern Vogteyen der Herrschaft
Badenweiler und des weitläuftigen Ober Amts
Röttlen zur Handelschaft vor sich haben, die in
Sulzburg angesetzten 18 Schutz Juden hingegen
größtentheils in den umliegenden österreichischen
Ortschaften ihre Nahrung suchen müssen. Also
ergiebet sich eben daher, daß mein Sohn in
Vögisheim seine Nahrung so sicher als andere
Schutz Juden, die sich bisher ehrlich ernähret,
erwerben könne, und die Müllheimer Juden von
ihme niemalen einige Last um so weniger zu
befahren haben, da er sogleich bey seiner Ver-
heurathung nach denen übergebenen Amtlich
certificirten Unkunden 600 Gulden baares Geld
außer dem ihme von mir dereinst weiteres zufallenden
Vermögen erlanget, und wie ich meine
Aussteuer ad 200 Gulden alle Stunde baar zu
hinterlegen bereit bin, also auch die in dem
Heuraths Brief von seinem Schwehe versprochene
400 Gulden nach denen bekannten Jüdischen
Gesetzen und der in denen Ehepacten
enthaltenen besonderen Bedingnis, es mögen auch
seine Umstände noch so gering seyn, 4 Wochen
vor der Hochzeit ohnfehlbar ausbezahlet werden
müssen.
Euer Hochfürstl. Durchlaucht erflehe ich demnach
fußfälligst, meinem bereits 40jährigen Sohn
diese hohe Gnade zu seiner zeitlichen Versorgung
Fürstmildest angedeyen zu lassen, welche ich und
all die meinige mit lobenswürdigem devotesten
Danck verehren, und in tiefster Submission beharren
werde.
Euer Hochfürstl. Durchlaucht
Unterthänigst gehorsamster
Abraham Weyll von Sultzburg."
Auf vorstehendes Gesuch erteilt am 14. Oktober
1771 die Kanzlei in Karlsruhe dem Gesuchsteller
über das Oberamt Badenweiler nachstehenden
Bescheid:
„Insofern der um die Aufnahme in den Schutz
nach Vögisheim supplicierende zweite Sohn des
Abraham Weil von Sulzburg nahmens Moses
Abraham Weil, keinen von Müllheim weiter entlegenen
Ort als Vögisheim ausfindig machen
kann, so findet dessen Bitte um Schutzaufnahme
dermahlen nicht statt, und hat ihme das Oberamt
diese Resolution loco bekannt zu machen".
So war das dringende Bemühen des Gesuchstellers
auch dieses Mal umsonst gewesen. Für
den immerhin schon 40jährigen Sohn war der
ablehnende Bescheid aus Karlsruhe wohl der
sichere, endgültige Verzicht auf die Gründung
einer Familie. Sie muß den Betroffenen umso
härter getroffen haben, weil auch seine Glaubensgenossen
in Müllheim an dem Nein des
Landesfürsten wesentlichen Anteil hatten, wie
auch die Juden von Breisach bei seinem ersten
Gesuch, in Opfingen angenommen zu werden,
tatkräftig an der Absage des Markgrafen mitgewirkt
hatten.
Daß die „eingeborenen Dorfgewaltigen" gegen
weitere Judenaufnahmen sich zur Wehr setzten,
ist zum größten Teil in) der damaligen wirtschaftlichen
Notlage des Landvolkes zu suchen. Wenn
man bedenkt, daß die Bauern der kleinen Gemeinde
Vögisheim mit 10 000 Gulden bei den
Müllheimer Juden in der Kreide standen, (für
die damalige Zeit ein sehr bedeutender Betrag,
der in seiner Höhe gleichzeitig auch ein Gradmesser
für die Notlage der Bauernschaft ist),
darf man der fürsorglichen Abwehr der damaligen
Gemeindeväter keine anderen Motive unterschieben
.
Geradezu grausam aber waren die damaligen
Gesetze den Juden gegenüber, zu deren Härte oft
genug noch die Schikanen der Beamten von den
Juden zu tragen waren.
Erst die französische Revolution hat in diesen
Dingen Wandel geschaffen und den Juden
auch im Wohnrecht Gleichberechtigung gebracht.
Mit dem abschlägigen Bescheid aus Karlsruhe
war aber auch der Oberamtmann von Röt-
teln, von Wallbrunn, nicht zufrieden, und besonders
die Mitwirkung des Judenvorstehers Mayer
von Müllheim an der Absage des Markgrafen
bringt den hohen Herrn gewaltig in Harnisch. Er
schreibt am 12. Dezember 1771 an den Markgrafen
nachstehenden Brief:
,,Euer Hochfürstl. Durchlaucht geruhen aus
angeschlossenen Supplicis sowohl des Juden Weil
von Sulzburg, als auch ab dene attestat des Amt
Schulzen Volz von dort, gnädigst zu ersehen, mit
welch unverschämten Unwahrheiten der Judenvorsteher
zu Müllheim Höchstdieselben zu hintergehen
sich erfrechet habe.
Es wird mir ganz gleichgültig seyn, ob gedachter
Jud Weil den Schutz zu Vögisheim erlange
oder nicht, hingegen bin ich nicht wenig
darüber betroffen, daß Euer Hochpreißliches Hof
Raths Collegium dem Bericht des Juden-Vorstehers
besser als dem meinigen getrauet hat, als
der ich jedoch durch den Amts Schulzen Volz, als
einem ehrlichen Mann alles dessen mündlich versichert
gewesen war, was derselbe in seinem hier
anliegenden attestat schriftlich bezeuget hat.
Ich überlasse also das Weitere dem Höchsten
Wohlgefallen Euer Hochfürstl. Durchlaucht und
verharre in huldigstem respect.
Euer Hochfürstl. Durchlaucht Unterthänigst
gehorsamster
v. Wallbrunn."
Quelle: Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe.
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