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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1956-07/0015
Die Markgrafschaft

13

Ab Quarta erhielten diese Rundgänge ein bedeutungsvolleres
Ende, begünstigt durch einen
Klassenaufsatz über den Figurenschmuck der
Vorhalle „Unserer Lieben Frauen Münster"

Um meine Gäste nicht unnötig zu überfüttern,
bot ich ihnen nur die Rosinen aus dem Gugelhupf
und davon nur die allersaftigsten: den betenden
Teufel, Sinnbild der Versöhnlichkeit des alemannischen
Volkscharakters, den Abraham, der über
seinem knienden Sohne die Schärfe des Messers
an einem Barthaar ausprobiert, bevor er sich ans
Schlachten macht, eine Handlung, die genau die
Schrecksekunde ermöglicht, die der das Ganze
abblasende Schutzengel zum Anflug benötigt.

Während der Rückenuntersuchung des die
Laster versinnbildlichenden „Junkers Leichtfuß",
zerfressen von scheußlichem Getier, und der
schweigsamen in Augenscheinnahme der lüsternen
„Frau Welt", wurde ich ungeduldiger als ein
Kind, das die Fürst-Pückler-Bombe am Ende des
Festessens kaum mehr erwarten kann, unterbrach
die Besichtigung und zog meinen Besuch
vor das Spitzbogenfeld über der großen Eingangspforte
.

Unser Klassenlehrer hatte uns über einen einzigen
Ausschnitt des großen Bilderbogenfeldes
einen Aufsatz schreiben lassen und zuvor mit
seiner trockenen, durch die Nase gequetschten
Sprache alle Einzelheiten der Darstellung aufgespürt
.

Für diese Minuten der Schlußbesichtigung
schleppte ich eigens ein klobiges, mit Elfenbein
umschaltes Fernglas mit, das die Mutter in ihrer
Lieblingsoper „Der Evangelimann" benützte, um
das träumerische Wiegen der Palmen auf der
Bühne zu genießen. Dies reichte ich nun feierlich
meinem Gast, seine Blicke nach dem weitgeöffneten
Rachen eines Ungetümes lenkend, das aus
dem Rand der Bogenumrahmung drängte.

Da war er, sogar farbig, klar und deutlich, der
flammengefüllte Höllenschlund, in den geschäftige
Teufelchen an langer Kette eine Prozession
zogen, Könige, Bischöfe, Edelfrauen, Mönche,
Nonnen, lauter „bessere Leut'"

Aufgeregt, im Bemühen, noch deutlicher zu
sehen, womöglich im Flammenrachen selbst noch
etwas zu entdecken, suchten die Beschauer durch
Drehen des Fernglases die Schärfe zu steigern.

— „nit schlecht", — „ nit schlecht" — ertönte
es da zwischen ernstem Staunen und boshafter
Befriedigung. Manchmal stellte darüber hinaus
einer fest: „da rede man vom finsteren Mittelalter
, — die wußten Bescheid, die drückten sich
herzhafter aus als heutzutage!" — „Und so was
hat kein Bischof, kein Fürst verhindert?" — „Die
wußten eben auch Bescheid", bemerkte ich bescheiden
.

Noch völlig aufgegangen in der Rolle des
gewiegten Fremdenführers, lieferte ich meinen
Kunden zur Weiterbehandlung daheim ab, diesmal
einem Studenten, der bei uns einen Freiplatz
hatte und die Aufgabe, in solchen Fällen
mit dem Gast einen Rundgang durch die Gaststätten
Freiburgs zu unternehmen. Ich erhielt

Süße Rast L. Riditer

meinen Lohn in bar, den mein Vater eines Tages
zu verdoppeln versprach um den Preis des unterdrückten
Höllenrachens. Aber ich schnappte nicht
zu. Der Genuß, einer Wirkung sicher zu sein, wie
der Schütze, der in der Schießbude unweigerlich
die Tonpfeife abknallt, war mir mehr wert.

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Ich habe nichts gegen die Feuerwehr, beileibe
nicht. Und erst recht nichts gegen die von Dürrenburg
. Im Gegenteil: Mir tut es leid, daß solche
Geschichten über sie umgehen. Sie kann ja nichts
dafür. Denn der Rothstetterschorsch und der
schwarze Glaser, die gar nicht zur Feuerwehr
gehören, waren ganz allein schuld an der Sache.
Natürlich schieben die beiden es auf die Umstände
. Und jedem, der den Dürrenburger Wein
kennt, ist das auch glaubhaft. Denn in jener
Nacht lagen ganz besondere Umstände vor.

Aber in Dürrenburg selbst dürfen Sie nie
nach der Geschichte fragen, wenn Ihnen Ihre
heile Haut lieb ist. Es war nämlich so:

Die Dürrenburger Feuerwehr hatte ihr Stiftungsfest
gefeiert. Mit Festzug und Bierzelt, mit
Karussell, Drehorgeln und Schießbuden, mit
Ehrenjungfrauen und Reden. Und natürlich mit
vielen Fässern Wein. Die Wehr hatte aber nicht
nur paradiert und gefestet, sondern auch gezeigt,
daß sie außer ihrem Durst auch Brände löschen
könnte: In neuen Uniformen und mit sidolgeputz-
ten Helmen waren die Männer frühmorgens


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