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Nr. 3/1956
Monatszeitschrift des Hebelbundes und des Sdiwarzwaldvereins
8. Jahrgang
Franz Schneller
2Ulelujat), fdjöner Wocgen!
Wieder umfängt das österliche Licht mit Vertraulichkeit
und Liebe alle Schöpfung. Die Frühlingsstürme
haben sich in die Bälge der Orgeln
zurückgezogen. Dort erheben, stärken sie uns
und machen uns größer. Die Vögel warten nur
darauf, ihr Wort an uns zu richten, das wir wörtlich
nicht verstehen, aus dem wir aber die große
Hoffnung spüren und das brünstige Sehnen, mit
dem das Männchen nicht nur das Herz des Weibchens
rührt, sondern auch unser Herz und das
Herz des Einen, in dessen warmer Hand wir alle
nisten.
Die gemeinsame Sprache alles dessen, was
lebt, ist das Lächeln geworden; denn unter dem
gewöhnlichen Leben ist des Lebens tiefste
Quelle erwacht. Die Kinder singen. Die Mädchen
singen. Singen die alten Lieder, Weisen, die sie
sich selbst gemacht zu haben scheinen.
Die unsichtbaren Hände des Frühlings spielen
in blauer Luft mit Rauch. Sie winken uns mit
seinen Schleiern, knoten, lösen sie und lassen sie
langsam verwehen in seliger Vergänglichkeit, die
doch nichts anderes ist als ein Verwandeln in
andere Gestalt des Daseins, das nie erlischt. Hat
dieses Spiel nicht auch noch einen tieferen Sinn?
Dieses Hinüberwehen vom Sichtbaren ins Unsichtbare
? Dieses in einem höheren Sinne Verweben
des einen mit dem andern? Mit dieser
Erleuchtung beschenkt uns der Frühling. So entsteht
die wahre Weisheit, die nichts anderes ist
als die in erhabenen Augenblicken mit dem Herzen
verstandene Welt.
Nach dem Wehen des Rauchs ein Geschwaderflug
von Tauben, das sich so still begibt, als vollzöge
es sich im eigenen Spiegelbild. Mit der
Gesetzmäßigkeit eines Sonetts schreiben die Tauben
; ihre Reimzeilen in laue Luft. Mit Schwingen,
abwechselnd hell bestrahlt und wieder überraschend
beschattet. Sind es vierzehn Reimzeilen,
die ihre Schwingen schreiben? Und wieviel Tauben
sind es? Wer vermöchte, mitschwingend im
Jubel, sie zu zählen? Denn in diesem beseligten
Hin und Her gibt es nur ein Verweilen in der
Musik des Flugs, kein Anhalten und Zerteilen...
Da, wie in Andersens Märchenwelt, erwachen
nun plötzlich die blauen Hemden und die Schürzen
der Bauernwäsche im Grasgarten, an der
Leine, zu geschöpflichem Leben, blähen leicht
sich auf, als dächten sie daran, zu entschweben.
Vielleicht hat sie der Duft vom Wein eines ausgetropften
Fasses, der einem Kellergewölbe, ganz
nahe, entströmt, ins Schwingen versetzt. Jedenfalls
schaukeln und schunkeln sie alle voll froher
Laune. Warum sollte nicht alles auf ihm eigene
Weise von Bewegung ergriffen sein, hinein ins
Jahr des Blühens und Gedeihens, von dem jede
einzelne Knospe spricht?
Alle Blicke legen am Himmel ihre Leiter an
und jubeln an ihr hinauf. Falter, vom Winter
eigens dafür aufgespart, in verborgenen Ritzen
unter Moos desi Anrufs harrend, sind plötzlich da,
flattern, uns zu entzücken, halb noch in Narkose,
zwischen Verschlupf und frühem Grab. Auf zarten
Beinen zwischen röschem Laub zittert das
Windröschen in Chören, angetreten zum großen
Ballett. Denn so will es der große Geist, daß in
unübersehbarer Fülle sein Wille sich erfülle. Ist
nicht gar ein feiner Humor sein übermütiges
Wort, der in goldenen Kugeln die Blüten des
Winterlings selbst über den Kies der Gartenwege
rollen läßt?
*
Im Kurpark von Badenweiler — gutzahlende
Gäste können dies erwarten — tritt der Frühling
in Majestät hervor. Zwei Schwäne tragen ihn
mit den hochgestellten Segeln ihres Gefieders
übers Wasser des kleinen Sees, die Schnäbel zum
Himmel erhoben. Sie singen das Duett ihrer
Liebe. Temperamentvoll der Schwan, in wirksam
wiederholten Tönen. Einen halben Ton tiefer,
die heldische Gattin, gemäß uralter Lohengrin-
tradition.
Mit Flügelschlag begleiten sie selbst ihren
Weihegesang, beugen gleichzeitig ihre sich wellenden
Hälse, richten edel sich wieder auf, den ganzen
Leib gespannt, schwimmen, unter Gesang sich
immer wieder gregorianisch verbeugend, bis sie,
in nachdenklichem Schweigen, als beruhigtes
Paar, schneeweiß und weise, mit den Wellen, die
um sie sich weitend, der Weite verkünden: der
Frühling ist da!
Aber, des Frühlings erlauchteste Boten sind
in unseren Breiten: die Störche. Immer noch
tragen sie die Farben des Reiches Schwarz-Weiß-
Rot. Ohne deswegen ihr Winterreich als Kolonialland
zu betrachten, verbringen sie das halbe
Jahr in Afrika. Voll Heimweh natürlich. Denn
nirgends finden sie es so schön, wie am Oberrhein
. Sie sind uns heilig als die jungen Erzengel,
die Glaube, Hoffnung und Liebe erwecken. Sie
spielen mit ihren Castagnetten allem, was fliegt,
zum Tanze auf.
Auf Kirchen und Rathäusern (wo denn sonst?)
ist ihnen das Nest bereitet. Dort überwachen sie
Taufe und Eintrag des Kindersegens. Im letzten
Jahr hat ein Storchenpaar sogar die Universitätsbibliothek
zu Freiburg angeflogen. Flugs hat
man ihm eine Krone geflochten, in der es in die-
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