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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1955-11-12/0024
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Die Markgrafschaft

Gast auf Schloß Hohenbaden sein auf lange Zeit;
das versichere ich Euch! Die andere Gesellschaft
da treibt hinauf nach Badenweiler, wo wir sie
bei Tageslicht beschauen wollen!"

Kaum hatte der Markgraf geendet, als eine
unerwartete Bewegung in die Gruppe kam.
Einer der Schöffen hatte sich allmählich zur
Seite geschoben und glaubte, sich nun mit ein
paar raschen Sprüngen in Sicherheit bringen zu
können. Er kam aber nicht weit, denn die
Knechte des Markgrafen hatten einen dichten
Ring gebildet. Einer von ihnen stieß dem Flüchtenden
die breite Hellebarde in den Rücken, als
er auf den Haltruf nicht stehen blieb. Aufschreiend
stürzt der Getroffene zusammen. Die
Knechte schleppten ihn in die Mitte des Kreises
zurück und rissen ihm die Haube ab. Da erkannten
alle den Müller Rudi Heinzmann.

,,Der braucht keinen irdischen Richter mehr",
ließ sich der Markgraf vernehmen, laßt ihn ruhig
sterben". Und zur Grynnerin gewendet fügte er
hinzu: „Das war ein bitterer Feind, Frau Gundel!
Für die Ängste und Sorgen, die Ihr ausgestanden
habt, mögen Euch seine Güter entschädigen.
Ich will's so!" Die Doldenwirtin schickte sich an,
dem Markgrafen ihren Dank zu erweisen; der
aber wies auf einen der Waffenknechte: „Dem
da dankt! nicht mir. Kennt Ihr ihn nicht? Es ist
Berthold, der Hütebub von der Guggmühle. Ihr

habt seiner Mutter und ihm geholfen. Das hat
Zinsen getragen. Er hat Eure Hilfsbereitschaft
und Liebe reichlich entgolten". Gundula konnte
nicht verbergen, daß ihr die Tränen in die Augen
traten. Sie ging auf den Burschen zu und zog
ihn an sich: „Dank, Berthold! Tausend Dank für
Deine Hilfe. Und morgen komm zu mir. Worte
allein sind zu wenig des Dankes".

Inzwischen hatten sich die Männer zum
Heimmarsch geordnet. Je zwei von ihnen hatten
einen der Kapuzenmänner in die Mitte genommen
. Besonders gut hatten sie auf Geheiß des
Markgrafen den Neuenfelser gefesselt, der
zähneknirschend einen haßglühenden Blick auf
die Doldengundel warf. Er ahnte wohl, daß er
nichts Gutes zu erwarten hatte. Und dann gab
der Markgraf das Zeichen zum Aufbruch.
Während sich über dem Schnelling mit blassem
Licht der neue Tag ankündigte, verließ der Zug
die unheimliche Stelle. Recht und Gesetz würden
strahlend sich erheben über Unrecht, Neid und
Mißgunst wie der helle Tag über die dunkle
Nacht, so versprach es der Markgraf. Daß er zu
den Größten aus seinem Hause und Geschlecht
zu zählen ist, bewies später die Geschichte. —m

Quellennotiz: Die Erzählung ist einer Kalendergeschichte
nachgestaltet, die sich mit der Unterschrift „Hebels
Rheinländischer Hausfreund" auf einigen Blättern unbekannter
Herkunft fand.

<3ine KabtfalFur

Kürzlich las ich, daß die Herrenwelt die Mode
der Ärmelknöpfe dem alten Fritz zu verdanken
habe. Er wollte damit verhindern, daß seine Garde
den Uniformärmel als Taschentuch benützte.

Beim Lesen fiel mir eine lustige Episode ein,
die mir meine liebe alte Nachbarin erzählte,
's Kätterli ist heute schon fast neunzig Jahre alt,
aber sie hat nichts vergessen von ihrer Kinderzeit
, und erzählt mit köstlichem Humor aus jenen
Tagen, da sie und der Frieder noch Kinder waren.

Ihr Bruder, der Frieder, war ein Bub wie es
sie heute noch gibt. Immer zu lustigen Streichen
aufgelegt, aber trotzdem brav und fleißig. Nur
einen Fehler hatte er zum großen Kummer seiner
Großmutter, er hatte nie Zeit. Aus diesem Grund
hielt er es auch für unnötige Zeitverschwendung,
das Nastüchlein aus seinem Hosensack auszugraben
, denn was so ein Bub alles in seinen
Taschen mit sich trägt, ist oft unglaublich. Ehe
das „Fazenetli" an's Tageslicht kam, mußte er
zuerst Nägel, Schnur, einen farbigen Glasscherben
, einen angebissenen Apfel und ähnliche Herrlichkeiten
herausbefördern. Wozu auch so viel
Umstände! Da war es doch viel einfacher, man
fuhr sich schnell mit dem Rock- oder Jackenärmel
unter die Nase. Nur die Großmutter durfte
es nicht sehen, sonst ,,o letz, Mathiesli". Sie hatte
eine kräftige Handschrift!

Als er wieder einmal solche Schnellarbeit
lieferte, hatte er aber doch nicht genug aufgepaßt,
denn ehe er damit fertig war, kam die Hand seiner
Großmutter in „spürbare" Nähe. Zum Überfluß
war auch 's Kätterli dabei; und wurde Zeuge
der Behandlung und der darauf folgenden Standrede
, die mit den Worten schloß: „Wart numme,
du fule Lusbueb. Dir will i helfe 's Nasduech
ne. I steck der Heckedörn in Tschobeärmel, wenn
de nit weisch, wie-n-e aständige Mensch d'Nase
butzt!"

Den Frieder störte diese Drohung nicht. Er
paßte nur die nächsen Tage besser auf, wenn er
sein „Nasduech" schonen wollte, und vor dem
Kätterli genierte er sich nicht. Dieses hatte jedoch
die Worte seiner Großmutter nicht vergessen
. Eines Tages kam es keim, und hatte sein
„Fürduech" mit Zweigen der Heckenrose gefüllt.
„So, Großmueder, do hesch Heckedörn für der
Tschobeärmel vom Frieder", berichtete es.

Die Großmutter lachte, denn so wörtlich war
es von ihr nun doch nicht gemeint. Aber beim
Kätterli! Es hatte sich doch nicht umsonst die
Finger zerstochen und die Kratzer an Arm und
Bein geholt! Deshalb nahm es kurzentschlossen
eine Schere, zwickte die Dornen ab und steckte
sie pünktlich und sauber ins Frieders „Surmdig-
tschobe". Wie sie mir erzählte, mußte der Frieder
oft die Frage beantworten, wer ihn zo zerkratzt
habe. Er schob die Schuld auf den „Chatzerolli",
aber 's Kätterli sagte: „I bi immer für gründ-
lichi Arbet gsi, un d'Großmueder het vo dort eweg
nümmi froge bruche, zue was der Frieder e Nasduech
het". W.K.


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