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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1956-04/0008
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Die Markgrafschaft

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Ein Schultheiß sollte über alle Versuchungen
erhaben sein, er müßte als ein Muster der Ehrsamkeit
vor seinen Untertanen bestehen. So
•nimmt es unser harmloses Gemüt an, da uns dies
einer der Grundpfeiler der bestehenden Weltordnung
zu sein scheint. Wenn dieser Schultheiß
aber nun auch voller Fehl wäre? Sollen wir davon
angenehm berührt sein, den Erhabenen gleichermaßen
wie wir in Schuld verstrickt zu sehen;
oder sollen wir uns verletzt fühlen in der Vorstellung
, die wir uns von der Obrigkeit gemacht
haben? Lassen wir die Frage offen und stellen
die Beantwortung einem jeden selbst anheim.

Wir erfahren die Geschichte vom sündigen
Schultheißen zu Dessenheim durch den Professor
Eberenz, den Pfleger der Rheininseln, den Bewahrer
v. ö. Landes vor Wassersnot, dessen Name
wir im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts stets
hören, wo von Rhein, Inseln, Wuhr, Faschinen,
Pfählen und „brenn gestripp Holtz" die Rede ist.

Er reichtf am 21. August 1770 an die Regierung
zu Freiburg) einen ausführlichen Bericht- ein.

„Der Schultheiß Geiger zu Dessenheim im
Elsaß machte dieser Tägen das Ansuchen an den
Schultheißen Weiß, seinen Vättern zu Fessenheim
, auch im Elsaß, daß dieser letztere ihm,
Geiger, das Vätterstuck erweisen und durch die
Fessenheimische Burger Georg und Johannes
Schönauer 25tausend Erndtbande in den diesseits
gelegenen Rhein-Inseln schneiden lassen möchte".

Das Vätterstuck! Es ist eine schöne Sache,
wenn Vettern zu gegenseitiger Hilfe bereit sind;
es spricht gesunder Familiensinn daraus. Dieses
Vätterstuck aber, das hier begehrt wird, einte
zwei Schelme.

„Der Fessenheimische Schultheiß Weiß traf an
dem Rheinufer die beyden Georg und Johannes
Schönauer an, kaufte denselben gesammeltes
Rheinholz ab und sprach sie an, ob sie nicht
möchten für den Schultheiß Geiger zu Dessenheim
25tausend Erndtband schneiden, wenn er
ihnen zwey Sols für das Hundert bezahlte".

Damit sind auf fast klassische Art die Fäden
geschürzt. Die Bösewichter haben unter der
Maske der Ehrbarkeit ihr Spiel eröffnet.

„Die Schönauer nahmen die Bedingnuß an
und trugen kein Bedenken, weil der Schultheiß
den Auftrag machte, sowohl in den Fessenheimischen
als benachbarten Inseln alles haarklein zusammen
zu hauen, was ihnen unter das Messer
kam und schnitten über die 25 Tausend Erndt
Band, wie sollches Mathis König zu Fessenheim,
Anton Schwäble, Michel Vonthron und Schuhmacher
Baltasar, Burger zu Grüßenheim, bestätigten
".

Ob die Schönauer unschuldige Opfer der Übeltäter
waren oder nicht besser als Mitverschworene
betrachtet werden müssen, mag dahingestellt
bleiben. Sie liebten es, nach dem im Rhein
dahertreibenden Holz zu fischen. Dies war sicher
eine vergnügliche Beschäftigung; man konnte dabei
an der Grenze nicht nur nach Holz ausspähen.

Es ist wohl anzunehmen, daß unsre Schultheißen
die beiden „Fischer" kannten. Auch Professor
Ebefenz hat alle vier durchschaut. Es spricht ein
echtes Wohlbehagen, ein wirklicher Humor aus
diesem amtlichen Bericht.

„Die Schönauer lieferten Nächtlicher Weil
beym Mondschein die geschnittenen Erndtband
über den Rhein und an die versprochene Behörde.
Davon sollen empfangen haben erstl. der Schultheiß
Geiger zu Dessenheim 9400, hernach der
Postmeister zu Fessenheim 600, der Schultheiß
zu Fessenheim 2000. Die übrigen* sollen nacher
Blodelsheim an die Vättern des Fessenheimer
Schultheißen Weiß geliefert worden seyn".

Das Spiel nähert sich seinem Höhepunkt. Die
Kräfte des Guten treten in der Person des Bürgermeisters
Forster auf die Szene und nehmen
den Kampf gegen die Gewalt des Bösen auf.

„Als diese 10 000 Erndtband, welche an den
Schultheiß Geiger zu Dessenheim bestimmet
waren, Nachts um die 12. Uhr durch Fessenheim
geführt wurden, ging es so still nicht zu, daß es
der Fessenheimer Burgermeister Franz Joseph
Forster nicht gewahr nehmen mußte, er ließ die
Wägen sogleich anhalten und fragte: woher und
wohin diese Erndtband geführt werden sollten.
Da er aber zu vernehmen hatte, daß diesei Erndtband
dem Herren Nachbarn Schultheiß Geiger
zu Dessenheim und daß sie auf Verordnung des
Fessenheimer Schulzen Weiß geschnitten worden
seyen, wolte er, Burgermeister Forster, die Sach
nicht allein über sich nehmen, ließ die Wägen
fort und bis an des Schultheißen Hauß zu Fessenheim
fahren, denselben aus dem Schlaf aufwek-
ken, um seine dießfällige Verordnung zu vernehmen
.

Der Schultheiß Weiß zu Fessenheim fragte die
Fuhrleute nur, woher sie diese Erndtbande brächten
und wem sie zugehörten; und als er vernahm,
daß sie von den Schönauern aus den Rhein-Inseln
kämen, auch dem Herren Geiger, Schultheißen
zu Dessenheim, zugeführt werden sollten, befahl
er, Weiß, als Schultheiß dem Burgermeister Forster
, diese Wägen frey und ungehindert passieren
zu lassen".

Das Böse seheint in der Maske der Gerechtigkeit
zu triumphieren. Da erhält die Seite des
Guten Verstärkung durch die aus dem Schlaf
gerissene Bürgerschaft, die in Nachtgewändern
auf der Gasse und an den Fenstern mit Faust und
Stimme sich an der Auseinandersetzung beteiligt
und siegreich bleibt.

„Die Sache könnte nicht so stille vorbeygehen,
daß nicht einige Burger zu Fessenheim aus ihrem
Schlaf aufgewecket wurden: das Zanken und
wiedersprechen des Burgermeisters und Schultheißen
wurde so laut, daß meher Burger dazu
liefen und als selbe die Umstände der gestohlenen
Erndtbande vernahmen, wollten sie nicht
zugeben, daß die Wägen frey passieren sollten:
Sie mußten also auf Verlangen des Burgermeisters
und der burger in Fessenheim übernachten.


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