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Die Markgrafschaft

OTan^ennamen im 13olF6munb

Eine botanische Plauderei von Ida Preusch-Müller

Was doch die Gedanken oft für Sprünge machen
. Dieser Tage fand ich in einer Schublade
einen Zylinderputzer. Das kleine Gerät hat mit
dem festlichen Seidenhut der Herrenwelt nichts
zu tun. Es besteht aus einem 30 cm langen gedrehten
Drahtstiel, um dessen eines Ende eine
10 cm lange, ganz dichte kurzgeschorene Walze
aus bunten Wollfäden befestigt ist. Als es noch
Erdöllampen gab, brauchte man das Putzerle,
um die Glaszylinder, welche die Flamme schützten
, immer fein blank zu halten.

Ich betrachtete es lächelnd, und dabei machten
meine Gedanken diesen Sprung in die Kindheit
zurück und damit in die Botanik.

Cylinderputzerli nannten wir Kinder
eine reizvolle Wiesenblume, die mit dem steilen
Stengel und den zarten weiß-rosa Blütchen ihrer
dickwalzigen Scheinähre genau diese Form bildet
. Viel später erst konnte ich ihren botanischen
Namen bestimmen: es ist die Schlangen-
w u r z oder Schafzunge.

Dieser Vergleich führte mich ins Nachsinnen
über andere Pflanzennamen, deren bildhafte Benennungen
im Volksmund ihren Ursprung hatten
, heute aber vielfach nicht mehr bekannt sind.

In unserem Garten daheim hatten wir zwischen
Jasminsträuchern und Lilächeli (sohieß
der Flieder zu jener Zeit) einen Dierli-
bäum. Er trug im Frühjahr gelbe Blütenbüschel
, und der Sommer brachte leuchtendrote,
glänzende Früchte, schmal und säuerlich. Diese
D i e r 1 i sind heute selten geworden. Nach Jahrzehnten
fand ich sie wieder als Kornelkirsch
e im Kurpark in Badenweiler.

Unser alter Nachbar Lacoste hatte an der
Südseite seines Hauses einen Barölleli-
Baum als Spalier hochgezogen. Ist das nicht ein
lustiger Name, in dem es rollt und kugelt? Aber
unsere Jugend weiß wohl damit nichts anzufangen
, denn sie kennt diese köstliche, goldgelbe
Frucht nur als Aprikose.

Die reine Claude hat heute noch in
Müllheim den Namen Ringlotte, in Kandern
dagegen Reniglotte.

Stachelbeeren heißen Chrüüsel-
b e e r i; die Johannisbeere hat ihren Namen
Santehannstrübeli wohl aus Basel
mit ins Markgräflerland bekommen.

Kamen die Schwarzwälder früher ins Tal
herunter mit ihren leinenen Schultersäcken, so
riefen sie nicht ihre Wacholderbeeren
zum Verkauf aus, sondern Reckholderbe
e r i!

Im Herbst, wenn sich die Wald- und Wiesenraine
bunt färben, leuchten die rotgelben Früchte
der Pfaffenkäppchen aus der Wildnis.
Für uns sind es heute noch Eselschrättli.
Es mag sein, daß die Proviantkörbchen der Esel,

welche in früheren Zeiten die Kurgäste aus Badenweiler
nach dem Hochblauen trugen, eine
ähnliche Form hatten. Wer weiß es?

In einer alten Kanderner Stube stand auf
einem breiten Fensterbrett ein Blumenstock, den
ich als Kind immer mit tiefer Andacht anschaute
, weil er einen so ehrfürchtigen Namen
trug. Es war eine Passionsblume, welche
Christi-Liidestock genannt wurde, weil
im Kelch dieser Blume, als Stempel und Staubgefäße
, Hammer und Nägel geborgen waren, mit
denen einst der Heiland ans Kreuz geschlagen
worden war.

Ein Blick in einen altmodischen Garten zeigt
einen Busch, den ich sehr liebe. Es sind Tränende
Herzen, die der Volksmund Fraue-
h e r z 1 i nennt. Gab diesen Namen Eine, die
wußte, daß die Herzen der Frauen und Mütter
die meisten Tränen bergen?

Die hohe Königskerze heißt um ihrer
wolligen Blätter willen einfach Wullblueme;
die lieblichen Stiefmütterchen tragen den
schönen Namen Jesusveieli.

Johann Peter Hebel erzählt in einem Gedicht
vom Chäfer, wo der 11 g e zuefliegt". Er meint
damit die stolze Lilie.

Alle Narzissen gehen unter dem Sammelnamen
Stern eblueme. In Hebels Irrlichtern
„wandle in der stille Nacht wohl Engel um, mit
Sterneblueme bchrönt". Wenn unser lieber alemannischer
Dichter uns in seiner „Sonntagsfrühe
" aber gleich ein ganzes Sträußlein zusammenstellt
aus Gelveieli un Tulipa un
Sterneblueme nebedra, un gfüllti Z i n k 1 i
blau un wiiß, me maint, me lueg ins Paradiis",
so haben wir Goldlack, Tulpen, Narzissen
und gefüllte Hyazinthen beisammen
.

Den Gartenweg meines Schwiegervaters begrenzten
Löwenmäulchen in allen Farben.
Wie fein konnte man mit diesen Hasenmüf-
f e 1 i spielen. Ein leichter Druck auf den Kelchboden
der frisch abgefallenen Blüten ließ diese
auf- und zugehen, wie das Mäulchen eines Hasen,
der „müffelte". Aus diesem Spiel heraus mag
dieser treffende Name entstanden sein.

Auch Gretchen in der Hecke (Jungfer
im Grünen) standen dazwischen. Diese hießen
Hooreueli. Warum wohl? Weil ein Mark-
gräfler Maideli, das sein Haar wirr um den Kopf
stehen läßt, halt einen „Hooreuel" hat.

Die Tausendschönchen oder Maasliebchen
im Garten und auf den Wiesen hießen
kurzweg Maaserli. Auch die großen
Margueriten, die wir mit Zitterli
(Zittergras) und N ä g e 1 i (Nelken) so gerne zu
Sträußchen banden.

(Schluß folgt.)


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