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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-10/0010
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Die Markgrafschaft

Einer aber warb um die Hand der schönen
Gundel, den wenige im Tal ausgeschlagen hätten,
wenn er sie zur Frau begehrt hätte, denn er war
ein reicher, angesehener Mann, der Müller Rudi
Heinzmann. Er war gleichfalls kinderloser Witwer
, und insofern hätten die beiden nicht
schlecht zueinander gepaßt. Allerdings war er
wesentlich älter als die Doldengundel, immerhin
aber noch ein stattlicher Mann.

Gundula hatte aber auch einen gewichtigen
Grund, von der Aussicht, Müllerin zu" werden,
Abstand zu nehmen. Es war nämlich im ganzen
Tal bekannt, daß der Rudi seine erste Frau nicht
sonderlich gut behandelt hatte, so daß sie kein
Verlangen hatte, das gleiche Schicksal zu teilen.
Und außerdem war der Müller nicht sehr beliebt
bei den Leuten. Zwar konnte man ihm nicht
gerade Böses nachsagen, aber um seinen Lebenswandel
lag stets etwas Geheimnisvolles. Wochenlang
konnte er aus der Gegend verschwinden,
ohne daß man wußte oder erfuhr, wo er gewesen
war. Und oft kehrten bei Nacht und Nebel seltsame
Besucher in der Mühle ein, die ebenso leise
und unauffällig wieder verschwanden, wie sie
gekommen waren. Dagegen hatte der Müller so
gut wie keinen Verkehr mit seinesgleichen. Was
aber seinem Ruf am meisten Abbruch tat, war
die Tatsache, daß er auf dem Neuenfels ein
häufiger Gast war. Der Ritter von Neuenfels
aber war als habgieriger und harter Mann weit
und breit bekannt, und viele haßten und fürchteten
ihn. Man war überzeugt, daß nur die Nähe
des badischen Vogtes und seiner Knechte den
Neuenfelser daran hinderte, seiner Neigung zu
Schlechtigkeit und Gewalttat ärger zu frönen.

Eines Tages saß Frau Gundula am Vormittag
in der Wirtschaft und spann vom selbstgebauten
Flachs. Gäste waren zu so früher Stunde noch
nicht da, was dem Müller recht angenehm war,
als er in die Wirtsstube eintrat. Die Doldengundel
stand auf, begrüßte den Gast und fragte
nach seinen Wünschen. Rudi aber trat auf sie zu
und faßte sie vertraulich am Arm: „Hab' so früh
keinen Durst nach Wein; möcht' lieber ein ernsthaft
Wort mit Euch reden. Setzt Euch wieder an
Euer Spinnrad und hört mich ruhig an!" Ihren
Arm zurückziehend trat die Wirtin einen Schritt
zur Seite, erfüllte aber doch seinen Wunsch und
setzte sich. Der Müller rückte sich einen Stuhl
neben das Spinnrad und fuhr fort: ,,Es ist Euch
nicht unbekannt, daß ich Euch gut bin; Ihr wißt's
aus meinem wie aus anderer Leute Mund. Und
daß wir zwei zusammenpassen wie so schnell
kein anderes Paar, könnt Ihr nicht leugnen.
Beide würden wir dabei gut fahren, doch wäre
der Vorteil für Euch sicher größer als für mich,
denn eine Frau kann Schutz immer brauchen,
auch wenn sie reich ist und sich zu behaupten
vermag. Daß Ihr mir nicht hold seid, liegt wohl
daran, daß man mich bei Euch verleumdet hat,
aber ich glaube, Euer letztes Wort ist noch nicht
gesprochen. Um Euch zu beweisen, daß ich allen
Groll gegen Euch ablege, will ich einen Schaden
von Euch abwenden, wozu Ihr Rat und Hilfe
wohl gebrauchen könntet".

