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Die Markgrafschaft
(Fortsetzung von S. 5)
klingen auf in dieser heiligen Nacht, und der vermummelte
„Buzzemummel" geht um. Geiler von
Kaysersberg weiß um all die abergläubigen
Volksbräuche und sagt: „Ich sprich, daß der
teuffei es thut, darumb daß des Zaubers sünd
desto größer sei. Semtliche ding vor weihenachten
thun, das ist von heiden hie".
Allerhand Zauberbräuche beziehen sich auf
die Haustiere. Man kennt verschiedene Mittel,
das Verlegen der Hühner zu verhüten. Das Futter
wird in der Weihnacht schon für den nächsten
Tag in einem Kreise in den Hof gestreut;
oder, man macht den Hühnern Nester aus dem
Heu und dem Stroh, das die Kühe und Ochsen in
der heiligen Nacht übrig gelassen haben.
Von besonderer Bedeutung ist das Weihnachtsfeuer
, der Holzklotz, den man in den Ofen legt,
ehe man zur Mette geht. Der „Weihnachtsklotz"
wird nach der Mette ausgelöscht. Seine Kohlen
legt man beim Gewitter auf den Herd, damit der
Blitz nicht einschlägt. Man denkt an das alte
Julfeuer. Viel schöner, ausgesprochener und
länger hat sich dieser Feuerbrauch in dem benachbarten
Lothringen erhalten, wie auch dort
das Wasser in der „Träne Christi" seine besondere
Wunderkraft erhält.
Beim Heiligwogläuten, dem Einläuten des
Christfestes, werden die Bäume geschüttelt, mit
Strohseilen umwickelt, um sie fruchtbar zu
machen.
Der elsässische Schriftsteller J. M. Moscherosch
(t 1669), der übrigens lange in Finstingen in Lothringen
lebte, spricht in seinen wunderlichen und
wahrhaften Gesichten des Philander von Sittewald
von dem „Heiligwogwasser". Das Tränken
der Tiere beim mitternächtlichen Läuten nahm
bei einem schlecht bezahlten Dorfschulmeister
der alten Zeit die Form an, daß er in seinem
Dienst als Sakristan beim Einläuten des Weihnachtsfestes
von Haus zu Haus ging, um mit dem
Weihwedel die Tiere mit Weihwasser zu besprengen
. Dabei sprach er: „Heiligwog, Gottes
gob! Glick ins Hüs, Unglick drüs!" Seine Bemühungen
wurden mit Naturalien beschenkt. Heute
üben hie und da noch kleine Ministranten den
Brauch und heimsen dafür schöne Äpfel und
gesunde Nüsse ein.
Die Heilige Nacht ist mit ihrer Orakelei
besonders den heiratslustigen Mädchen hold. Sie
erblicken im Wasserspiegel des Dorfbrunnens um
Mitternacht das Gesicht des künftigen Freiers.
Mädchen, die fünf Vaterunser beten und sich bei
einer Witwe einen Apfel holen, den sie vor dem
Schlafengehen verzehren, sehen im Traum das
Bild des Liebsten.
Der Bauer sucht in der heiligen Nacht das
Wetter und die Fruchtbarkeit des kommenden
Jahres vorauszubestimmen. Er beobachtet den
Wind der Nacht, der zwölf Losnächte überhaupt,
da dieser bestimmend ist für die zwölf Monate
des Jahres. Bekannt ist der Zwiebelkalender der
heiligen Nacht. „Auch stellt man in der Christnacht
zwölf Zwiebelschalen mit Saltz, und wird
auch jede Schal für einen Monath ausgesprochen
und in welcher Schale das Saltz schmelzt und zu
Wasser wirdt, bedeut derselbige Monat ganz
naß". Der Hahnenschrei kündet den Preis für
den Weizen an. So viel Hahnenschrei, so viel
Schilling für ein Viertel Weizen! Im Oberelsaß
herrscht die Sitte, in der Weihenacht die verschiedenen
Getreidearten in ein Gefäß zu säen.
Welche Art sich am besten entwickelt, gedeiht
auch im nächsten Sommer am besten. Blüht die
Christrose schön in der Weihenacht, so gibt es
ein fruchtbares Jahr. Eine Rose, die sich besonders
schön entwickelt bis zur heiligen Nacht, gibt
die Fruchtbarkeit des Rebgeländes an, dessen
Namen man ihr zugeteilt hat. Diese Fruchtbarkeitsorakel
fanden in manch schöner Sage ihren
Niederschlag, so insbesondere vom blühenden
Apfelbaum in der heiligen Nacht. Beim Elsäßer
sind die Hopfensprossen wichtiger als die Apfelbaumblüten
, und darum brechen diese in der
heiligen Nacht aus dem Boden hervor.
Daß man um Mitternacht den Bienen die
Geburt des Herrn ansagt, ist weithin verbreitet,
ebenso, daß Tiere im Stall sprechen und den Tod
des Bauern ansagen. Dieses Sprechen der Tiere
hängt sicherlich! nicht nur mit dem Ochs und dem
Esel zusammen, die das neugeborene Jesuskind
in der Krippe anhauchen. So mag man den Glauben
umgedeutet haben, nach dem in der vorchristlichen
Zeit unsere Vorfahren das Wiehern
und Schnaufen der weißen Rosse im heiligen Hain
vorbedeutend auslegten.
Die neunerlei Holzstäbchen, die man in der
Mitternachtsmesse bei sich trägt, um beim Umschauen
während der Wandlung die Hexen in
der Kirche zu erkennen, erinnern an die Runenstäbchen
, die weise Frauen durcheinanderwarfen,
um je nach dem Fallen der Runen und geheimen
Zeichen die Zukunft zu deuten.
Diese Volksbräuche um Weihnachten, in den
„heiligen Nächten", den zwölf Losnächten, finden
ihren Abschluß mit dem Dreikönigstag, an dem
die heiligen drei Könige, die Sternträger, das
aufsteigende Licht von Haus zu Haus tragen, ihr
altes Dreikönigslied singen und ihre Gaben einheimsen
, für die frohe Botschaft, daß nunmehr
das Licht uns wieder den Weg zeigt, das Licht,
das am Lichtmeßtag, seinem Festtag, den Sieg
mit Gewißheit errungen hat. Diesem Licht gibt
die Kirche die Weihe, den Segen, und wird damit
dem Glauben, Hoffen uhd Lieben der Menschen
gerecht. Angelika Merkelbach-Pinck
„Die Markgrafschaft"
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