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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1956-07/0016
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Die Markgrafschaft

schon auf das Alarmblasen hin aus den Häusern
geflitzt und hatten einen angenommenen Brand
in der „Sonne" gelöscht. Es mußte doch die neue
Feuerspritze vorgeführt werden, dieses Wunderding
an Handlichkeit! Zwei Mann allein konnten
sie im Notfall an die Brandstelle ziehen, man
denke!

Die neue Spritze war das Glanzstück des
Festes gewesen. Beim Festbankett war sie in
jeder Rede vorgekommen. Und der Bürgermeister
hatte jedem, der sie beim nächsten Brand
ans Feuer brächte, sei es nun mit Pferde- oder
mit Menschenkraft, einen Hundertmarkschein
versprochen. Spät abends hatte man sie feierlich
in den Gemeindeschuppen gebracht. Dort war
zwar einiges untergestellt: Bretter und übrige
Stangen von den Festbuden lagen darin herum,
der Menageriemann hatte die Käfige seiner Tiere
dort untergebracht und der alte Bastiani seine
große Drehorgel auf Rädern.

Müde von Ehre und Festglanz und mit soliden
Räuschen waren die Dürrenburger in die Federn
gesunken. Still schlief das Dorf dem Morgen entgegen
.

Da gab eine Trompete Feueralarm. Erschreckte
Stimmen nahmen ihn auf und bald gellte durch
alle Gassen das warnende „Feuerioo". Der Mesner
rannte zur Kirche und läutete Sturm.

Hinterher stellte sich zwar heraus, daß der
Alarm — zum Glück für das weinschwere Dorf —
falsch gewesen war. Aber wer ihn gegeben hatte,
wurde nie bekannt. Hatte der Trompeter der
Dürrenburger Feuerwehr vor dem Schlafengehen
noch ein Lied blasen wollen, das ihm mißlungen
war? Oder hatte die neidische Wehr des Nachbardorfes
den Dürrenburger Kollegen einen
Schrecken einjagen wollen? Genug: der Alarm
erwies sich — später — als falsch. In der Nacht
aber wirkte er echt.

Sehr echt. Und zum Lob der Dürrenburger
Feuerwehrmänner muß gesagt werden: Es ging
gar nicht lang, da hatten sie ihre Festräusche abgeschüttelt
und eilten dem Spritzenschuppen zu.
Zwar saßen jetzt die Helme schief, und jeder
hatte angezogen, was er in der Eile gegriffen
hatte. Aber sie kamen. Und kamen schnell.

Auch andere kamen. Der Rothstetterschorsch
und der schwarze Glaser waren sogar die ersten
am Platze. Das war kein Kunststück: Als der
Alarmruf durch die Gassen eilte, waren sie noch
im „Scharfen Eck" gesessen, hinter dem stets neu
gefüllten letzten Glas, und hatten sich unter Tränen
der Rührung gegenseitig versichert, was für
tüchtige Kerle sie seien. Und das wollten sie nun
auch dem ganzen Dorf beweisen. Sie zerrten im
Finsteren die Spritze aus dem Schuppen; der
schwarze Glaser nahm die Deichsel — und tat
gut daran: sie gab seinen schwankenden Schritten
Halt. Der Schorsch schob hinten.

Aber wo brannte es denn? Überall war nur
pechschwarze Nacht. Nein, dort im Osten, über
dem Unterdorf, glomm eine blasse Röte! Und
schon setzten die beiden Eifrigen ihr Gefährt in
Richtung zum Unterdorf in Gang. Jetzt erst
kamen die Männer der richtigen Spritzenmannschaft
auf den Platz gelaufen. Sie hörten das Rattern
der abfahrenden Spritze und rannten schlaftrunken
hinterher. Die Nachkommenden rissen
die Wasserschläuche und Steigleitern von den
Außenwänden des Schuppens und liefen dem
Getrappel in die Finsternis hinein nach.

Vergeblich schrie man bald den an der Spitze
Rennenden zu, doch langsam zu tun. Der Schorsch
und der schwarze Glaser dachten nicht ans Langsamtun
. Sie wollten sich den Hunderter allein
verdienen. So ließen sie ihr Gefährt laufen, so
schnell es wollte. Und es lief schnell. Und bald
schneller als ihnen lieb war, denn die Straße
senkte sich immer steiler hinab. Den Glaser
beutelte die Deichsel nur so hin und her — der
Schorsch brauchte nicht mehr zu schieben, sondern
hielt sich nur noch krampfhaft hinten fest.
Er wollte sich nicht abhängen lassen, sonst hätte
der Glaser den Hunderter allein gehabt. Irgendwann
aber schoß ihm durch den Kopf, das Ding
müsse doch auch eine Bremse haben. Er schrie
dem Glaser zu, er solle bremsen, aber gleich!

Doch der von den Rädern gehetzte Vordermann
schrie nur zurück, der Schorsch habe zu
bremsen, er an der Deichsel könne es nicht. Der
Schorsch aber wußte nicht, wo die Bremse war.
So gut hatte er sich die Spritze nicht angesehen.
Als der Glaser wieder brüllte, der Schorsch solle
endlich bremsen, zum Donnerwetter, sonst sei er
hin, da zog sich der Schorsch brav an dem rasenden
Gefährt nach vorn und tastete nach Rad oder
Kurbel. Und fand auch Drehbares und drehte
heftig.

Umsonst war das nicht. Zwar wurde die Fahrt
nicht langsamer davon, aber es geschah anderes.

Die Feuerspritze mußte verrückt geworden
sein! Sie gab erst ein paar pfauchende Laute von
sich, dann begann sie laut und vernehmlich eine
Melodie zu pfeifen. Und weil der Schorsch immer
weiter drehte, tönte es in schöner Drehorgelmusik
durch die Nacht:

O du lieber Augustin, Augustin, Augustin,
O du lieber Augustin, alles ist hin.. .

Die beiden Eifrigen hatten im Dunkel des
Schuppens statt der neuen Feuerspritze die Drehorgel
erwischt, die der alte Bastiani dort über
Nacht untergestellt hatte. Und die Feuerwehr
von Dürrenburg rannte hinter einer Drehorgel
her durch die Nacht.

Dem verblüfften Schorsch ging erst spät auf,
daß die Musik mit seiner Dreherei zusammenhing
. Zwar ließ er1 da die Kurbel fahren, als wäre
sie ein glühendes Eisen, und die Orgel verstummte.
Aber daß er bremsen müsse, war in seinem
schweren Hirn hängen geblieben. So suchte er
weiter nach Griffen und Hebeln und zog da und
ruckte dort. Und wirklich schnappte auch bald
irgendwo in dem fahrenden Gehäuse etwas ein.
Aber o Schreck: Es war der Mechanismus, mit
dem der alte Bastiani den Orgelantrieb mit den
Rädern des Orgelwagens verband; wenn sein
struppiges Pony die Orgel durch die Dörfer zog,
brauchte er dann selber nicht zu drehen, sondern
konnte die Münzen einsammeln, während das
Örgelchen immer weiterspielte.


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