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Die Markgrafschaft
die Stadt Neuenburg wurde vom neuen Geiste
ergriffen. Schon wenige Jahre nach den ersten
Hammerschlägen der Reformation zu Wittenberg
, Ende des Jahres 1521, brachte eine Haussuchung
in Freiburg Tausende von ketzerischen
Schriften zutage. Daraufhin hatte ein scharfer
Hirtenbrief versucht, der Lage Herr zu werden.
Dieser Hirtenbrief forderte die Entgegnung
mehrerer Geistlicher heraus, darunter auch die
des Dr. Sebastian Meyer, des Lesemeisters im
Franziskanerkloster zu Neuenburg. Die Überlieferung
berichtet von ihm, daß er ehrwürdig
und sittenstreng gewesen sei.
Der Rat der Stadt beschloß, einen Prediger
der neuen Lehre zu bestellen und bei sich aufzunehmen
. Es war dies Otto Brunfels, ein ehemaliger
Angehöriger des Kartäuserordens. Mit
ihm kam ein Mann von menschlichem und wissenschaftlichem
Format in die Mauern der Stadt
Neuenburg. Er entwickelte hier eine bedeutende
literarische Tätigkeit. Otto Brunfels war kein
Bilderstürmer, der in blindem Eifer nur einreißen
wollte. Er war ein Mann der Mäßigung.
Wohnung nahm er im Kloster der Franziskaner,
die zum größten Teil selbst der neuen Lehre
anhingen.
Vom Sitze der vorderösterreichischen Regierung
zu Ensisheim traf ein Edikt vom 20. April
1524 in Neuenburg ein, in dem jegliche Betätigung
im neuen Glauben mit strengen Strafen
bedroht wurde. „Wer während der vierzigtägigen
Fastenzeit oder am Freitag und Samstag Fleisch
esse, solle ebensoviele Tage, als er das Gebot
übertreten, im Gefängnis bei Wasser und Brot
büßen. Wer aber als Geistlicher, ob Mönch oder
Priester, die Kirche verlasse . und die Heiligen
und ihre Wunder verwerfe, solle mit Kerker und
Landesverweisung bestraft werden. Wer als Bürger
der neuen Lehre anhänge, soll ehrlos und
rechtlos werden, von Handel und Gewerbe ausgeschlossen
und aller seiner Güter verlustig erklärt
werden. Wer aber in außerordentlichem
Falle in seinem Widerstand beharre, soll die
Todesstrafe erleiden". Daß diese Drohung ernst
gemeint war, zeigte das Schicksal des Pfarrers
Peter Spengler zu Schlatt, der Dekan des Kapitels
Breisach war. Er wurde in Ensisheim zum
Tode verurteilt und in der III ertränkt.
Dr. Sebastian Meyer verließ Stadt und Orden
und wirkte in Straßburg, Schaffhausen, Basel
und Bern. Ihm folgten noch andere.
Eine Urkunde vom 13. September 1527 schildert
die Lage des Franziskanerklosters. Sie
lautet:
„Wir, der kuniglichen maiestat zue Hungern
und Boheim etc., unsers gnedigsten herren, lant-
vogt. regenten und rate in Obern Ellsaß bekennen
: Als der Rein durch seinen ungestümen fluß
die statt Newenburg im Pryßgaw gelegen, der-
glichen die pfarkirch daselbst, welcher die hoch-
gemel. kuniglich majestat als regierender her
und landsfurst zu Osterrych iure patronatus
rechter lehen her ist, hingefurt hat, also daz der
gotsdinst mit singen, lesen uiid andern pfarlichen
rechten nit furer darin gehalten noch volnpracht,
auch khein fuglicher noch gelegner platz meher
in der statt gefunden, uf den ein andere oder
newe pfarr gebuwen werden, zudem das auch
solichs in berurter statt Newenburg gemeinem
gut noch der burgerschaft und einwoner daselbst
vermögen nit gewesen, und sich aber die prüder
sant Franciscus ordens der mindern regel in dem
barfußer closter aldo der verfurischen luteri-
schen sekt und anders halben unordenlichen,
dem gemeinen volk zu bösem vorbild, erger-
lichen und sunst des gotshus halber dermaßen
gehalten, das dasselbig an Zinsen und gulten
merklichen abgenommen und in verderben kommen
, also war nit darin gesehen, das si on des nit
lang in bemeltem closter bi einandern pliben, ir
narung gehaben und den gotsdinst, wie der
gestift, volnbringen mögen, und us disen und
andern beweglichen Ursachen, die der obengenanten
prüder und closterlut obristen provin-
cial furpracht, von demselben erkundiget und
dermaßen erfunden, die genanten prüder und
closterlut mit desselben wissen und bewilligen
von disem doster und gotshus gewisen und us-
kauft worden sein, das wir demnach uf der hoch-
gemelten kuniglichen maiestat sondern bevelch
auch mit der hochwurdigen fursten und herren
hern Hugen bischoven zu Costenz, unsers gnedi-
gen herren, als des bistumbs, darinnen obgemelt
statt und pfarr gelegen, geistlichen Ordinarien,
rat, zulassen und bewilligen die obgemelt durch
den Rein hingefurte pfarr sampt aller und ieder
derselben Stiftungen, pfrunden, caplanien, lipfal,
siebenden, dreißigisten, jargezeiten und aller
anderer recht und gerechtigkeiten in das obgemelt
closter tran ferirt, us demselben closter ein
pfarr gemacht und deshalber in berurter pfarr
dise harnach geschribne Ordnung und Statuten
ewiglichen zu halten furgenommen und gesetzet
haben, nemen für, ordnen und setzen auch hie-
mit wissentlichen und in kraft dises briefs:
Also und des ersten, das das obgemelt closter
und gotshus nun hinofuro aller und ieder burger
und einwoner zu Newenburg, si sien geistlichs
oder weltlichs Stands, edel oder unedel, rieh oder
arm, pfarr sein, derselbigen pfarlichen recht und
gerechtigkeit haben, darfur gehalten und erkant
werden solle, aller gestalten, wie die durch den
Rein hingefurte pfarr gewesen, gehept hat,
gehalten und erkant worden ist".
So wurde das Kloster der Franziskaner in
Neuenburg aufgelöst. Gegen die völlige Aufhebung
des Klosters erhob der Orden Protest.
Einzelne Bürger beschwerten sich ebenfalls beim
Hochgericht des Markgrafen von Badenweiler,
als der Appelationsinstanz, beide Schritte blieben
ohne Erfolg. Zuletzt waren noch zehn
Ordensmitglieder im Kloster gewesen, darunter
drei Priester. Acht erhielten eine Abfindungssumme
von 24 oder 30 Gulden von der Stadt
ausbezahlt und wanderten nach Straßburg ab,
zwei wurden als Pfründner in das Neuenburger
Spital aufgenommen. Die Einkünfte und Besitzungen
gingen an die Stadt.
In der Gemeinde setzte nun der Streit um
das Erbe der Franziskaner ein. 1537 erhob der
Klerus von Neuenburg beim hohen Gericht zu
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