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Die Markgrafschaft
„Da läßt sich dichten und träumen!" denkt
Euereiner. Ja prosit! Keinen Vers! Es ist mir im
Traum nicht eingefallen, seit ich hier bin, Reime
zu schmieden . . . Ich kneipe wie Perkeo und —
faulenze! Der Dienst hier ist so leicht, daß man
kaum inne wird, daß man ein Amt hat. Sonntags
Predigt und Christenlehre, und in der Woche
zwei Religionsstunden, voilä tout!
So laufe ich in den Reben herum. Ich habe
neun Hufen Pfarreben, suche Jaspis. Schade, daß
man sie nicht im Wasser weich bringt, es gäbe
schönen Schwartenmagen, bummle auf den
Rheininseln herum, gehe nach Rheinweiler oder
Efringen, nach Basel oder Freiburg, schnupfe
Tabak und spalte Holz. Abends, wenn der Blan-
singer Kollege daherrumpelt, hängen wir die
Zunge ins Weinglas in der ,,Blume", dem schönsten
Wirtshüsli, das Menschenverstand ersinnen
kann.. . Wer hätte da Zeit zum Versemachen!
Wenn ich hie und da Dich ablösen könnte, nur
eine Stunde Reichsgeld einnehmen dürfte (Freund
Geßler war Bankdirektor), so wäre mein Glück
vollkommen, etwa nur so alle 14 Tage einmal!
Auerbach wird hoffentlich nicht vorbeisausen
und Euereiner doch auch einmal luegen wo mer
sin! Die Frau Landvögtene wird z'friede werde,
schick sie emol uf hie. Jetz chunnt de Blansinger
scho wieder, un us de „Blueme" stigt e süeße
Duft!
B'hüeti Gott un e Grueß an die g'streng Frau
Vögtene!
Dein A. H. A." (Anton Hermann Albrecht)
In ebenso humorvoller Art sind auch die anderen
Briefe, die sich im Besitz von Fräulein
Irmingard Geßler, der Tochter Friedrich Geßlers,
befinden, abgefaßt. Voll Trauer freilich ist der
Brief vom 27. Juli 1882, geschrieben nach Ludwig
Auerbachs Heimgang. Am Kleinkemser Pfarrhaus
erinnert eine Gedenktafel an das Wirken
Albrechts in diesem schönen Dorf am Oberrhein.
Es wäre wohl angebracht, in Dinglingen, wo jetzt
viele neue Straßen erstehen, auch einmal eine
Straße nach dem Dichter des „Präzeptoratsvikari"
und des „Maje us em Oberland" (erschienen bei
Moritz Schauenburg in Lahr) zu benennen oder
aber eine Gedenktafel an Albrechts Sterbehaus
in Dinglingen (Eisenbahnstraße 24) anzubringen.
Während das Gedächtnis an Friedrich Geßler,
Ludwig Eichbrodt und Auerbach durch Straßennamen
festgehalten ist, wurde Hermann Albrecht
bisher vergessen. Emil Baader, Lahr
Ueuer tüte ^ute
,,Teuer wie Zucker", pflegte man in der guten
alten Zeit zu sagen, wenn man den Gipfelpunkt
der Kostspieligkeit ausdrücken wollte. Und vielleicht
kann sich mancher unter uns Alten schöner
Ferien auf dem Lande entsinnen, die er bei einer
lieben, wohlmeinenden Großmutter verleben
durfte. Mit allen erdenklichen Leibspeisen bereitete
sie den unternehmungslustigen Mägen der
Enkel ein kleines Schlaraffenland und sogar der
„Schnitzsack" mit den braunen süßen Hutzeln
hing handlich zum Stibitzen in der Kammer auf-,
gehängt. In einem Punkte aber verstanden diese
Großmütter von damals keinen Spaß, wenn
nämlich mit einem allzutiefen Griff in die
Zuckerdose die Grenzen wohlanständiger Bescheidenheit
überschritten wurden.
Erst viel später gingen einem die Zusammenhänge
solch scheinbarer Widersprüche auf. Die
Jugend dieser Großmütter reichte in eine Zeit
zurück, wo es in Deutschland nur1 wenige Zuckerfabriken
gab, und das Wort ,,teuer wie Zucker",
das auch heute keine ganz leere Redensart ist,
war damals erst recht bittere Wahrheit. Und
wiederum die Großeltern unserer Großeltern
erzählten diesen Kindern von der Zeit um die
Jahrhundertwende, da ein Pfund Zucker einen
Taler kostete. Damit konnte eine ganze Familie
ein paar Tage gut leben bei den damaligen Geid-
verhältnissen. Kein Wunder, daß man sparsam
damit umging und besonders auf dem Land der
Zuckergenuß als eine Art leichtfertige Verschwendungssucht
angesehen wurde. Gesüßt
wurde mit Honig und Sirup aus Süßholz und
sonstigen zuckerhaltigen Ingredienzen.
Notzeichen wie die Kontinentalsperre waren
es, die darauf sinnen ließen, wie man aus einheimischen
Produkten einen billigeren und doch
vollwertigen Zuckerersatz schaffen könne. Auch
unsere Hausfrauen haben noch vor wenigen
Jahren in der Kriegs- und Nachkriegszeit dieses
Problem mit mehr oder weniger Geschick gelöst.
Schon im Jahre 1791, als durch den Sklaven-
aufstand von San Domingo der Zucker rar und
teuer geworden war, hatte man Versuche gemacht
, vor allem auch in Baden das Problem zu
lösen. Man entsann sich zunächst einer Erfindung
des Berliner Chemikers Markgraf aus dem Jahre
1747, auf deren Grundlage sein Schüler, der
Badener Achard, weiter arbeitete, nämlich den
Gewinn von Zucker aus der einheimischen
Runkelrübe. Andere Versuche befaßten sich mit
der Herstellung von Zucker aus Welschkornstengeln
, die aber keine höhere Ausbeute lieferten
. Der Naturwissenschaftler Carl Christian
Gmelin, Sohn des genialen Badenweiler Pfarrers,
dem Hebel als „Chrüterma" ein Denkmal gesetzt
hat, berichtet, daß in Baden daran gearbeitet
würde, Zucker aus dem Saft des Ahorns zu gewinnen
. Auch die Manna-Esche hielt Gmelin
für geeignet. Doch kam man immer wieder auf
die durch Umzucht verbesserte Runkelrübe zurück
. Und nun war es vor allem Napoleon, der
die Fabrikation mit allen Mitteln förderte, um
einen Ersatz für den ausländischen Rohrzucker zu
schaffen. Er bestimmte 32 000 Morgen Ackerland
zum Anbau, und ließ auch Anerkennungspreise
verteilen. In jenen Jahren, um 1813, bestand ein
kleiner Fabrikbetrieb in Sulzburg außer wenigen
anderen in Süddeutschland. Rebstockwirt Grether
erhielt vom Schloßgut Heitersheim einige Morgen
Ackerland zum Anbau von Zuckerrüben. Der
von Grether hergestellte Zucker soll den der
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