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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-08/0004
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Die Markgrafschaft

seien hier nur am Rande vermerkt; sie sollen
nicht hindern, daß wir allen Besuchern Tage
beschwingten Frohsinnes wünschen. Möge das
Weinfest, das im letzten Jahr in Efringen-
Kirchen eine eindrucksvolle Kundgebung des

Markgräfler Weingebietes war, auch dieses Jahr
in Müllheim in der rechten Mischung von Besinnlichem
und Heiterem zu einem. vollen Erfolg
werden!

L. B.

21uö M $£ü\)s unb 6nttüirflung6gcfd;id)te unfern: Kebe

Bei der ersten geschichtlichen Ewähnung unseres
Ortes Müllheim im Jahre 758 (Schenkungsbuch
des Klosters St. Gallen), wo ein gewisser
Strachfrid dem Kloster St. Gallen Güter in Müllheim
vermacht, werden unter diesen Gütern auch
Weinberge genannt. Es müssen also schon um
jene Zeit geschlossen angebaute Rebberge bestanden
haben.

Der heimische Weinbau selbst geht jedoch
viel weiter zurück. Professor Dr. Karl Müller t>
der bedeutende Weinbaufachmann und Leiter des
Staatlichen Weinbauinstituts in Freiburg, schreibt
in seinem Buche „Die Geschichte des Badischen
Weinbaues" (Verlag Moritz Schauenburg, Lahr)
über die Herkunft und Entwicklung unserer Rebe
so Wichtiges und Interessantes, daß wir, ungeachtet
der Leser, die das Buch schon kennen,
seine Ausführungen nachstehend abdrucken:

Die Reben
in der erdgeschichtlichen Vorzeit

Vermutlich ist die Rebe in Baden schon in der
Tertiärzeit gewachsen. Versteinerte Blattreste, die in den
Steinbrüchen der oberen Miozän-Molasse in öhningen
am Ausfluß des Rheins aus dem Untersee gefunden
wurden, also ein Alter von fünf bis sechs Millionen
Jahren aufweisen, wurden als Vitis teutonica bestimmt,
doch ist das Material zu dürftig, um jeden Zweifel an
der Richtigkeit dieser Bestimmung auszuschließen.

In der Miozänzeit und in dem darauf folgenden
Pliozän war eine Reihe von Wildreben in Süd- und
auch in Mitteleuropa verbreitet (Vitis Braunii, Hookeri,
Ludiwigii, minuta, pliocenica, silvestris, sphaerocarba,
teutonica, tokajensis). Samenfunde liegen vor aus
Deutschland (Hanau, Frankfurt a. M.), Krakau, Ungarn,
Holland, Dänemark, Großbritannien. Aber auch schon
im Frühtertiär, in der Eozänzeit, sind Reben nachgewiesen
von Grönland (V. arctica), Island (V. islandica,
unsicher, weil nur Blattfund). Damals muß also in diesen
Breiten ein wärmeres Klima geherrscht haben, was
auch durch das Auffinden anderer subtropischer Pflanzen
in den Nordländern erwiesen ist.

Durch die Hunderttausende von Jahren während der
verschiedenen Eiszeiten sind aber die Wildreben in den
meisten Gebieten des heutigen Deutschlands zusammen
mit einem großen Teil der Tertiärflora vernichtet
worden.

Auch in der Rheintalsenke, die zu Zeiten, als die
Gletscher noch den Schwarzwald und die Vogesen bedeckten
, eine Tundravegetaion aufwies, muß die Wildrebe
, die in einem solchen Klima nicht gedeihen kann,
nach Süden ausgewichen und in den Interglazialzeiten
wahrscheinlich (durch Fossilfunde allerdings bisher noch
nicht bewiesen) jeweils wieder zurückgewandert sein.
Aus der warmen Postglazialzeit wurde sie dann im
Rheintal, im Niederrheingebiet, in Südschweden und in

der Stuttgarter Gegend nachgewiesen. Heute geht sie im
Rheintal nur noch bis etwa 50° nordwärts und findet
sich ferner in den österreichischen Donauauen.

Die badischen Wildreben

Nach der letzten Eiszeit drang die Wildrebe (Vitis
silvestris) dann wieder durch die Burgunder Pforte
vom Süden her in das Rheintal vor. Nach Holzfunden
in Höhlen am Isteiner Klotz muß sie dort in prähistorischer
Zeit (La - Tene - Zeit = vor etwa 2000 Jahren) sehr
häufig und in starken Exemplaren vorhanden gewesen
sein. In den Rheinauen am Westrand des Kaiserstuhls
war sie bis um 1910 noch in Hunderten von Exemplaren
zum Beispiel an der Sponeck vorhanden und auch unter
Naturschutz gestellt, während jetzt, nach einem Kahlhieb
, nur einzelne vorkommen. Bevor 1818 durch Tulla
die Rheinregulierung begonnen wurde, waren Wildreben
in den ausgedehnten Rheinauwäldern sicher weit verbreitet
. Armdicke Stämme - kletterten, wie ich selbst
gesehen habe, auf die Bäume, und in den Baumkronen
reiften ihre blauen, ganz selten auch grünen, immer
aber sehr saueren Beeren. In den Rheinauen bei Kolmar
iund zwischen Rastatt und Mannheim sowie bei Germersheim
sind solche Wildreben vereinzelt noch heute vorhanden
und nun geschützt. Auch noch weiter nördlich
in der Darmstadter Gegend und vor 150 Jahren sogar
in der südlichen Wetterau gibt oder gab es Wildreben.
Vor hundert Jahren fand sie in den Rheinauen ökonomierat
Bronner in Wiesloch in Tausenden von Exemplaren
. Unter den Stecklingen, die er in Wiesloch herangezogen
hat, konnte er 36 verschiedene Sorten unterscheiden
, die entweder rein männlich oder rein weiblich,
zum Teil aber auch, wie unsere Kulturrebe, zwitterig
waren. Unter den Beeren ansetzenden Sorten unterschied
er 29, die er genau beschrieb. Übrigens wird schon in
den Glossarien der Reichenau (Glossaria Augiensia), die
aus dem 13. Jahrhundert stammen (herausgegeben von
F. J. Mone 1839), die „wildin reba", das heißt die Wildrebe
(Vitis silvestris Gmelin) erstmals erwähnt und von
der Kulturrebe, die damals bei uns! längst weit verbreitet
war, unterschieden. Und ebenso hat sie H. Bock in seinem
„New Kreutterbuch", das im Anfang des 16. Jahrhunderts
in mehreren Auf lagen erschien, von der Kulturrebe
getrennt gehalten. Nach ihm war sie damals „auff
dem Rhein zwischen Straßburg und Speyer ganz gemein,
wachsen auf die hohen Beum, die müssen sie tragen".
Erst den Schriftstellern von der Mitte des 19. Jahrhunderts
ab blieb es vorbehalten, diese Wildreben als
durch Samen verschleppte Kulturreben anzusehen, obwohl
Bronner schon mit aller Deutlichkeit und Schärfe
die Unterschiede zwischen beiden hervorhob. Aber merkwürdigerweise
blieb die Schrift Bronners in Botanikerkreisen
ganz unbekannt.

Unsere Kulturreben sind mit wenigen Ausnahmen
zwitterig,' das heißt beiderlei Geschlecht findet sich in
der gleichen Blüte. Bei Samenvermehrung entstehen
wieder zwitterige Nachkommen, nur ganz selten findet


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