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Schwarzwald-Verein
Ortsgruppe Müllheim - Badenweiler e.V.
Wm, ©totfmatt, tippte, ©todteg
Anregungen für unfere &ü)wav$walbsJuQtnb
Die Häuser der Stockmatt, also auch unser Wanderheim
, gehören zum Hauptort Wies, wie Demberg,
Fischenberg mit Ritterhof, Kühlenbronn und Wambach.
Fischenberg und Wambach haben eigene Schulen, die
übrigen Nebenorte sind nach Wies schulpflichtig. Das
Dorf Wies liegt 592 m hoch, geschützt und umgeben von
bewaldeten Höhen, die alle über 900 m haben, z. B. im
Osten das Hörnle (Raicher Hörnle) mit 914 m Höhe. Von
Kühlenbronn, aus dem Fischenberg und von der Stockmatt
herkommend, vereinigen sich bei Wies mehrere
Bäche zur Köhlgartenwiese, die weiter unten zwecks
Kraftgewinnung gestaut ist.
Wies selbst ist als WISA im Jahre 1259 erstmalig
genannt, es gab dort ein Rittergeschlecht; im Basler
Urkundenbuch sind für obiges Jahr Ulricus und Wal-
terus de Wisa genannt, die führen den Titel „miles", das
heißt Ritter. Der letzte Rittername, den wir finden,
lautet „Jakob von Wise, edelknecht", im Jahre 1367. Ein
Gewann bei Wies heißt „Burgäcker". Es wäre nun eine
dankenswerte Aufgabe für unsere Wanderjugend, festzustellen
, ob noch irgendwelche Reste einer kleinen Burg
zu finden sind. Ich denke da nicht an Mauern, sondern
höchstens an ein Häufchen behauener Steine. Als Student
habe ich so den Platz gefunden, wo auf dem Wald-
ebnetsköpfle über Kaltenbach die Burg der Ritter von
Kaltenbach, der Gründer von Bürgeln, gestanden hat.
Die meisten Steine hat man dort weggenommen und
zum Bau der Kirche verwendet, nachdem durch das
Aussterben des Rittergeschlechts Burg und Schloßkapelle
überflüssig geworden waren.
In einem alten Buch (Prof. Fecht: „Der südwestliche
Schwarzwald, 1858") lese ich über Wies folgendes (bitte
nicht verübeln, liebe Wanderfreunde von Wies!): „Die
Gesamtgemeinde hatte damals 1260 Einwohner, Wies 800.
Diese sind „teilweise ziemlich leichtsinniger, arbeitsscheuer
Natur, sind darum auch nur mittelmäßig wohlhabend
. Sie treiben Feldbau, Viehzucht (in der Gesamtgemeinde
41 Pferde, 673 Stück Rindvieh), Holzhandel,
Kohlenbrennerei, Naglerei, Weberei, und arbeiten in
dem bei dem Orte befindlichen Silberbergwerk, welches
außer Silber auch Blei und Schwerspat liefert". Es wäre
nun eine weitere Aufgabe unserer Jugend, der Stätte
dieses Bergbaues nachzugehen.
Von der Stockmatt schreibt Fecht: Seine Gemarkung
ist sehr bergig, wenig fruchtbar, und erträgt hauptsächlich
Kartoffeln. Die Einwohner, sind arm und treiben
Viehzucht und Naglerei. ('Nagelschmiede hat es dort in
meiner Jugendzeit noch gegeben.) Über den Namen
„Stockmatt" hat uns Wanderfreund Helm aufgeklärt
(Markgrafschaft, 7. Jahrg., Nr. 8), die Waldrodung hat
hier wohl erst ums Jahr 1400 begonnen.
Etwas anderes aber beschäftigt mich seit Jahren: der
Kneblezbuck. Wenn man von Wies kommt, zeigt sich
dieser Buck als ansehnlicher Hügel links der Straße,
doch auch von Norden her steigt er etwas an. Sonderbar
sind die Wegführungen auf diesem Buckel, sie sind auf
dem Meßtischblatt Blauen—Wies und auf der Karte des
Schwarzwaldvereins, Blatt Wiesental, deutlich angegeben.
