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Schwarzwald-Verein
Ortsgruppe Müllheim-Badenweiler e.V.
Doriteutfdje Ofolänbenamen um ^abentDeflec
(Schluß)
Nach den bisher betrachteten Flußnamen sollen nun
etliche Berg-, Flur- und Ortsnamen aufgezählt sein, bei
denen man keltische Herkunft annehmen darf. Es sind
dies:
9. Breisach (das altüberlieferte Brisac) — hier hält
sich die Annahme, daß „bris" mit der heutigen Birs (dem
bei Birsfelden in den Rhein mündenden Flüßlein — wobei
dessen Laute entsprechend Born / Brunn umgestellt
worden seien) zusammenhänge, die ihren Namen keltischem
„brisa" verdanke, das man als „Beigraben, (Rhein)
zufluß" deutet.
10. Kandern — der Ortsname ist von dem Flußnamen
übernommen, den wir oben, unter (4.) zu klären
versuchten; an diesen trat ein n-haltiges Suffix.
11. Kembs — das auf dem linken Rheinufer im
Elsaß gelegene Städtchen, dessen Name uns sofort fremdartig
anmutet, ist uns von den Römern als Cambete überliefert
. Dies dürfte die abgeschliffene Form eines volleren
keltischen Cambetia darstellen. Beim Versuch, dieses
Wort zu fassen, ergeben sich folgende Erwägungen:
Aus dem Vergleich mit ähnlichen Wörtern und Gegebenheiten
erschloß man, daß „cambo" das keltische
Wort für deutsch „Biegung, Krümmung, Knie" war. Man
weiß auch, aus vielen Parallelfällen, daß ,,-etia" einem
ihm vorausgehenden Stammwort räumliche Ausdehnung,
also etwa den Sinn von „Siedlungsgebiet, Landstrich"
verlieh (dazu zwei Beispiele: das bekannte Cambodunon,
römische Form Cambodunum, das heutige Kempten, wird
als „an einem* Knie (der Iiier) gelegene Bergsiedlung"
gedeutet; Lutetia Parisiorum, das spätere Lutece und
heutige Paris, erklärt man sich, da „luta" = Schlamm ist,
als „im Überschwemmungsgebiet (der Seine) gelegenes
Siedlungsgebiet der Parisii").
So wäre also Camb(o)etia — „an einer Krümmung
{des Rheins) gelegenes Siedlungsgebiet": und eben das
ist es ja. Wir dürfen annehmen, daß dieselbe Deutung
auch den Namen der rechtsrheinischen Ortschaften unseres
Gebietes, Kerns und Klein-Kems zukommt
(hier wurde das b eben assimiliert).
12. Der Rasinakopf (nördlich Marzell, 887 Meter
hoch) — dieser am „welschesten" klingende Bergname
unseres Gebietes, ruft dem Fachmann mindestens zwei
ähnlich klingende aus dem einstigen keltischen Großgebiet
in den Sinn: das rhätoromanische Pontresina,
gesprochen Puntraschinja = „Brücke über die Resina",
und die Rodina, den Namen eines Nebenflusses der
Themse.
Wir halten bei unserem Rasinakopf fest, daß er das
Quellgebiet der als keltisch erachteten Kander (s. o.) darstellt
. So liegt der Schluß nahe, daß „rasina" etwas mit
Wasser zu tun haben dürfte. Darauf fußen wir unsere
Deutung:
„ara" ist eine der vielen keltischen Bezeichnungen für
eine besondere Art von Wasserlauf (vgl. Flußnamen wie
Aare); „is" und „ina" gelten als Verkleinerungssilben;
„ar-is-ina" wäre dann etwa „Kleinbach" und wir hätten
eine sprachlich und sachlich gleichermaßen einleuchtende
Deutung.
