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Die Markgrafschaft
„Hochfirstl. Hochlöbliches oböramt! Das Hoch-
firstliche oböramt Wirt under denigst berichtet
Wegen der fischerrey zwischen neienburg und
Zienckhen das von imör dencklichen Zeiten Mir
zienckhemer im dem neienburger ban alle Zeit
mit und neben ihnen gefischt haben Weillen Mir
nebst mit anderen Erteren in die fischer Zunft
von uhr altem her ein geloßen Worten und wan
die Zunft nicht alle Jahr gehalten Wirte, so
Misten Mir Welche Meister angenommen Worten
sein doch das Meister gelt von 10 kr. in die Zunft
schicken.
so haz das fritlins schmits Knecht bei mir
bestanten das ihme der Hannes bresche von Mil-
heim 4 kr. versprochen habe, er solte ihme die
fisch auß dem Wartlauf nehmen und iber bringen
und nach dessen Knechts außsage hab der Heinerich
Miller ihne geheißen, er solte die fisch nehmen
sie seien in unsrem bohn. Er es der Miller
nicht gestehen Wolle das er ihne geheißen habe
die fisch zu nehmen er seie nur vorbei gegangen.
Wirt ein solches alles einem hochfirstlichen oböramt
ohne Masgeblich ybär loßen.
Zienckhen dten 18ten July 1778
under denig und breit Willigster
Martin Dentzer stabh.
Schlagen wir nun das Protokoll des umständlichen
Verhörs auf.
Auf die Frage nach seiner Person, entwirft
er sein Lebensbild. „Georg Senn, von Riechen
bey Basel gebürtig, 40 Jahre alt, reformierter
Religion, ledigen Standes, habe ungefehr 40 kr.
im Vermögen unter Vogtmannschaft Hß Jacob
Martins daselbsten, seye erst acht Tag vor der
Ernd zu Zienken in Dienst gekommen". Zweite
Frage: „Ob er denen Neuenburgern am verstrichenen
Sonntag Fische aus einem Wartlof
und Kasten gestohlen?" Er bestätigt die Angabe
der Fischer und gestaltet das Bild der Tat noch
lebendiger: Die Verführer hätten gemeint, „er
wäre ein fremder Kerl, dem es keinen Nachtheil
bringe. Er habe sich dann überreden lassen und
seye durchs Wasser gewatten und habe die Fisch
genommen, aber nicht mehr als sechs kleine
Stuck davon bekommen, indeme die andern
durchgegangen, weil er mit den Fischen nicht
habe umgehen können".
So war doch wenigstens dabei den entschwom-
menen Fischen wohl getan. Vielleicht wäre noch
zu erwägen, — vom Standpunkt der Fische aus —
ob nicht der Gott der Fische für die ganze
Fügung bis hierher verantwortlich zu machen
wäre. Für das, was mit den erwischten Fischen
weiter geschah, könnte man diesen selbst die
Verantwortung zuweisen, wären sie nicht verspeist
worden und hätten sich auf diese Art dem
Arm der Gerechtigkeit entzogen. Hätten sie sich
nicht erwischen lassen, wären keine Fischschuppen
am Gewand des Knechtes zu finden gewesen.
Wer Lust dazu verspürt, kann diesem Weg des
Wenn weiter folgen. Wir wenden uns dem armen
Sünder wieder zu. Vom Menschen aus gesehen
war er es, der vorerst vor dem Richter stand.
Das Protokoll fährt fort:
„Er habe solche dem Bertschin zugestellt, er
ihm gleichwohl nichts bezahlt, sondern zu ihm
gesagt habe, er solle einmal zu ihm kommen, er
wolle ihm ein Glas Wein davon geben. Der so
genannte Weber Heuri habe auch gehört, daß
der Bertschin ihm zugesprochen, die Fische zu
langen".
„Der Knecht wurde in Verhaft gesetzt auch,
da Hanß Bertschin der Citation ungeachtet nicht
erschienen, wurde Canzley-Bott und Thurnhüter
Leuenberger nach ihm abgeschickt".
Als der Turmwächter Bertschin brachte,
wurde auch er nach seiner Person befragt. Seine
Angaben sind kurz:
„Johannes Bertsch, Burger allhier, 52 Jahre
alt, nähre sich von seinem Gut und habe vier
Kinder".
Er gab den Vorgang zu. Als Entschuldigung
gibt er an, daß der Wartlauf im Zinkener Bann
gelegen sei. Die Fische seien in seinem Hause am
gleichen Abend noch von seiner Frau gebraten
worden. Es seien sechs oder sieben kleine Fische
gewesen. Er selber habe nichts davon versucht,
die beiden, die mit ihm in Zienken gewesen,
hätten sie verzehrt. Dabei wird noch ein anderer
Müllheimer Bürger als Mitwisser genannt:
„Johannes Wullin, verwittibter Burger allhier,
53 Jahre alt". Seine Aussage ist• ein Beispiel der
Doppelzüngigkeit: „Will nicht auf sich kommen
lassen, dem innhaftirten etwas versprochen zu
haben, daß er die Fische nehmen solle, sondern
der sogenannte Weber Heuri von Zienken, den
er gefragt, was diß vor Fische seyen, habe geantwortet
: sie gehören den Neuenburgern, man
sollte sie ihnen nehmen! und da möchte es seyn,
daß er dem Knecht auch gesagt habe, er möchte
sie holen; versprochen aber habe er nichts". Die
Fische seien auch nur daumensdick gewesen. Er
sei dann gerade dazugekommen, wie Bertschins
Frau die Fische zubereitet hätte, „weshalb er
auch etwas davon gegessen". Er und Bertschin
seien Nachbarsleute.
Inzwischen war auch Heinrich Müller von
Zienken herbeigeholt worden. Das Protokoll bekommt
Farbe.
„Heinrich Müller von Zienken wollte nicht
zugeben, gesagt zu haben, man sollte den Neuenburgern
diese Fische nehmen, sondern will nur
soviel gesagt haben: wenn die Zienkener es wüßten
, so dörften sie solche wegnehmen, weilen sie
auf Zienkener Markung seyen". Zur Erläuterung
gibt er an, daß das Fürst!. Oberforstgericht vor
einigen Jahren beim Forstfrevelgericht befohlen
habe: „wenn man Fische Neuenburger auf der
Zienkener Markung an der Riße sehe, soll man
sie ihnen wegnehmen".
„In Confrontatione mit dem innhaftirten
Knecht hielt dieser dem Heinrich Müller ins
Gesicht vor, daß dieser die Reede gesagt, daß die
Fische den Neuenburgern gehören, man sollte
sie ihnen nur nehmen, und das Wasser seye nur
Knies tief. Heinrich Müller aber bliebe auf dem
Wiederspruch".
Nun taucht ein neuer Zeuge auf, und die
Personenfrage klärt sich. Bertschin war mit seinem
Taglöhner Hieronimus Zimmermann von
Müllheim her unterwegs gewesen. Wullin und
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