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Die Markgrafschaft

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Welcher Zauber ist doch beschlossen in dem
Wort Advent. Es bezeichnet eine Zeit der Stille,
der Besinnung, der Erwartung; für den Bauersmann
eine Zeit der Ruhe. Einst war es die Zeit
der Spinnstube, wo die Lieder und Sagen der
Heimat erwachten. Mit linder Hand legt die
Mütter Nacht jeden Abend dunkle Schleier über
die Erde. Geisterwesen gehen nach altem Volksglauben
um, gute und böse. Die Zeit der
Wintersonnenwende naht, die heilige Zeit der
Prophezeiung. Tage der Adventszeit, die im
Volksbrauch eine besondere Rolle spielen, sind
der Andreas-, der Barbara-, der Nikolaus- und
der St. Thomastag.

Am Barbaratag (4. Dezember) werden Zweige
vom Kirschbaum, von der Eberesche oder dem
Flieder in einem Wasserglas in die warme Stube
gestellt. Erblühen sie bis Weihnachten, so ist
ein frühes Frühjahr zu erwarten. In der Mosbacher
Gegend nimmt man die erblühten Barbarazweige
mit in die Christmette. Am Fest der
unschuldigen Kinder (28. Dezember) werden die
Mädchen mit dem Zweige „gefitzelt". Das bringt
ihnen Glück.

Ein rechter Kinderfesttag ist der Nikolaustag.
Im Schwarzwald schneiden sich die Kinder bereits
Wochen zuvor das Klausenholz, in welches
sie täglich die gebeteten Vaterunser einkerben.
Am Vorabend des Nikolaustages wird das Klausenholz
unter das Fenster gelegt. Der Nikolaus
riecht daran, um festzustellen, ob die Kinder
auch fleißig gebetet haben. Mancherorts hat sich
der ehrwürdige Bischof in den schellenrasselnden
Pelznickel oder in den vermummten Rupelz verwandelt
. Oder aber es erscheinen beide Gestalten:

Nikolaus und Rupelz. Während Rupelz, der
Kinderschreck, mit Fellen bekleidet, durch die
Stube kriecht, hält Nikolaus den Kindern ihre
Missetaten vor. Wenn sie ihre Gebete gesprochen
haben, werden Geschenke verteilt, die Rute aber
bleibt zurück. Vielerorts legt man dem Nikolaus
Brot, Speck und Honig, wohl auch ein Gläschen
Schnaps, dem Eselchen aber Heu vor das Fenster
, damit beide sich stärken bei ihrer Reise
durch das winterliche Land.

In der Lahrer Gegend ging früher am Nikolaustag
der „Pickesel" um, der das gekrönte
Christkind auf dem Rücken trug. Ein sonderbarer
Brauch herrscht in Münchweier bei Ettenheim!
Während am Nikolausabend der Bischof die
Kinder beschenkt, kommt am folgenden Tag der
„Bolisbock", eine Teufelsgestalt mit Hörnern und
rasselnder Kette, um die bösen Kinder zu
bestrafen.

Weitere Brauchtumstage im Advent sind der
Luziatag (13. Dezember), der Thomastag (21.
Dezember), aber auch die beiden Donnerstage
vor Weihnachten, die sogenannten „Klöpfles-
nächte", auch die „Anklopfete" genannt. Mit der
Thomasnacht beginnen die zwölf heiligen Nächte.
In der Thomasnacht schaut man wieder, wie in
der Andreasnacht, in die Zukunft. Der Luziatag
galt früher als der kürzeste Tag im Jahr. In
Wirklichkeit ist es der Thomastag.

In diesen Nächten gehen nach altem Volksglauben
Dämonen um; durch Lärm will man sie
vertreiben. Die Hirten von Villingen machten
um diese Zeit mit ihren Hörnern großes Getöse.
Die „Klöpflesnächte" werden in Württemberg
„Knöpflesnächte" genannt. b.

6m ffldtjnadjtöerlebruö

Es war in den Nachkriegs jähren, als Hans
nach einer schweren Operation in Freiburg in
der Klinik lag.

Mit vieler Mühe war es mir gelungen, zwei
Christbäumchen zu bekommen, ein kleines für
mich und ein winziges für Hans. Dazu ergatterte
ich unter der Theke ein wenig Lametta und drei
ganze Kerzchen. Das genügte zu einer kleinen,
innigen Weihnachtsfeier. Die Kerzen teilte ich
in Hälften, daß jedes Bäumchen drei bekam, die
ich mit Draht befestigte.

Am Nachmittag des heiligen Abends fuhr ich
nach Freiburg zu Hans. Wir waren froh, daß wir
allein sein konnten. Sein Kamerad war auf das
Fest entlassen worden. Ein schönes Bäumchen
stand schon im Zimmer, aber es sollte erst am
ersten Feiertag angezündet werden, weil jetzt
die gemeinsame Feier für alle Nichtbettlägerigen
war. Jeder Kranke hatte aber sein Geschenkpäckchen
erhalten.

Als es dämmerte, stellte ich das winzige
Bäumchen von daheim auf den Nachttisch, legte
meine bescheidenen Gaben dazu und zündete

die drei Kerzlein an. Hans hatte auch für mich
ein Geschenk, das ihm die Schwester besorgt
hatte. Es war ein stilles, frohes Danken zwischen
uns.

Unsere Hände lagen ineinander, und wir
dachten an die glückliche Zeit, als unsere Kinder
noch lebten und an die schweren Jahre, die wir
miteinander trugen. Eine tröstliche Stille war
um uns.

Auf einmal bekam der arme Mann im Zimmer
nebenan wieder einen seiner quälenden,
harten Hustenanfälle. Er lag schon über ein Jahr
dort und sollte nicht mehr gesund werden. Es
durfte auch niemand zu ihm.

Als er wieder ruhig geworden war, nahm ich
meine Mundharmonika und spielte leise ein
Weihnachtslied, dann ein zweites. Da hörten wir
von nebenan einige krächzende Töne, und eine
rauhe Stimme mühte sich, mitzusingen. Es war
erschütternd, wie der Kranke dann beim dritten
Lied alle Verse mitsang. Mir liefen die Tränen,
und Hans sagte leise: ,,Das wird seine letzte
Weihnacht sein".


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