Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-09/0004
2 Die Markgrafschaft

dienst durch Selbsterfüllung! Geistüberwölbte
Polarität!

Unserer Landschaft am Oberrhein zunächst,
dann aber dem ganzen deutschen Volke, ist hier
ein Bekenntniskunstwerk höchsten Ranges geschenkt
worden, und wir fühlen mit Zuversicht,
ein Volk, in dem noch solche Werke gelingen,
ist nicht verloren und zum Untergang verdammt!

Nun ist es an euch, Landsleute: nehmt und
singt! M.D.G.

Wlunbant, Wluttznfpmdjt unb m.. ?

Jedes Jahr sind wir bei den Hebelfeiern im
Markgräflerland überrascht, wie sicher von
Kindern aus dem Osten die alemannischen Gedichte
Johann Peter Hebels vorgetragen werden.
Wie oft haben mir schon Lehrer bei der gemeinsamen
Feier am 10. Mai auf meine Frage zur
Antwort gegeben „Flüchtlingskind". Es hat besser
alemannisch gesprochen als die Kinder aus
dem Dorf. Freilich, wir kennen auch das Gegenteil
: wenn die Mutter aus Norddeutschland ist
und das Kind streng anhält, daß es nicht in
diese „wüste" Sprache verfällt, dann, ja, dann
steht das Kind abseits. Bei Hermann Burte lesen
wir in der „Madlee":

„Hochdütsch schmeckt no Druckerschwärzi,
d' Muedersprooch het Boodeguu".

Und Karl Berner schreibt:

\

V

„Weisch, was de bisch,

Wenn d'r dy Sproch nit guet gnueg isch?

De chumsch mer vor

Wie ne gwyßgete Mohr..."

Leider ist es bei uns weithin so, daß die
Mundart als der Werktagskittel des Bauern gilt,
während hochdeutsch den Sonntagsanzug vorstellt
. Gerade, wenn wir das Werk Burtes betrachten
, fällt uns der ungeheure Wortreichtum
des Dichters auf. Woher schöpft er seinen Reichtum
? Aus der Mundart. Nur, weil er diese vollständig
beherrscht und spricht, kann er seine
hochdeutsche Dichtung sprachlich so reich gestalten
.

Nun wird man mir entgegenhalten, daß der
Dichter ja die Ausnahme ist, und wir gewöhnlichen
Sterblichen hätten genug Worte zur Auswahl
. Jeder Lehrer wird bestätigen, daß ein
Kind, das viel liest und gute Bücher mit Verstand
liest, an seinen Aufsätzen zu erkennen ist.
Das Kind ist noch zu jung, um aus der Mundart
zu schöpfen für seine hochdeutsche Arbeit. Wenn
es aber die Mundart, in der es aufwächst, nicht
lernt, fehlt ihm etwas seiner Lebtag. (Es gibt
Gegenden in unserem Vaterland, in denen kaum
von einer Mundart die Rede sein kann. Aber
hier geht es ja darum, daß die alemannische
Mundart zu ihrem Recht kommt.) Ein Freiburger
Gelehrter wurde nach Berlin berufen. Seinem
Sohne ging es dort im Gymnasium gar nicht gut.
Bevor der schwerfällige Alemanne nur richtig
nachgedacht hatte, hatten die raschen Berliner
schön die Antwort gegeben. Mit der Zeit verlor
der Junge, mehr und mehr die Lust. Bis der
Herr Professor eines Tages sagte: „Sie kommen
doch aus Freiburg. Sie können sicher alemannisch
. Lesen Sie uns in den nächsten Tagen einmal
einige Gedichte von Hebel in der Mundart
vor". Von dem Augenblick an kam sein Selbstbewußtsein
wieder, weil er etwas gekonnt hatte,

was alle Klassenkameraden nicht konnten. Oder
war es vielleicht sogar mehr, was er durch den
Vortrag Hebelscher Worte bekommen hatte?
Wer die Frage „Muttersprache" von diesem Gesichtspunkt
aus betrachtet, wird sich daran erinnern
, daß viele deutsche Eltern im Ausland ihre
Kinder in der fremden Sprache aufwachsen lassen
und die Muttersprache vernachlässigen. Man
kann das als Äußerlichkeit abtun. Aber es steckt
mehr hinter dem Sprachwechsel.

Professor Dr. W. Bruckner in Basel schrieb
einmal: „Zu den höchsten Gütern eines Volkes
gehört auch seine Sprache, und wir Deutschschweizer
freuen uns darüber, daß wir im täglichen
Leben noch eine lebensstarke Mundart
sprechen; sie sichert uns eine gewisse Selbständigkeit
und Unabhängigkeit der Sprechweise und
damit vielfach auch der Denkweise. „Gerade die
Schweiz kann uns hier in vielfacher Hinsicht
zeigen, worum es geht. Bekanntlich ist drüben
das Schulwesen Sache der Kantone. Die Bundesregierung
sizt in Bern. Nun hat, nach Mitteilungen
Schweizer Blätter, der Bund vor einiger
Zeit beschlossen, die Kinder von Beamten aus
dem Jura durch Schulgeldzuschüsse zu unterstützen
, deren Eltern sonst nicht nach Bern in
Bundesstellen gehen würden, weil ihre Kinder
heimatverbunden bleiben sollen.

Heimatverbunden bleibt man aber nicht nur
durch die Sprache. Wir im Grenzgebiet sollten
dafür offene Ohren haben. Ich entsinne mich,
daß mir in meiner Jugend unter dem Einfluß
meiner Mutter Wilhelm Teil und Winkelried
und Sempach und Rütli bekanntere Namen
waren als irgend welche deutsche Sagengestalten
. Die „Basler Nachrichten" brachten vor einigen
Wochen einen Beitrag „Aufsehenerregende
Niedergangserscheinungen im Bauernstand".
Darin steht u. a.: „Die Einheirat von ausländischen
landwirtschaftlichen Angestellten nimmt
teilweise einen ganz ungesunden Umfang an.
Wenn in gewissen Tälern bis zu 30 Prozent Ausländerinnen
schweizerische Bäuerinnen werden,
mahnt dies zum Aufsehen! Wie sollten dieselben
echt schweizerisches Kulturgut in unsern Bauernfamilien
erhalten und fördern?"

Damit bin ich wieder am Anfang. Wenn die
Kinder aus dem deutschen Osten auch hier im
Umgang mit ihren Kameraden die alemannische
Sprache beherrschen, wer nimmt sich noch Zeit,
sie in die Kultur und Geschichte der engeren und
weiteren Heimat einzuführen? Die billigste Antwort
verweist auf die Schule. Wenn aber der
Lehrer selbst Heimatvertriebener ist? Wenn
Vater und Mutter berufstätig sind und sich gar
nicht um diese Dinge kümmern? Wenn mit der
Tracht auch nach und nach Sage und Mundart


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-09/0004