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Die Markgrafschaft
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malerischen Bereich beheimatet
. Italien lockte,
die Kunst, die Freiheit.
Als Scheffels Mutter
Josephine den Sohn im
Sommer 1850 in Säk-
kingen besuchte, mag
sie wohl herausgefunden
haben, daß Joseph
kein glücklicher Mensch
war und dem ungeliebten
Beruf nur um der
Eltern willen nachging.
Wie war da zu helfen?
In den Briefen des Sohnes
war des öfteren in
ehrlicher Begeisterung
für ländliches Leben
und Schaffen der Ausdruck
„Verbauerung"
gefallen, und als die
Frau Major Joseph in
jenen Tagen wieder- Bürgeln im 18 Jahrhundert
sah, sollte sie schon ein
erster Blick auf sein
Äußeres davon überzeugen, daß er mit solcher
„Verbauerung" ernst zu machen gewillt war.
Seine Reden verrieten überdies eine ausgesprochene
Liebe zu bäuerlicher Lebenshaltung,
unverkennbare Neigung zur Seßhaftigkeit. Vielleicht
hatte der Dichter erfühlt, wie sehr sein
steter Wandertrieb zugleich eine Art Flucht war:
Flucht vor den Verhältnissen, die ihn bedrückten
, vor dem ihm ungemäßen Berufe, Flucht vor
allem aber auch vor den Dämonen des eigenen
Innern, seiner krankhaften Reizbarkeit, den jähen
Stimmungsumschwüngen, unter deren Plötzlichkeit
er bis zur seelischen Verwirrung zu leiden
hatte.
Scheffels Mutter scheint mit dem feinen Witterungsvermögen
der Frau diesen verhängnisvollen
Zwiespalt bald und klar ausgespürt zu haben.
Und aus einem derartigen Klarwerden über die
Natur und Situation ihres Sohnes erfloß denn
auch ihr wohlgemeinter Vorschlag, das im Herbst
1850 zum Mindestpreis von 7920 fl. zum Verkauf
ausgeschriebene Gut Bürgeln zu ersteigern und
Josenh mit der Verwaltung des prachtvoll gelegenen
, den Blick in drei Länder eröffnenden Besitzes
zu betreuen. Schon durch die preisenden
Verse des geliebten Johann Peter Hebel, dessen
alemannische Gedichte Scheffels selbstverständlicher
, oft aus dem Gedächtnis zitierter Besitz
waren, mußte das Wort „Bürgeln4' in Scheffel
freundlichsten Widerhall wecken.
Nach der Säkularisation war Bürgeln in Privatbesitz
übergegangen. Im Jahre 1809 kaufte
Andreas Bromberger das Propsteigebäude, die
umliegenden Äcker und Matten sowie die Güter
der St. Johannisbreite um 6600 fl. Da der neue
Besitzer ein vorwiegend praktisch eingestellter
Mann war, nahm er auf die Zusammenhaltung
der im Schloß vorhandenen Kunstschätze nur
wenig Bedacht; im Gegenteil, er verschleuderte
einen Großteil der kostbaren Gemälde, Möbel
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Zeichnung von K. Wolfsberger
und Kachelöfen im Lauf der folgenden Jahre.
1822 trat Bromberger den nördlichen Flügel des
Propsteigebäudes an den katholischen Religionsfonds
in Freiburg um den Preis von 2700 fl. ab.
Nach Brombergers Tod fiel Bürgeln im Jahre
1847 an die beiden Schwiegersöhne des Altbesitzers
, Georg Dörflinger, Buchhalter am staatlichen
Eisenwerk in Kandern, und Valentin
Sprich in Liel. Diese versuchten alsbald, ihr Erbteil
durch Verkauf abzustoßen.
Soweit waren die Dinge gediehen, als Frau
Major Scheffel bei einem Kuraufenthalt im nahen
Badenweiler im Sommer 1850 mit ihrer Tochter
Marie Bürgeln besuchte und von Ort und Lage
entzückt war. Im November 1850 meldete die
Karlsruher Zeitung (Nr. 274 vom 20. November
1850) vom geplanten Verkauf des Gutes. In
Scheffels Elternhaus glaubte man zugreifen zu
sollen. Offenbar hatte die Absicht, Joseph zum
Verwalter des Gutes zu machen, auch die Zustimmung
des Vaters Scheffel gefunden. Sofort
flog ein Schreiben besagten Inhalts nach Säk-
kingen.
Man sollte nun füglich annehmen dürfen, der
Säckinger Rechtspraktikant habe die Möglichkeit,
dem unerquicklichen juristischen Beruf Lebewohl
zu sagen und sich ins heißersehnte Landleben
zu stürzen, mit Freuden aufgenommen.
Auch ihn hatte die hohe Schönheit des Ortes
längst in Bann geschlagen, wie er selbst zugeben
mußte. Und dennoch — Joseph konnte sich nicht
entschließen! In einem Brief an die Eltern vom
24. November 1850 gibt sich das bekannte
Schwanken, die alte Unentschlossenheit, die sich
hinter einer Menge von Bedenken und kritischen
Erwägungen verschanzt, unzweideutig kund. Der
Schreiber zweifelt an seiner Eignung für den
landwirtschaftlichen Beruf, zu dem er sich bereits
durch „die byzantinische Rechtsgelehrsamkeit"
verdorben fühlt. „Ich habe", fährt Scheffel fort,
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