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Die Markgrafschaft

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Ernst Sander Dzv Weiftet bec WacFgräfler üanfcfdmft

Zu Professor Emil Bizers 75. Geburtstag am 5. August 1956

Es gereicht einem Gemeinwesen zur Ehre,
wenn es schöpferische Menschen beherbergt. Unabhängig
von seinen balnearischen, klimatischen
und landschaftlichen Vorzügen ist für alle Freunde
der Literatur Badenweiler der Ort, wo Rene
Schickele, Annette Kolb und Emil Strauß viele
Jahre lang gelebt und geschaffen haben — für
alle Freunde der bildenden Kunst der Wohnsitz
und die Schaffensstätte des Malers Emil Bizer,
Träger des Hans-Thoma-Preises von 1954, der,
unermüdlich gestaltend, am 5. August dieses Jahres
seinen 75. Geburtstag begeht.

Auch wer nicht das Glück und den menschlichen
Gewinn hat, diesen bedeutenden Landschaftsgestalter
, diesen geistvollen Porträtisten
und Graphiker persönlich zu kennen, dem wird
sicherlich die hohe, ungebeugte Gestalt des Malers
mit dem ausdrucksvollen Kopf, dem gleichsam
von einem schärferen und unerbittlicheren Griffel
als dem des Lebens nachgezeichneten Gesicht
aufgefallen sein, wenn er durch Badenweiler geht.
Ist man mit ahnendem Spürsinn für das Besondere
begabt, so nimmt man an diesem Manne
etwas wahr, das man in gleicher Weise ein Ausgezeichnetsein
und ein Gezeichnetsein nennen
könnte, und das umso ergreifender wirkt, als es
nicht zur Schau getragen wird, sondern ein
Wesensbestandteil ist. Denn der stille, bescheidene
Meister ist aller falschen Romantik und
allem Auffälligen abhold, gerade wie er nie von
sich und seinen Arbeiten spricht — desto lieber
und ausgiebiger indessen von seinen Freunden.

Seit etwa einem Menschenalter ist Emil Bizer
in Badenweiler ansässig, das ihm, durch Verwandtenbesuche
, von frühester Kindheit her vertraut
und teuer war. Man muß ihn erzählen
hören, wie er als Junge im heißen Sommer vom
Müllheimer Bahnhof durch die Stadt, die ihm
kein Ende zu nehmen schien, über Badenweiler
zur Sirnitz hinaufgewandert ist, um die Ferien
bei einem Onkel zu verleben. Der in Pforzheim
Geborene — er ist somit ein jüngerer Landsmann
des Dichters Emil Strauß — hat, ehe er sich inmitten
der Landschaft niederließ, deren Gestalter
, Künder und Verklärer er werden sollte, in
München, Karlsruhe, Berlin und Frankfurt gelebt
und geschaffen. Er ist ein Schüler des Müncheners
Rudolf Treumann gewesen, eines der Vorkämpfer
für eine Erneuerung der Malerei, und
zu seiner Zeit einer der meistverspotteten und
meistbekämpften Künstlerpersönlichkeiten. Bizer,
ehedem Präsident der Badischen Sezession, nahm
in den 20er und 30er Jahren am deutschen Kunstleben
einen beträchtlichen und sehr aktiven Anteil
; er hat in allen großen Städten und Galerien
oftmals erfolgreich ausgestellt. Eins seiner graphischen
Blätter, der Holzschnitt ,,Traumlandschaft
", wurde von der exklusiven Marees-Gesell-
schaft für ihre Mitglieder erworben. Im Frühjahr
1933 wurde seine Karlsruher Kollektiv-Ausstellung
als „unerwünscht" verboten.

In den schweren, nun folgenden Jahren hat
Bizer, umsorgt von seiner klugen, daseinsnahen,
tatkräftigen Gattin Maria Bizer, in der Stille
weitergeschaffen, sich immer hingebungsvoller in
die Markgräfler Landschaft vertiefend, deren
formale Eigenart und farbige Besonderheit er
recht eigentlich entdeckt hat, und als deren klassischer
Gestalter er angesprochen werden darf.
Seinen sehr persönlichen, unverkennbaren Stil
auf eine Formel zu bringen oder gar einem der
gängigen „Ismen" einzuordnen, wäre abwegig.
Alle seine Landschaftsgestaltungen, die der Frühzeit
, der mittleren Periode der „Grisaillen" und
die der überraschenden Spätzeit, zeichnen sich
durch Größe und Weite, ja, Monumentalität der
Gesamtauffassung sowie eine bestrickende Fülle
in der farblichen Einzelgestaltung aus, einen
Sinn für Nüancen, für kleine und kleinste Farbwerte
, die umso überzeugender wirken, als sie
sich nie in Tüfteleien und geschmäcklerische Experimente
verlieren, vielmehr dem Ganzen dienen
, aus dem sie abgeleitet worden sind. Daß
jene Nüancen sich auf das malerische Gesamt beziehen
, nicht jedoch auf Details des Gegenständlichen
(das formal und farbig aufgelöst wird und
sich dem Gesamteindruck einordnet), sei besonders
betont.

Bizer erlebt die Landschaft als ein Gesamt
und vom Gesamt seiner schöpferischen Persönlichkeit
aus, — also zugleich mit dem Herzen,
dem Auge und dem Hirn. Sie teilt sich ihm in
und aus ihren formalen und farbigen Elementen
mit, und so ist er in der Mitte seines Schaffens
zu einer einheitlichen und vereinfachenden Struktur
in Bildaufbau und Farbgebung gelangt: jene
von ihm als „Grisaillen" bezeichneten Bilder sind
aus Akkorden aller Abwandlungen und Möglichkeiten
des Grau gestaltet worden, zumal in Richtung
auf ein mehr oder weniger schwerflüssiges,
tragisches oder bisweilen heiteres, immer aber
delikates und höchst vornehmes Blau hin, dem
sich ockergelbe und grünlich-graue Stufungen
zugesellen. Wer die Markgräfler Landschaft

Sommer

Der Frühlingsstürme Rausch verwich.
In linder Sommerwinde Hauch
Neigt silbergrauer Roggen sich;
Die ersten Rosen blühn am Strauch.

Der Himmel leuchtet blau und rein,
Und Wanderwolken wallen weiß —
Beglänzte Fernen warten dein,
Und Nähe lockt mit Rastgeheiß.

Und ob du schreitest oder ruhst:
Teil bist du dieser Wandelwelt,
Ihr gleich in allem, was du tust —:
Pfad zwischen Keim und reifem Feld.

Ernst Sander


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