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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-08/0012
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Die Markgrafschaft

Wein. Daraus trank er. Und wie viel er daraus
trank, so ward dannoch des Weines nicht minder.
Und nachdem er gestarb, da fand man das Läge-
lin. Und was Siechtums der Mensch hätt, wenn
man ihm aus dem Lägelin zu trinken gab, so
ward er gesund". Die Pfalz hat ihren St. Cyriak,
die Ortenau ihren St. Uban, den oft mit einer
Traube abgebildeten Bischof von Autun, der sich
mit Erfolg hinter einem Weinstock vor seinen
Feinden verbergen konnte.

Vielfältig sind die Sagen und Legenden, die
um den Wein entstanden sind. Am Oberrhein
kennt man vielleicht da und dort noch die Sage
vom Weinklopfer, der zur Zeit der Rebblüte im
Keller umgeht und den Jahrgang voraussagt.
Eine köstliche Besinnlichkeit spricht aus einer
alten Trierer Überlieferung, die sich mit der
Erschaffung der Rebe beschäftigt und die also
berichtet: „Nach dem Pflanzen der ersten Rebe
schlachtet der Herr ein Lamm und gießt das Blut
an ihre Wurzeln. Der Teufel sieht zu. Er opfert
nun einen Löwen und ein Schwein und läßt das
Blut der beiden auch zu den Wurzeln der Rebe
sichern. Daher hat der Wein seine Eigenschaften:
Wer eine Flasche trinkt, wird fromm wie ein
Lamm, wer zwei trinkt, glaubt sich stark wie ein
Löwe, und wer drei trinkt, wälzt sich und grunzt
wie ein Schwein".

Zum richtigen Trinken — der Markgräfler
sagt: surpfle muesch, nit suffe! — ermahnen
Sprüche und Inschriften an Faß und Kellereingang
, so sagt man am Main ,,Setz dich nieder
und trinke bieder", am Rhein „Morgens ein Gläschen
, des Mittags zwei und des Abends vergißt
man das Zählen dabei". An einer alten Kelter
aber steht: „Übermaß sprengt das Faß".

Ergötzliches weiß Wilhelm Kutter über die
Spitznamen der von der Sonne weniger begünstigten
Lagen und Jahrgänge zu berichten, so
über den Tübinger „Elefantenwein", der deshalb
so heißt, „weil die Trauben, aus denen er gekeltert
wird, so hart sind, daß sie nicht Menschen,
sondern nur Elefanten zertreten können. Auch
die Beeren für den Reutlinger Wein am oberen
Neckar werden nach dem Volkswitz von diesen
Dickhäutern getreten. Und als die Tübinger in
einem herben Herbst keinen eigenen Elefanten
bekommen, leihen sie sich das Reutlinger Rüsseltier
aus. Die Reutlinger geben es nach Tübingen;
als das Tier aber nach zwei Wochen aus Tübingen
zurückkommt, stellen die Reutlinger fest, daß
die Tübinger noch viel härtere Trauben als sie
haben, denn der Elefant hat Hornhäute an seine
Füße bekommen. Aber die Tübinger rächen sich
für diese Schmach mit der Feststellung, daß der
Reutlinger .Wein ein „Dreimännerwein" sei: ein
Mann müsse ihn trinken, ein zweiter den Trinker
festhalten und ein dritter dem armen Opfer den
Wein in den Mund schütten".

Ihre mehr oder weniger witzige Bezeichnung
haben auch die guten Jahrgänge bekommen. So
der wundervolle Kometenwein von 1811, so der
Eiswein von 1890, als im Herbst ein früher Frost
einbrach und die Trauben zu Eisklumpen erfrieren
ließ. Dieser Eiswein soll gegen alle Befürchtungen
einen gar vorzüglichen Tropfen abgegeben

haben. Der 1921er war so süffig, daß die Ehemänner
ihre holden Geschöpfe zu Hause vergaßen
; dieser Jahrgang erhielt den Namen
„Witwenwein".

Ist der Wein im Keller1, so gilt es ein strenges
Kellerrecht zu beachten. Zunächst erfahren wir
einmal, wie man sich in der Umgebung der
wohlgefüllten Fässer verhält. Da steht in einer
alten Kellerrechtsniederschrift:

„Das Zanken, Fluchen, Zotenreißen,
Mit groben Worten um sich schmeißen,
Das Kratzen, Schreiben an den Wänden,
Das Klopfen an die Faß' mit Händen,
Fürwitz und andere Unbegier
Geziemet sich durchaus nicht hier".

In einer Tafel bei Neckarzimmern wird der
Gast in ähnlicher Weise vor ungebührlichem
Benehmen gewarnt, „sonst wird ihn ob der Tat
das Kellermesser schlagen".

Nur weniges aus der Fülle des von Kutter
zusammengestellten Materials konnten wir hier
anführen. Wir wollen aber bei Gelegenheit noch
auf dieses Thema zurückkommen. l. b.

Das fdjlcuiE mäbüim

In einer großen Stadt hatten viele reiche und
vornehme Herren einen lustigen Tag. Einer von
ihnen dachte: „Könnt ihr heute dem Wirt und
den Musikanten wenigstens 1500 Gulden zu verdienen
geben, so könnt ihr auch etwas für die
liebe Armut steuern". Also kam, als die Herren
am fröhlichsten waren, ein hübsches und nett
gekleidetes Mädchen mit einem Teller und bat
mit süßen Blicken und liebem Wort um eine
Steuer für die Armen. Jeder gab, der eine mehr,
der andere weniger, je nachdem der Geldbeutel
beschaffen war und das Herz. Denn kleiner
Beutel und enges Herz gibt wenig. Weiter Beutel
und großes Herz gibt viel. So ein Herz hatte
derjenige, zu welchem das Mägdlein jetzt
kommt. Denn als er ihm in die hellen, schmeichelnden
Augen schaute, ging ihm das Herz
fast in Liebe auf. Deswegen legte er zwei Louis-
dor auf den Teller und sagte dem Mägdlein ins
Ohr: „Für deine zwei schönen blauen Augen!"
Das war nämlich so gemeint: Weil du, schöne
Fürbitterin für die Armen, zwei so schöne Augen
hast, so gebe ich den Armen zwei so schöne
Louisdor, sonst tät's einer auch. Das schlaue
Mädchen aber stellte sich, als wenn es die Sache
ganz anders verstünde. Denn weil er sagte: „Für
deine zwei schönen Augen" — nahm es ganz
züchtig die zwei Louisdor vom Teller weg,
steckte sie in den eigenen Sack und sagte mit
schmeichelnden Gebärden: „Schönen herzlichen
Dank! Aber seid so gut und gebt mir jetzt auch
noch etwas für die Armen!" Da legte der Herr
noch einmal zwei Louisdor auf den Teller, kneifte
das Mägdlein freundlich in die Backen und sagte:
„Du kleiner Schalk!" Von den andern aber
wurde er ganz entsetzlich ausgelacht, und sie
tranken auf des Mägdleins Gesundheit, und die
Musikanten machten Tusch. J.P.Hebel


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