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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-11-12/0017
Die Markgrafschaft

15

immer, einen hohen Schneebollen von
der rechten Sohle abzustoßen. Hedwig
fragte, was ich denn mache. „He, do lueg
emol, mit dem Bolle am Schueh chan ich
doch nit laufe", und hob meinen Fuß
hoch. Da lachte sie: „E Bolle sieh ni
kein, aber de hesch kei Absatz meh!" So
konnte ich doch auch nicht zur Probe
gehen; mein damaliger Partner im Singspiel
, der „schönere Emil", hätte mich ja
mit seinem Spott aus der Rolle gebracht.

So alarmierten wir einige Schulkameraden
, um den Verlorenen zu suchen. Da
der Mond hell schien und der gefrorene,
festgefahrene Schnee den schwarzen Absatz
nicht verschluckt hatte, fanden sie
ihn neben dem Baum, an dem ich scharf
gebremst hatte. Ich humpelte damit zu
unserem Schuhmacher Schweinlin, der
zum Glück vorn in der Waldeckstraße
wohnte, und bat ihn um Hilfe. Er
föppelte gerne und ließ mich erst
ein wenig zappeln. „Jetz isch Fiirobe,
jetz schaff ich nümme", hieß es zuerst.
Dann: „Die neumodische, fertig gehäufte
Schlurbe sin nümmi meh wert, as daß
me's in Bach keit!" Aber in seinen
Augen glitzerte der Schalk, und als ich
ihm einfach den Absatz in die Hand
drückte, sagte er: „Wemme mueß, isch
me zwunge" und nagelte mir den Ausreißer
fest, nicht ohne lächelnd zu sagen:
„So, dasch 's erst un 's letzt mol, un
choste dueht's nüt. Adjeh!"

Und dieser Absatz hielt wirklich, bis
ich den andern beim Schlittschuhlaufen
verlor. Aber bei Tag. Diesmal mußte ich
auf dem Heimweg vom Bleicheweiher
durchs ganze Städtchen humpeln. Zum
Glück war das kleine Waldeckwegle da, so
daß ich die Hauptstraße umgehen konnte. Wieder
mußte ich den guten Meister Schweinlin aufsuchen
und ihn um Hilfe bitten. Diesmal schaute
er mich nur von der Seite über die Brille an,

Marktplatz in Kandern

Federzeichnung von F. Fischer

schüttelte den Kopf und sagte: „Maidli, Maidli,
wo will das no ane mit dir, wenn du so
wyter machsch! Zeig, zieh dy Schlurbe ab. Aber
's nächst mol chost's öbbis!'

6m Flugec Jlfarctjerc

Der Schweizer Volksschriftsteller Jeremias
Gotthelf, der eigentlich Albert Bitzius hieß, war
Pfarrer im Dorfe Lützelflüh in Emmental, droben
im Berner Oberland. Er war in seinem
Charakter und seinem Wirken ebenso urwüchsig
wie in seinen Schriften.

Einem seiner bäuerlichen Pfarrkinder wurde
einmal eine Ziege gestohlen. Der Bestohlene
vermutete den Dieb in einem Nachbarn. Statt zur
Polizei oder zum Richter ging er lieber zum
Pfarrherrn, ihm sein Leid und seinen Argwohn
vorzutragen. Er bat ihn, er möge ihm doch bei
der Wiederbeschaffung der Ziege behilflich sein.
Pfarrer Bitzius sagte zu.

Am nächsten Sonntag, nachdem er die Kanzel
betreten hatte, bat er die Gemeinde, sich nun
zu setzen. Dies geschah. Gleichwohl rief der
Pfarrherr:

„Nun, warum setzt ihr euch nicht alle?"

„Wir sitzen ja alle", hieß es.

„Nein, der, welcher dem Rudi Meyer seine
Geiß gestohlen hat, der sitzt noch nicht!" rief
Bitzius energisch.

„O ja, ich sitze!" rief einer in den Bänken,
auf den nun alles schaute.

„Sitzest du? Nun, so befehle ich dir bei der
Strafe des Kirchenbanns, die Geiß dem rechtmäßigen
Herrn zurückzugeben", rief der kluge
Pfarrherr.

So war der Dieb entdeckt.

Rudi Meyer kam auf die schnellste Art wieder
zu seiner Geiß.

Pfarrer Bitzius war im Dorf seither noch
mehr geschätzt und angesehen als zuvor. b.


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