13. Die Sirnitz i( S i r n it zköpfle, 989 m, Hohe
Sirnitz, 1114 m, Sirnitzgrund und ähnl.) — ich
konnte nicht in Erfahrung bringen, ob eine deutsche
Deutung dieses gewiß nicht von vornherein so klingenden
Namens verbürgt ist. Eine in das Keltische zurückgehende
ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen:
Man kennt den, von den Römern so überlieferten,
gallischen Volksstamm der Sarunetes, der „am Wasser
(nämlich der Saar) Siedelnden" (da „ara, arum", wie
unter 12. angeführt, „Wasser, Wasserlauf", und das s
davor das dazugehörige Geschlechtswort, meint). Nach
dem in 11. über ,,-etia" Gesagten wäre deren „am Wasser
gelegenen Siedlungsgebiet" als Sarunetia anzusetzen.
Für „Siedlungsgebiet" dürfen wir ursprünglich einfach
„Wiesengerund" sagen (ein solcher eignete sich von vornherein
zum Siedeln!).
Vergleichen wir nun ähnlich klingende und ähnliche
Verhältnisse spiegelnde Namen wie Sarnetz, Zarnetz, das
Zernez des Engadins, das Sirnach im Thurgau (letzteres
natürlich nur dem Stammwort nach!), so wird die Kombination
Sarunetia (s+arun+etia), abgeschliffene Sirnitz,
verständlich: „Wiesengrund am Wasserlauf". Das ist sie,
und sie liegt im von der Rheinebene aus den einstigen
Kelten offenbar leicht zugänglichen oberen Klemmbach-
tal (wobei „Klemm" möglicherweise einmal auch noch
als keltisches Wort nachgewiesen wird). Die Deutung
unseres Namens aus dem Keltischen kann sich also auf
Etliches stützen.
14. Der Tuniberg — der im Rheintal dem Kaiserstuhl
(dem römischen Brisiacus Möns) vorgelagerte Bergrücken
dürfte den ersten Teil seines Namens dem keltischen
Wort „dunon" verdanken, das über „umzäunter
Platz", damit „befestigter Platz" zu der Bedeutung
„Berg(siedlung)" gelangte (dieses Wort finden wir in
weiter Verbreitung, so etwa im Donon der Vogesen, im
Taunus, in Nagalt(un)a, dem heutigen Nagold; in Württemberg
, dem einstigen Virodunon; und in Zarten, s. u.).
Daß daran nochmal das Wort „Berg" angehängt wurde,
darf uns nicht zu sehr verwundern: dem „Württemberg"
erging es ebenso — die Anhängung erfolgte erst, als der
erste Teil des Wortes in seiner Bedeutung nicht mehr
verstanden wurder
Für keltische Deutung spricht, daß sich gerade um
den Tuniberg herum auch so viele andere, in dieser
Arbeit von uns besprochene keltische Namen vorfinden
(Breisach; Dreisam, Elz, Glotter, Möhlin, Neumagen).
^ 15. Wies, Wieslet — die Namen der an der
Kleinen Wies gelegenen Ortschaften sind von dieser
übertragen (vgl. 8),' ein Vorgang, der sich wiederholt
findet.
16. Zarten, Hinterzarten — der von den Römern
als Tarodunum überlieferte Siedlungsplatz ist mit
Bestimmtheit als keltisches Taradunon anzusetzen. Nicht
endgültig geklärt erscheint der erste Wortteil „Taro":
neben einem Mannsnamen denkt man auch an die Deutung
„oberer Bachlauf". Das „dunon" ist indes, so wie
in 14. angeführt, hinreichend gestützt.
Anmerkung: Bei der Zusammenstellung der vorliegenden
Arbeit wurden vor allem folgende Schriften zu
Rate gezogen:
Buck, M. R.: Gallische Orts- und Flurnamen in Baden
(in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, 1888).
Holder, A.: Lexikon: Altceltischer Sprachschatz, Leipzig,
ab 1896.
Hopfner, J.: Keltische Ortsnamen der Schweiz, Bern 1Ö29.
Schwaederle, A.: Vorgermanische Fluß- und Bachnamen
im Elsaß, Straßburg 1912.
Springer, O.: Die Flußnamen Württembergs und Badens,
Stuttgart 1930.
Zeitschriften: Beiträge zur Namenforschung, Heidelberg,
und deren Vorgängerin, die Zeitschrift für Ortsnamenkunde
.
Dr. Friedr. E. Vogt, Böblingen b. Stuttgart
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