Der Müller schwieg schwer atmend, denn
eine so lange Rede mochte ihm beschwerlich sein.
Die Wirtin sah ihn ruhig an. ,,Ich kann Euch
keinen anderen Bescheid geben als bisher", erwiderte
sie bedächtig, „doch bin ich Euch dankbar
, daß Ihr an meinen Nutzen und Vorteil
denkt. Sagt mir aber, was wißt Ihr von einer
Gefahr, die mir drohen soll?" Der Müller rückte
näher an Frau Gundula heran und sprach leise,
als befürchte er heimliche Lauscher, auf die
Wirtin ein: „Unter dem Erbe Eures verstorbenen
Mannes sind auch die Matten auf der Schwärze,
dort, wo der alte Stollen liegt". Und bedeutungsvoll
setzte er hinzu: „Schöne Matten sind das!"
„Und was wollt Ihr damit?", fragte die Gundel
unsicher. „Was es damit soll? Nun, nicht viel;
nur das: der Neuenfelser behauptet, sie seien
sein Eigentum, da das Bergwerk ihm gehöre und
somit auch die anschließenden Halden ihm zustünden
. Seid vorsichtig, der Ritter ist ein mächtigerer
Herr als Ihr denkt und nicht besonders
glimpflich, wenn es um sein Recht geht!" antwortete
Rudi, der Müller. „Ach was!" entgegnete
die Wirtin, nun wieder die alte Sicherheit gewinnend
, „seit eh und je sind die Matten im
Besitz der Grynner. Brief und Siegel habe ich
darüber und fürchte gewaltsamen Zugriff nicht,
denn wir haben ja Recht und Gesetz im Lande.
Der Markgraf wird beides zu schützen wissen!".
„So, so, der Markgraf!" gab der Müller verächtlich
zurück, „wo ist er denn? Der sitzt unten auf
dem Badener Schloß oder reitet mit dem Kaiser
in den Krieg. Er wird wenig Lust haben, es mit
dem Neuenfelser wegen Eurer paar Matten zu
verderben! Gäbet Ihr mir günstigen Bescheid auf
meine Werbung, so wüßte ich Mittel und Wege,
den Neuenfelser von seinem Plan abzubringen.
Meine Macht ist nicht so gering, wie Ihr denken
möget!" „Will's da hinaus?", fuhr Frau Gundula
zornig auf, daß das Spinnrad ins Wanken geriet.
„Macht Euch keine falschen Hoffnungen, Müller.
Ich werde mich selbst wehren und mich deshalb
nicht an Euch verkaufen. Haltet mich ruhig für
ein schwaches Geschöpf — Eurer Macht bedarf
ich zu allerletzt!" Und damit kehrte sie dem
verdutzten Rudi den Rücken und stellte sich an
das nächste Fenster. Doch der Müller war nicht
so leicht aus der Fassung zu bringen. „Vergeßt
nicht, was in Eurer Wirtsstube geredet worden
ist, als der Markgraf außer Landes war. Meine
Ohren sind gut, und mein Gedächtnis läßt mich
nicht im Stich", versuchte er noch einmal, die
Wirtin zu schrecken und so gefügig zu machen.
„Spart Eure Worte, Müller", kam es prompt und
bestimmt zurück, „habt Ihr nicht selbst so lange
gestichelt und gehetzt, bis der Schneider und der
Knecht des Vogtes aneinander gerieten? Und zudem
war es nicht nüchtern gesagt!" „Ist das
Euer letztes Wort?" fragte Rudi lauernd. „Mein
letztes!" wandte sich die Wirtin stolz um, „und
mein allerletztes brauche ich nicht zu sagen, das
versteht Ihr so!" und damit wies sie mit dem
Arm nach der Tür. Einen Fluch zwischen den
Zähnen herausstoßend stand der Müller auf:
„Das sollt Ihr büßen, Ihr übermütiges Weib! so
wahr ich Rudi Heinzmann heiße!" Damit stampfte
er zur Tür, die klirrend hinter ihm ins Schloß


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