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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-10/0013
Die Markgrafschaft

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An einem Berg, von dem man weit hinaussieht
in die Ebene des grünen Stromes, befindet
sich der Eingang eines alten Erzstollens. Eine
schwere Tür verschließt ihn. Mehr als hundert
Jahre wird kein Erz mehr gegraben, aber die
Leute sagen, man höre in der Mitternacht oft
Hammerschläge aus dem Berge.

Ein kleines Stück vom Stolleneingang entfernt
versteckt sich ein stiller Teich. Er ist von
alten, hohen Bäumen überschattet und mit
Wasserlinsen übersponnen, so daß ei* ganz grün
aussieht. Keine Fische leben darin. Nur über
Mittag, wenn ein wenig Sonne auf ihn fällt, sieht
man winzige Mückchen darüber tanzen, und im
Sommer sitzen blitzende Wasserjungfern auf
dem Uferschilf. Große Blätter von Wasserrosen
schwimmen auf der grünen Fläche, und es ist so
unheimlich still dort, daß man das eigene Atmen
hört.

Da gingen einmal zwei Liebende durch den
Wald und fanden den verborgenen Teich. „Oh,
mich schaudert an diesem unheimlichen Wasser,
laß uns weitergehen", sagte das Mädchen Ger-
trude. Heinrich, der Jüngling, aber lachte sie aus
und prahlte mit seinem Mut.

,,Ich will schon Leben in den schmutzigen
Teich bringen", sagte er und brach eine junge
Tanne, die wie ein verlaufenes Kind zwischen
den alten Bäumen stand, mitten durch.

,,Höst du nicht, wie es klagt? Laß doch das
Bäumchen", flehte das Mädchen. Aber Heinrich
hatte das Stämmchen schon zerbrochen und warf
den Gipfel mit einem Schwung mitten in den
Teich. Die Baumwunde begann zu bluten, und
auch aus dem abgerissenen Teil floß Blut, so daß
der ganze Teich rot wurde. Es war grausig anzusehen
.

Zürnend erhob sich ein wüster, schlammiger
Troll aus dem Schilf und rief mit drohender
Stimme: ,,Du Elender, was zerstörst du junges
Leben! Das sollst du büßen. Wie du mit frevelnder
Hand dieses Tännleih auseinandergerissen
hast, will ich auch dich von deiner Liebsten Seite
reißen und dich bannen in den Teich, den du
geschändet hast".

Mit diesen Worten warf er eine Handvoll
Schlamm über den Frevler, der vor Schreck erstarrt
war, und dann war dieser in einen großen
Frosch verwandelt. Der Troll warf ihn in den
Teich, wo er auf ein Seerosenblatt fiel und dort
sitzen blieb.

Gertrude schrie auf und wollte ihrem verzauberten
Liebsten nacheilen, aber das Blut aus
dem verwundeten Tännlein war zu einem Bächlein
geworden und sperrte ihr den Weg. ,,Still
mich, still mich!", murmelte das rote Bächlein.

Da zerriß das Mädchen sein Gewand und
stopfte es in die Baumwunde, aber es genügte
nicht. So nahm es auch seine Unterkleider und
stopfte sie hinein, seine Schuhe und Strümpfe,
zuletzt sein Hemd. Da begann das Blut zu stehen
und der Wassergeist war verschwunden.

Erst jetzt gewahrte Gertrude, daß sie nackt
war. Sie löste ihre langen Zöpfe und hüllte sich
in das dichte Haar, setzte sich an das Ufer und
weinte bitterlich. Sie rief nach dem Liebsten,
aber als Antwort kam nur ein trauriges ,,Quak,
quarak".

Das Mädchen beugte sich über den Teich und
wollte nach dem Seerosenblatt greifen, aber dieses
wich zurück, und die Tränen tropften in den
blutigen Teich. Als die Tränen hineinfielen; verblich
die rote Farbe, und das Wasser wurde
heller und heller, bis es zwischen der grünen
Decke wie silberne Blüten hervorschaute.

Es wurde Nacht und das Mädchen begann zu
frieren und sich zu fürchten. Langsam tastete es
sich zu dem wunden Tännlein hin und setzte sich
daneben. Das Blutbächlein war in den Boden
gesickert und der Boden wieder trocken. An das
verstümmelte Bäumchen gelehnt, schlief das
Mädchen ein.

Da träumte es, eine schöne Fee käme herbei
und spräche zu ihm: ,,Liebes Kind, weine nicht
mehr. Deine Tränen haben den Teich wieder rein
gemacht, und deine Kleider will ich im Nachttau
waschen und in der Morgensonne tocknen. Dann
ziehe dich an und eile hinunter an die große
Halde zu den blauen Steinen. An der alten
Föhre liegt ein besonders großer Stein, der
leuchtet wie ein Amethyst. Diesen nimm an
dich und gehe damit in den alten Stollen. Du
wirst ihn leicht öffnen können. Brich das goldene
Schlüsselchen, das neben dem Eingang aus der
Erde wächst, und halte es an die Türe. Gehe ,
getrost hinein; was dir alles begegnet, soll dich
nicht erschrecken. Berühre alles mit dem goldenen
Schlüsselchen, und nichts kann dir Leid antun
. Der blaue Stein aber wird in der Dunkelheit
leuchten wie ein Licht und dir den Weg
weisen.

Am Ende des langen Ganges steht ein silberner
Becher. Eine Schlange liegt daneben und
hütet ihn. Hauche sie an und berühre sie mit
dem Schlüsselchen, und sie wird zu Staub zerfallen
. Dann nimm schnell den Becher und eile
den Weg zurück. Wenn der Mond über dem
schwarzen Wald hochsteigt, mußt du wieder am
Teich sein. Dann will ich kommen und dir sagen,
was du weiter tun sollst".

Da wachte das Mädchen auf und sah seine
reingewaschenen Kleider trocken in der Morgensonne
liegen. Voll Freude erhob es sich, flocht
seine langen Zöpfe und zog sich wieder an. Dann
sann es dem sonderbaren Traum nach. „Liebe
Fee", flüsterte es, „ich danke dir für deine Güte
und will alles tun, was du mir sagtest".

An der Halde fand es den großen blauen
Stein, barg ihn im Kleid und stieg wieder hinauf
an den Teich. Der Frosch saß auf dem großen
Blatt und quakte traurig. „Sei getrost, mein
Liebster, ich will dich erlösen", sagte das
Mägdlein.

Es eilte zum nahen Stollen und fand das
goldene Schlüsselchen, das neben der Türe aus


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