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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1956-05/0006
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Die Markgrafschaft

Der Briefschreiber führt uns unmittelbar zum Menschen
Johann Peter Hebel. Ihn, den wir in jedem Vers
seiner Gedichte, in jedem Satz seiner Erzählungen, im
Schatzkästlein wie in der Spätlese seines Schaffens, in
den Biblischen Geschichten, wiederfinden, gilt wohl
unsere besondere Liebe. Welche Wärme muß von dieser
Persönlichkeit ausgegangen sein, wenn wir nach 130 und
mehr Jahren, die uns von seiner zeitlichen Existenz
trennen, noch einen Hauch davon zu empfinden glauben!
Denn warm wird uns ums Herz, wenn Johann Peter
Hebel zu uns spricht. Und er spricht zu allen, die ihm
nahen: zum naiven Gemüt wie zum Höchstgebildeten,
weil er jedem etwas zu sagen hat. Heute wie ehedem
tönt sein Wort, lebendig, rein und lauter. Entquillt es
doch jener Brunnenstube, die uns nie ohne Erquickung
läßt, aus einer nie versiegenden Liebe zur Heimat,
unserer schönen alemannischen Heimat, zu ihrer Natur,
Sprache und deren Menschen und Geschöpfen. Und so
glaube ich, können wir unseren Hebel nicht entsprechender
ehren, als wenn wir ihm ganz schlicht als die Kinder
dieser Heimat, in ihrer Haltung, in ihrer Mundart,
mit ihren Empfindungen und Gedanken nahen. Wer so
zu ihm kommt, den segnet er wirklich, den salbt er mit
dem Duft, dem unverwehbaren, seines Geistes.

So ist es gewiß kein Zufall, wenn unsere Liebe zu
dem verehrten Manne allen und allem gilt, was je mit
ihm in Berührung geraten, was ihn erfreut und was er
selbst geliebt hat.

Ein unermeßliches Reich liebenden Gedenkens ist

uns damit eröffnet. Hebel suchen und spüren wir im
Wiesental, auf dessen saftigen Matten und waldigen
Höhen, in Hausens Gassen und auf Schopf heims Plätzen,
auf den Trümmerkolossen der schicksalsschweren Rötte-
ler Burg, unter dem Schatten der Tüllinger Linde, in
Alt-Lörrach, wo sich des Dichters schönstes Denkmal
erhebt, im Rauschen der uralten Kastanie, die den
Weiler Pfarrhof überschattet, ,,Z' Müllen an der Post",
einer Stätte heiterster Lebensstunden, auf dem Basler
Münsterplatz mit seinem Niederblick auf den strudelnden
Rhein, im Karlsruher Schloßgarten oder im
Schwetzinger Park, wo das Auge des Sterbenden mit
dem Blick auf die herbstlichen Asternbeete zum letzten
Male die Freundin Natur gegrüßt hat.

Sein Glas klingt mit leisem Tönen an das unsere, so
oft wir einen edlen Markgräfler, Kaiserstühler oder
Renchtäler schlürfen. Der Segelf alter auf dem Blauen,
der Apollo, der sich in die Bergeinsamkeit des Belchen
als in ein letztes Asyl zurückgezogen hat, tragen den
Blütenstaub seines Gedenkens auf ihren Schwingen. So
webt Johann Peter Hebels Gedächtnis in jeder Stimmung
, in jeder Schönheit weiter, für die sein Dichterauge
das unsre erschlossen hat.

Was er wirkend im Leben gewesen, ist er fortwirkend
im Tode geblieben: ein Stück unseres oberrheinischen
Landes und Wesens, rechts und links des Stromes
, und damit ein niemals preiszugebender Teil unserer
Liebe, unseres Lebens.

Scans Wlfyp: De profundis

Symphonische Kantate in fünf Sätzen nach Worten des Alten Testamentes
für zwei gemischte Chöre, Kinder chor, Orchester und Orgel, op. 83

Der alemannische Geistesraum ist gesegnet
mit „Wanderern zwischen zwei Welten", mit
Wanderern in jener Zwischenwelt, wo Natur und
Übernatur noch eine Einheit sind; Menschen, für
die es jene künstliche Trennung und Diskrepanz
von tiefster Erkenntnis und praktischem Leben,
die ja letztlich den Verlust der Einheit unseres
Weltbildes, den „Verlust der Mitte" verschuldet
hat, noch nicht gibt: Hebel und Burte in ihrer
Dichtung, Hans Thoma und Hans A. Bühler in
ihrer Malerei — um nur einige Namen zu nennen
und den Kreis jener Werke zu umschreiben, die
aus jenem metaphysischen Urgrund geschöpft
sind, aus dem alle großen Werke kommen, Werke,
die in beiden Bereichen beheimatet sind und
beide Bereiche miteinander versöhnen, weil sie
der Wunder beider Zonen teilhaftig sind.

In den Kreis dieser Auserwählten zählt der
Musiker Franz Philipp, und er hat mit ihnen das
Spezifische gemeinsam: handwerklich-technische
Souveränität und inspiratorische Begnadung —
und die so selten gewordene Kraft, aus diesen
beiden verschiedenartigen Stoffen das große Werk
zu bauen. Seine fünfsätzige Kantate ,,De profundis
" ist das Werk eines Genies. Und in doppelter
Hinsicht ist es ein Gelegenheitswerk in
jenem hohen Sinne wie die Matthäuspassion, die
Missa solemnis, der Tristan: Durch eine zufällige
Notwendigkeit oder Situation hervorgerufen und
sodann über den konkreten Anlaß hinaus zu

einem allgemeingültigen Meisterwerk gediehen.
Der erste Anlaß zu dieser Kantate war unsere
durch den vergangenen Krieg heraufbeschworene
äußere und innere Katastrophe. Damals, in den
Jahren 1946/51, schrieb Franz Philipp das Werk
für zwei gemischte Chöre a capella. Aus Anlaß
des von der Stadt Freiburg veranstalteten Sonderkonzerts
zum 65. Geburtstag des Komponisten
gab ihm Franz Philipp sodann ein kunstreiches
Orchestergewand.

Der Text, vom Komponisten selbst ausgewählt
und zusammengestellt, schildert, wenn die Metapher
erlaubt ist, den Weg „aus den Tiefen" eines
dunklen Verzweiflungstales zum Licht eines
strahlenden Glaubensgipfels — oder das Schauspiel
einer echten Tröstung, die ja immer aus
fruchtbarer Erschütterung über Kampf und Läuterung
zur Ruhe der Gewißheit führt. Gegliedert
in die fünf Teile: Aus den Tiefen — Ihr Mächtigen
— Selig, ja selig der Mensch — Gott wird
senden seinen Geist — Ihr Völker alle, lobsinget
dem Herrn — ist dieser Text über Jahrtausende
hinweg von bestürzender Zeitnähe: „O Gott, du
hast uns zersprengt! Du hast das Land zerspalten
! Ihr Mächtigen, übet Gerechtigkeit! Befreiet
die Gefangenen! Nehmt auf den Flüchtling!" —
und wird damit zur Grundlage eines echt erschütternden
Werkes.

Über den musikalischen Aufbau und die kunstreiche
Thematik, die allen Reichtum Philipp'scher


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