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Die Markgrafschaft

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Mythos und Sage, Lied und Volkserzählüng um den Wein

Wer aus einer jener bedauernswerten Gegenden
stammt, in der man den Wein nur vom
Hörensagen kennt, dem bleibt, so er seinen Weg
in die von Rebhügeln umkränzten Dörfer und
Städtchen unseres Vaterlandes nimmt, etwas
nicht verborgen: der Wein hat hier nicht nur die
Landschaft, Haus und Hof geprägt, sondern auch
den Menschen, diesen ganz besonderen Menschen,
den die Arbeit an den sonndurchglühten Hängen
geformt hat und der, so er ein
„Naturgewächs" ist, eine seltene
Mischung von Besinnlichkeit
und Herzensfröhlichkeit
darstellt. Im Leben, in der
Überlieferung, im Brauchtum
dieser Menschen hat der Wein
sein formende Kraft bewiesen,
und wer sich einmal die Mühe
macht, in Geschichte, Volkskunde
und Literatur dieser
formenden Kraft des Weines
nachzuspüren, dem tritt eine
Fülle von Material entgegen,
das systematisch darzustellen
einige Mühe bereitet. Wilhelm
Kutter hat in einer Arbeit,
die im ,,Buch vom deutschen
Wein" (Deutscher Weinverlag,
Mainz 1954) erschienen ist, eine
solche Darstellung unternommen
. Mit Vergnügen und Gewinn
lesen wir diese kleine
Kulturgeschichte des Weines,
die wir als Quelle für unsere
Ausführungen benützen. Wir
dürfen im übrigen auf das mit
großer Sorgfalt zusammengestellte Buch empfehlend
hinweisen, wenn auch das oberrheinische
Weinbaugebiet offensichtlich zu kurz gekommen
ist.

Mystisches steht am Anfang der abendländischen
Weingeschichte. Bacchus, der Gott des
Weines, wird von Zeus und der Tochter der
segenspendenden Erd- und Bauerngöttin Demeter
, Persephone, gezeugt. Die von brennender
Eifersucht erfüllte Gemahlin des Oberolympiers
Zeus, Hera, stiftet die Titanen an, Bacchus zu
töten. Die zeusfeindlichen Titanen zerreißen
Bacchus und zerstreuen seine Glieder in alle
Himmelsrichtungen. Hier nun greift die milde
Göttin Pallas ein. Sie findet das noch schlagende
Herz des Bacchus und läßt aus ihm den Weinstock
ersprießen. Dreidimensional ist die Bedeutung
dieses einst nur den Priestern bekannten
Mythos: nach oben weist die göttliche Herkunft
des Weines, horizontal seine weltweite Verbreitung
, tief in die Erde aber sein von Geheimnissen
umgebenes Wachstum.

Finden wir in dieser klassischen Mythe schon
Bedeutungsvolles ausgesagt und sehen wir bei
den Griechen und Römern den Glauben an den

göttlichen Ursprung des Weines und an seine
Wirkung — er beflügelt in ihrer Vorstellung die
Gedanken und dem maßvollen Trinker erwächst
aus ihm Weisheit über Leben und Tod —, so
offenbart der christliche Glaube ein weit tieferes
Geheimnis, indem er den Wein in der Mystifikation
des Liebesmahles zum Blut des Erlösers
erhebt. Christus selbst gebraucht das Bild des
Weines öfters in seinen Gleichnissen. Er ist der

Staufener Schloßberg

Fritz Fischer

Weinstock, wir sind die Reben. Das Bild vom
Weinberg Gottes und seinen Arbeitern berichtet
Mathäus. Außer dem Brot kommt nichts dem
Weine gleich, so sehr, daß in beiden Gestalten
Christus sich darstellt.

Die biblischen Gleichnisse vom Weine greift
das deutsche Liedgut des 16. und 17. Jahrhunderts
auf. In einer Mainzer Handschrift aus dem Jahre
1591 finden wir das Lied vom „Geistlichen Weingarten
, in dem Christus (wie auch in einer alten
moselländischen Plastik) in der Kelter, das heißt
in seinen Leiden beschrieben wird:

„Die Juden kamen zusammen

Ein mächtig großes Heer:

Sie meinten sie wollen zerbrechen

Die edele Weinebeer.

Der Preßbaum ist bereitet schon,

Wie uns die Weisen san:

Da wollt sich Gott der Herre

Den Preßbaum selber tran".

Die Winzer der verschiedenen Weinbaugebiete
haben selbstverständlich auch ihre Schutzheiligen,
so der Bodensee und Oberrhein Otmar, einen Abt
des Klosters St. Gallen, von dem es in einer
Legende heißt: „ . . Der liebe Here Sankt Othmar,
der hätt ein Lägelin, darinnen war ein gar guter


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