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Die Markgrafschaft
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Ruprecht von der Pfalz. In Anerkennung der
treuen Dienste, die er dem Reich geleistet hatte,
erhielt der Markgraf dieses Privileg für seinen
Ort Lörrach. So durfte denn das Dorf, dessen für
Handel und Verkehr günstige Lage damit anerkannt
wurde, von nun an jährlich am 29. September
einen Jahrmarkt abhalten. Aus diesem Marktprivileg
entstanden für den Landesherrn wie für
den Ort manche Vorteile. — Als im Jahr 1503
das Geschlecht der Markgrafen von Hachberg-
Sausenberg ausstarb, ging auch Lörrach in den
Besitz der Markgrafen von Baden über und war
späterhin wie das ganze Land ein Bestandteil der
Markgrafschaft Baden-Durlach. Die Verwaltung
verblieb auf der Burg Rötteln.
Es mag uns heute auffallen, daß der neue
Marktflecken Lörrach nicht auch schon bald die
Stadtrechte erhielt, wie das bei anderen Ortschaften
, die das Marktrecht besaßen, in der
Regel in kurzer Zeit zu geschehen pflegte. Daß
dies nicht geschah, daß Lörrach zunächst neben
der Stadt Schopfheim im vorderen Wiesental
nicht zu größerer Bedeutung gelangte, hat
gewiß seinen Grund in den. unruhigen, Handel
und Wandel lähmenden Kriegszeiten des 15., 16.
und 17. Jahrhunderts. Es kamen der Bauernkrieg
, der Dreißigjährige Krieg und die Kriege
Ludwigs XIV., durch welche die Markgrafschaft
furchtbaren Verwüstungen ausgesetzt wurde. Die
Bevölkerungszahl ging zurück, und es herrschte
lange Zeit bittere Armut. Fremde, Kriegsvölker
brandschatzten das Land, und zu allem Übel
gesellte sich die Pest, die zahllose Opfer forderte.
1645 zählte man im Marktflecken Lörrach noch
454 Einwohner. Im Jahr 1628 bestand der Ort
aus 94 Wohnhäusern, 1648 standen davon noch
75, und auch diese hatten schwer gelitten. Aus
dem 16. Jahrhundert stehen in Lörrach nur noch
ganz wenige Gebäude: der 1517 errichtete Turm
der evangelischen Kirche, die ehemaligen Zehntgebäude
von St. Alban am Burghof, ein Haus in
der Herrenstraße und das älteste Bauernhaus .
aus dem Jahr 1563 in der sogenannten „Ufhabi",
am Fuß des Hünerberges. 1556 wurde in Lörrach
die Reformation durchgeführt.
(Schluß folgt.)
RleinFtmftt: ^cief von Hermann 3lbced)t
Erinnerungen an den Dichter des „Präzeptorats vikari"
Er war nicht nur ein Original, der Kemser
Pfarrherr Hermann Albrecht, von dem wir
einen bisher unveröffentlichten Brief mitteilen
wollen, er war auch — nach dem Urteil eines
Kenners wie Wilh. E. Oeftering (Geschichte der
Literatur in Baden III, S. 66) — „der beste und
echteste Schüler Hebels vor Burte". Seit dem
Jahre 1906 ruht er neben seiner Gattin, die eine
Lahrerin war, auf dem Gottesacker von Lahr-
Dinglingen. Bereits 1893 war er von seinem
letzten Wirkungsort Laufen nach Dinglingen
übergesiedelt. Vorzeitig mußte er — krankheitshalber
— in den Ruhestand treten. Als er nach
Dinglingen kam, waren seine Lahrer Dichterfreunde
schon tot. Ludwig Auerbach, der Sänger
des Schwarzwaldes, war bereits 1882 gestorben,
Friedrich Geßler, einer seiner getreuesten
Freunde, folgte 1891. Einmal hat ihn in Dinglingen
sein Dichterfreund, der Dekan Otto Raupp,
besucht (1867—1945). Er gab uns in seinen Erinnerungen
ein treffliches Bild von Albrecht:
„Lebendig steht vor mir die alemannische Hünengestalt
mit dem Samtkäppchen auf dem Kopf,
sein leuchtendes Auge und sein auf dem Grund
seines Herzens urfröhlicher Sinn. Nicht minder
höre ich noch seine kraftvolle Stimme. Unvergeßlich
ist mir mein letzter Besuch in seiner laubumsponnenen
Wohnung in Dinglingen".
Seine schönsten Jahre hat Albrecht in Klein-
kems verlebt. Dort schrieb er die Erzählungen,
die ihn berühmt gemacht haben: den „Präzeptorats
vikari4 4 (die Liebe Hebels zu Gustave Fecht
darstellend) und die „Häfnetjungfer", die berichtet
von der Liebe des badischen Historikers
J. D. Schöpflin zur stolzen Markgräflerin Kunigunde
. Aus der Kemser Zeit stammen auch die
elf Briefe, die Albrecht in den Jahren 1878 bis
1884 an seinen Lahrer Freund, den Röhrle-
Dichter Friedrich Geßler, schrieb. Unser Brief
schildert das idyllische Leben Albrechts in seinem
geliebten Kleinkems. Geben wir dem damals
43jährigen- Dichter das Wort; seinen 32jährigen
Lahrer Freund nannte er den „Landvogt".
„Kleinkems, 19. Juni 1878
Mein lieber Landvogt! Herzlichen Dank für
Deine Zeilen. Gescheiter wärs übrigens gewesen,
Du hättest am Pfingstsonntagmorgen Deiner
kleinen Frau Land vögtin ins Ohr gebustert:
„Heut geht's nach Kleinkems!" Ich hatte einen
Extravorderschinken für mögliche Pfingstgäste
parat, meine Frau hatte auch sonst noch etwas
parat: Ich verrenkte mir in der Woche vor
Pfingsten beim Spargelstechen mein Rückgrat.
Siehe da! Kein Mensch kam! So biß ich in der
Wut meiner Verlassenheit den Spargeln solo die
Köpfe ab, verzehrte den „Hammestrumpf" in
aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit einsam und
alleine bis auf die letzte Faser und trank mein
Kemser Schöppli stillvergnügt wie ein Maikäfer.
Es ist schön hier, trotzdem „Jupiter pluvius" sich
so heimtückisch zeigt, wie noch nie. Grüne Berge,
bis auf die höchsten, waldreichen Gipfel mit
Reben bewachsen, blauer lachender Himmel
genug — wenn's nämlich nicht regnet oder
nebelt —, blaugrüne Rheinflut, hohes wildes
zerrissenes Felsgeklüft von hier bis Istein, drüben
im Elsaß der weite Hardtwald, und dahinter, in
langen schönen! Linien, die Vogesen; rechts hinauf
der Jura und die Vorberge der Schweiz; mittendrin
ein auf Felsen thronendes Pfarrschlößlein,
aus Reben, Gärten, Holderbüschen und Nußbäumen
emportauchend, wie ein Büebli, das den
Kopf über den Busch hebt und „Gugguseli" ruft!
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