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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1956-06/0010
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Die Markgrafschaft

welchem die Vorstellung des Dekans Martin angeschlossen
wird, mit dem, daß man ihm überlaße
, eine Verpachtung des obigen Feldes zu
erwirken. Zugleich hat das Amt bey diesem Anlaße
dem Philip Helbling sein Leidenschaftliches
Benehmen gegen ein offenbar sehr nützliches
Unternehmen ernsthaft zu verheben und selben
falls er wirklich an den tumultarischen Auftritten
Schuld tragen sollte, zur Strafe zu ziehen".

Der Vorschlag des Kreis-Direktoriums scheint
auf den ersten Blick die einfachste Lösung zu
bieten. Dekan Martin aber prüft in einem neuen
Gesuch vom 13. Februar die Möglichkeit, ihn zu
verwirklichen. Er stellt fest, daß das Feld erst
durch ebenso mühevolle wie langwierige und
kostspielige Arbeiten seinen Wert erhalte. Das
Gelände muß tief umgegraben und reichlich
gedüngt werden. Über das mutmaßliche Verhalten
der aufsäßigen Masse kann man verschiedener
Meinung sein. Wer hier der bessere Psychologe
ist, hätten die Ereignisse ergeben müssen.
Man sollte annehmen, daß Dekan Martin seine
Neuenburger besser kannte, als dies dem fernen
Direktorium möglich war. Er schrieb über diese
Frage:

„Die Verpachtung würde beynebens der bösartigen
Verderbung der Hopfenpflanzung nicht
steuern, wenn eine solche zu fürchten wäre, denn
gerade sie würde die Hoffnung der Feinde nähren,
durch Verderbung der Anlage ein baldiges Ende
zu verschaffen und das gepachtete Allmend Stück
wieder zum Waidplatz herbzuwürdigen, ein fester
Kauf hingegen schlägt alle derartige Hofnungen
nieder. Der Karakter hiesiger Bürger ist nach
26jähriger Beobachtung nicht boshaft, am wenigsten
zu Baum- und Pflanzen Verderbung geneigt,
nur altgläuberisch und stürmisch sind noch einige
Köpfe, leicht entzündbar andere, die aber nach
wenigen Tagen ausgetobt, zur Ruhe, sogar zur
Beyfälligen Anerkennung des Bestrittenen, und
zur Beargwohnung und Angriff eines neuen
Gegenstandes übergehen.

Auch das dauernde Verlangen nach Weidland,
das er ,,Waidland" nennt, versucht er zu entkräften
: „Seit 36 Jahren hat die Stadt 320 Juchart
ähnlicher Allmendgüter beynahe unendgeldlich
nur gegen kleine Losgelder und jährliche Bodenzinse
an die Bürger ausgegeben, ja selbst auf die
Beurbarung des Bezirkes / des Wolfsgrün/ wo das
befragte Feldstück liegt, mit einem Inhalt von
circa 70 Jauchart vor fünf Jahren bey hoher
Behörde beygesetzte Bedingung der Nichterblich-
keit dieser Neubrüche, der Geldmangel zur Erlegung
des kleinen Loosgeldes und Bestreitung
der großen Beurbarungskosten, die Theuerung
im Jahre 1817 und 1818, und der allbekannte
Futer Mangel im Jahre 1819 und 1820 hat ihre
Verwirklichung bisher aufgehalten und der Waidsucht
das Wort gesprochen". Er schließt, indem
er feststellt: „Daraus geht deutlich hervor, daß
niemand einen vernünftigen Grund gegen den
Verkauf dieses Stückes Almend vorzubringen
vermöge".

Das Direktorium erteilt dem Kämpfer um den
bitteren Hopfen keine direkte Antwort mehr.
Aber es gibt dem Bezirksamt zu verstehen, daß

es wünsche, man möge im Wolfsgrün ein Jauchart
Land für den Versuch zur Verfügung stellen. Das
Direktorium lehnt jede Gewaltanwendung ab und
erwartet vom Bezirksamt, daß es „diejenigen
Individuen, welche dem Verkauf bisher hartnäckig
entgegen gewesen sind, auf dienlichen
Wegen und womöglich durch die Überzeugung
des Vortheils von dem inländischen Hopfenbau
zu disponieren und den Verkauf zu bewirken.. "

Wie sollte aber das Bezirksamt zum Erfolge
kommen, wo selbst die Götter versagen? Darum
kann uns sein Bericht vom 5. März nicht wundernehmen
, in dem es heißt: „ .. daß beinahe die
ganze Bürgerschaft zu Neuenburg gegen den
Verkauf dieses Allmendplatzes protestiert, obgleich
wir, so wie Dekan Martin, uns alle Mühe
gegeben, sie von dem Vortheil des innländischen
Hopfenbaues zu überzeugen". Sich weiter zu bemühen
ist zwecklos, „so würden sie eben dadurch
in ihrem Wahne, daß sie durch solchen Verkauf
beeinträchtigt werden dürften, noch mehr bestärkt
werden — meinend, man würde sich nicht
so viele Mühe geben, wenn sie Unrecht hätten".

Am 23. März verläßt das Landratsamt die
Fahne der Hopfenanbauer. Es berichtet an das
Direktorium, daß nochmals alles versucht worden
sei, um die Rebellen umzustimmen. „Der vorzüglichste
Grund der Protestation ist, daß die
Gemeinde einen bedeutenden Theil ihres Liegenschafts
-Vermögens veräußert oder aber durch
Kriegserlittenheit verlohren, darum sie auf Bey-
behaltung des noch vorhandenen liegenschaftlichen
Vermögens beharrt.

Das Bürgermeisteramt und Stadtmagistrat
haben diese Behauptung der Bürgerschaft nicht
widersprochen, sondern solche zugegeben, und
auch wir sind der Ansicht, daß das Grundvermögen
einer Gemeinde so lange als möglich beybe-
halten werden solle, besonders zu Neuenburg,
welche Stadt Schulden frey ist".

Damit stehen die Streiter allein. Müllheim
schließt mit dem Satze: „Wir überlassen nunmehr
diese Sache lediglich Höherem Ermessen".

Das Kreisdirektorium findet die Angelegenheit
keines besonderen Blattes mehr wert, sondern
vermerkt seinen Beschluß auf dem gleichen
Schriftstück:

„Bei dem Umstände, daß die Bürgerschaft der
Stadt Neuenburg sich durchaus weder zu dem
Verkaufe noch zur Verpachtung des zum Versuche
des innländischen Hopfenbaues ausersehenen
Stück Gemeindefeldes verstehen will, erübrigt
nichts anderes, als daß diejenigen Individuen,
welche sich dem Versuche des Hopfenbaues unterziehen
wollen, ein anderes Stück Feld dazu anschaffen
oder aber von ihren eigenen Grundstük-
ken dazu verwenden, wovon Dekan und Stadtpfarrer
Martin in Kenntnis zu setzen ist".

So schließt auch das Kreisdirektorium die
Akten. Und Pfarrer Martin? Es liegt kein Schriftstück
mehr hierüber vor. In ihm wird der Schlußstrich
noch nicht gezogen gewesen sein. Vom
Hopfenbau wurde aber hier nichts mehr gehört.

Konstantin Schäfer


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