Im Schweizer Jura fand man an einer örtlichkeit,
Knebelsburg genannt, wohlerhaltene Reste einer keltischen
Befestigung, und es ist zu vermuten, daß hier
etwas ähnliches vorliegt. Die Straße vom Wiesental über
Wies, Stockmatt, Lipple, Egerten, Weilertal muß uralt
sein, ich wies in einer früheren Veröffentlichung nach,,
daß sie als „Strichi - Weg" oder „Büecheli - Weg" zur
Stelle ging und dann den Burberg hinunter nach Oberweiler
(Marzeller Weg). Auf der Egerten wurden schon
zweimal Feuersteine gefunden, die von Menschenhand
bearbeitet waren und der Steinzeit angehören, deren
Ende man ums Jahr 2000 vor Christi Geburt annimmt.
Bronze- und ältere Eisenzeit haben in unserem Gebiet
wenig Spuren hinterlassen, dann aber beherrschten die
Kelten unser Land etwa vom Jahre 500 v. Chr. bis zur
Römerzeit. Könnten diese Kelten den sonnigen Hügel,
der jetzt Kneblezbuck heißt, nicht befestigt oder bewohnt
haben? — Also, liebe Wanderfreunde, erforscht
den Kneblezbuck; jede kleine Scherbe kann wichtige
Kunde geben.
Im frühesten Mittelalter entstand auch die Befestigung
auf dem Stockberg, die den Egertenpaß beherrschte.
Die vorhin genannten Ritter von Wies kontrollierten die
Straße von unten her. Der Ringwall auf dem Stockberg
wurde früher als keltische Fliehburg gedeutet. Die
Schüler von Marzell unter Leitung eines Lehrers fanden
aber nur frühmittelalterliche Scherben innerhalb und
unterhalb des Walles. Der Stockberggipfel hat Sicht zur
Burg Badenweiler, zürn „Alten Schloß" über dem Vogelbachtal
und zum Neuenfels, es sind dies alles Punkte,
die als frühere Befestigungen oder Signalstationen gedeutet
werden. Sie spielten wahrscheinlich in den
Kämpfen zwischen Alemannen und Römern im 4. Jahrhundert
eine Rolle.
Nun kommt das Lipple, ein Paß in 895 m ü. d. M.
Der Name hat mir schon viel Kopfzerbrechen gemacht.
Ich verglich ihn mit anderen, ähnlich lautenden Namen,
z.B. Lipbach, Weiler im Kreis Überlingen, Lippersreute,
ein Dorf im gleichen Kreis, Lipburg, Lippersbacherhof
(hinter Bürgeln). Alle diese Namen werden abgeleitet
von dem alemannischen Vornamen Litto oder Luper,
Lüper, Liubheri. Sollte ein alemannischer Häuptling
dieses oder ähnlichen Namens den Paß zu beherrschen
versucht haben? Oder hat er bloß Wald gerodet und in
Wiese verwandelt, da, wo auf der Karte nordwestlich
des Lipple das Wort „Ackerte" steht? Vielleicht gelingt
es unsern jungen Wanderfreunden, auch in diesem Punkt
Klarheit zu schaffen, denn sie wollen ja im neuen Wanderheim
nicht faulenzen, sondern die Gegend erkunden
helfen.
Wer für geschichtliche und frühgeschichtliche Dinge
kein Interesse hat, der möge die Tierwelt studieren
(Vögel, Eidechsen, Schmetterlinge, Käfer), oder er treibe
pflanzenkundliche Studien. Endlich gibt auch die Gesteinswelt
noch Rätsel auf, und es gilt, ein etwas sagenhaftes
Silberbergwerk bei Marzell wieder zu finden.
Wir schließen mit Worten von Wanderfreund Imm,
dem Schriftleiter des Hauptvereins: „Wandern ist nicht
ausschließlich eine Tätigkeit der Beine; es ist auch ein
Zustand der Seele, kann sogar Bildungsangelegenheit
werden. Man sucht im Antlitz der erwanderten Landschaft
zu lesen, ihre erdgeschichtliche Entstehung, geschichtliche
Vergangenheit, geistesgeschichtliche Leistung
zu erfahren und zu verstehen". Scheffelt.
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