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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1956-03/0009
Die Markgrafschaft

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Neben den in einem Stadtwesen üblichen und
notwendigen Gewerben finden wir in Neuenburg
vor allem das eines Fischers. 1481 wird in einer
Verkayfsurkunde ein Wernlin Bachagel der
Fischer mit seiner Ehefrau Elsi genannt; 1499
Hans Bachlin der Fischer mit seiner Ehefrau
Dorothea, passende Namen für Fischer, wenn
auch der Bach, in dem sie fischten, etwas groß
und reißend geartet* war. Als Neuenburg durch
der Zeiten Ungunst seine Bedeutung als Handelsstadt
verloren hatte, war es dieses Gewerbe, das
den Menschen noch einigen Verdienst brachte.
Die Zunft der Fischer und Schiffer „zum Riesen"
erfaßte die Genossen links und rechts des Rheines
; ihre Reichweite überschritt also den örtlichen
Rahmen.

Auch die Fischer hatten stets einen harten
Kampf zu führen, um ihre Rechte zu erhalten.
Nach 1715 hatten sich die dauernden Streitigkeiten
mit den benachbarten Gemeinden verschärft
. Während des Jahrzehnts zwischen 1704
und 1714, in dem die Stadt völlig unbewohnt in
Trümmern lag, war bei den Nachbargemeinden
die Gewohnheit aufgekommen, im Bann der
Stadt nach Belieben zu schalten und zu walten.
Eine üble Gewohnheit wieder abzulegen ist bekanntlich
schwerer, als diese anzunehmen. Als
die Neuenburger nach ihrer Rückkehr wieder
ihre alten Rechte gewahrt sehen wollten, machten
sie sich nur unbeliebt. Die Aktenstöße, die
von solch „Nachbarlichen Spännen" berichten,
sind äußerst zahlreich.

Einer von ihnen liegt hier vor.

Am 17. Juli 1778 erschienen die Fischmeister
und Bürger zu Neuenburg Johannes Litschgi
und Joseph Krozinger vor dem Geheimen Hofrat
Groos von der Markgräflichen Verwaltung zu
Müllheim und trugen folgende Klage vor:

„Sie hätten am verwichenen Samstag oberhalb
Zienken in den ihnen im unstrittigen Rhein
Bezirk zuständig liegenden Fischkasten Fische
gethan, desgleichen auch im strittigen Bezirk ein
Garn ausgespannt und hierein ein Wartlof zum
Fischfange gelegt".

Man glaubt, die Jünger Petri zu sehen, wie
sie voller Genugtuung über ihrer versorgten
Beute den Deckel des Fischkastens zuklappen
und rasch noch einen Wartlof auslegten, damit
sich einige Fische darin fangen sollten; denn es
ist immer angenehm, im Zustande einer Hoffnung
zu leben. Umso schwerer traf sie das Erlebnis
des andern Tages.

„Als sie nun am verwichenen Sonntag abend
hiernach sehen wollten, so hätten sie gefunden,
daß die Fische ihnen alle gestohlen worden".
Die enttäuschte Hoffnung treibt mehr zur Rache
als der Verlust der Beute. Sofort machten sie sich
auf, den Täter zu suchen. Nicht weit von dem
beraubten Fischgarn trafen sie ein verdächtiges
Subjekt an. Es war einer aus der Schar der
Namenlosen, ein Knecht des Fridlin Schmidt aus
Zienken. Der gerechte Zorn entwickelte detektivischen
Scharfsinn in den betrogenen Fischern.
Wehe ihm, sie entdeckten Fischschuppen an seinem
Rock! Sie schleppten den Knecht zum Stabhalter
von Zienken, allzu sanft wird es dabei
nicht zugegangen sein. Außerdem war er ja nur
ein Knecht. In Zienken kam er so eingeschüchtert
an, daß er dem Stabhalter sofort seine Missetat
gestand. Es war so völlig nach dem Brauch der
Welt zugegangen, daß es uns mit Ingrimm füllen
müßte. Der Knecht war mit den Ochsen am
Rhein gewesen. Voraussichtlich war dies auch
eine der oben erwähnten üblen Angewohnheiten
gewesen, das Vieh auf anderer Leute Weide zu
führen. Aber schließlich handelte es sich dabei
ja um „ausländisches" Eigentum, und dafür
gelten andere Gesetze der „Moral". Da kam ein
Müllheimer namens Bertschin, im Protokoll mit
„Herr" bezeichnet, zu ihm, von einem Zienkener
Bürger, dem sogenannten Weber Heuri, der
eigentlich Heinrich Müller hieß, begleitet. Sie
hatten das Wartlof gefunden und hatten ein
doppeltes Gelüsten verspürt: 1. nach den billigen
Fischen, die aber letzthin doch recht teuer wurden
, und 2. nach dem Streich, den sie den wenig
geachteten Neuenburgern spielen könnten, den
„Ausländern", die nie Ruhe gaben und behaupteten
, man habe ihnen ihre Rechte und große
Stücke ihrer Gemarkung gestohlen. Außerdem
sollten sie erst beweisen, ob sie überhaupt das
Recht hatten, hier zu fischen und einen Wartlof
auszulegen. So betrachtet ist es überhaupt kein
Diebstahl, denn zuerst haben ja die Neuenburger
Fischer die Fische gestohlen: es ist also nur
eine Tat der ausgleichenden Gerechtigkeit. Damit
war das bürgerliche Gewissen überlistet. Für
alle Fälle aber kam dieser Knecht zu günstiger
Zeit, wie ein Zeichen des himmlischen Einverständnisses
mit ihrer „guten" Tat. Sie überredeten
den Knecht für das Versprechen von vier
Kreuzern, die Fische herauszunehmen und in die
Wohnung des Bertschin nach Müllheim zu bringen
. Die vier Kreuzer erhielt er nie. Er tauschte
dieses eine Versprechen gegen das andere auf ein
Glas Wein ein. In Wirklichkeit offerierte ihm das
Fatum nur einen Krug Wasser, und der stand in
seiner Gefängniszelle zu Müllheim.

Doch wir greifen hier vor.

Das Oberamt Müllheim leitete mit folgendem
Schreiben nach Zienken das Verfahren ein:

„Lieber Stabhalter! Ihr habt des Friedlin
Schmid Knechts auf morgen — den Samstage,
Vormittags um 11 Uhr anhero zu schicken und
zugleich zu berichten, was derselbe euch in Ansehung
eines Fisch Diebstahl eingestanden habe.
Den sogenannten Weber Heuri habt ihr ebenfalls
anhero zu schicken,' aber auf die Art, daß dieser
nicht erfahrt, daß des Schmids Knecht auch citirt
seye. Nicht weniger habt ihr zugleich in dem
Bericht zu melden, ob es würklich an dem seye,
daß in dem strittigen Territorio die Neuenburger
und Zienkener Fischer ohne einander zu hindern,
gleichmäßig fischen. Müllheim, den 17. Juli 1778.
Oberamt: Groos".

Die Antwort brachte anderntags einer der
Vorgeladenen mit:


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