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Die Markgrafschaft
geln „wie von spielenden Engelshänden zusammengeschoben
", oder wenn es von den Blüten des
Hahnenfuß heißt, sie seien ,,Goldknöpfe für die
Joppen jener Liftboys, die Dichter und Heilige
in den Himmel fahren", oder wenn — einer der
Leitgedanken des Buches — bekundet wird, die
größte Gewißheit der Erde sei ,,das Bündnis mit
der Sonne".
Manche der kleinen Kapitel haben die strudelnde
, wirbelnde, glühende Bewegtheit eines
Van Goghschen Gemäldes. Und damit enthüllt
sich ein weiterer Wesenszug dieses Buches: sein
Elementares hinter aller bunten Vordergründigkeit
— sein Panisches. „Die Natur ist bei ihm
nicht todernst wie bei Giono oder Ramuz, sie
droht niemals, sie lächelt oder lacht sogar: es ist
Pans-Gelächter, und Pan bläst die Flöte dazu.
Diese Natur verträgt Witz, Esprit, Grazie; alles
Naturhafte bei Schickele, die Jahreszeiten, die
Blumen, die gegründete Erde, die Wölbung des
Himmels gewinnen etwas Bewegtes und Tänze-
B. Gmeiner:
(Schluß)
Das zeitlich nächste Epitaph müssen wir an
der Eingangswand suchen. Es soll — wie auch
eine Wappenscheibe im Chorfenster der Epistelseite
— das Andenken an den Ordensmeister
Wipert von Rosenbach lebendig erhalten, der
1604 starb. Atmet Hatsteins Epitaph in Einzelformen
wie in der strengen Beschränktheit und
im klaren Aufbau noch den Geist der Frührenaissance
und ist es die einheitliche Schöpfung
eines Künstlers, so ist hingegen die Platte des
Rosenbachers das Erzeugnis eines Handwerkers
der Spätrenaissance. Wenn man von der Inschrift
absieht, so zeigt es sich beherrscht von
dem großen Wappenschild Rosenbach - Heiters-
heim, auf dem Spangenhelme sitzen. Um Wappen
und Helme rauscht in spätgotischer Manier, aber
verdickt gebildet eine reich gezaddelte Helmdecke
. Das Ganze wird gekrönt von einem flachen
profilierten Giebel; seine Enden ruhen auf
jonischen Kapitellen, und diese werden getragen
von den rohen, bärtigen Köpfen dickbäuchiger
Hemen, die unter Laubwerk in kanelierte, nach
unten zulaufene Pilaster übergehen. Die Spätrenaissance
wird hier schon zum Manierismus
und die sorgfältige Bildung der Einzelheiten
kann nicht über die stilistischen und ästhetischen
Disharmonien hinwegtäuschen.
Nun folgen der Zeit nach zwei Epitaphien im
Chor. Man erblickt dort an den Seitenwänden —
etwas zu tief und ungünstig hinter dem Altar
angebracht — die Grabdenkmäler des Großpriors
Hermann von Wachtendonc, der im Jahre 1704
starb, und des Johann Ignatius Wilhelm von
Gümnich, der 1753 verschied; in beiden Reliefplatten
mit ihrem schweren und schwülstig
treibenden Rankenwerk, den lockenumwallten
Engelsköpfen und den Wappenschildern lebt der
Pomp und die Sinnesfreude des Barock weiter.
risches". Das schrieb Thomas Mann in seiner
gewichtigen Einleitung zur französischen Ausgabe
von Schickeies Provence-Roman „Die Witwe
Bosca", und von Schickeies Sprache sagt er, daß
„jedes tiefe Wort darin Engelsschwingen habe,
welche es schweben lassen".
Rene Schickeies erzählerische Werke, so vor
allem „Die Witwe Bosca", „Die Flaschenpost"
und „Meine Freundin Lo", sind glücklicherweise
seit einiger Zeit wieder erhältlich. Sie bezeugen,
was Kasimir Edschmid in seiner tiefen Inschrift
am Schickele - Brünnle zu Badenweiler aussagt:
„Sein Herz trug die Liebe und die Weisheit
zweier Völker". Das Buch von der „Himmlischen
Landschaft" bezeugt, daß sein Herz die Liebe und
die Weisheit zweier Welten trug, deren Zusammenklang
, deren Vereinigung von Himmlischem
und Irdischem er in der reinen Landschaft erkannte
, erlebte und gestaltete. Jene reine Landschaft
aber war für ihn die Landschaft Badenweilers
.
Wieder an der Südwand der Kirche findet
sich das nächste, sehr große Epitaph, das des
letzten Großkomturs Großpriors, des Fürsten
Ignaz Balthasar Willibald Rink von Baldenstein
(gest. 1807); es ist eine umrahmte, vergoldete
Bronzetafel mit den Namen der Vorfahren und
einer längeren lateinischen Inschrift.
Nach der Kirche muß man sich auch das
Pfarrhaus ansehen, einen großräumigen, um 1616
errichteten Bau, der von 1648 an längere Zeit als
Franziskanerkloster diente. Indes hat man nun
schon soviel von Komturen und Ordensmeistern
gesehen und vernommen, daß man sich gedrängt
fühlt, nun endlich auch das Schloß dieser Johan-
niterherren kennen zu lernen. Es ist bald erreicht.
Bevor man die Schloßanlage betritt, umschreitet
man am besten einmal die ganze Anhäufung
von Mauerzügen, Türmen, Häusern, Speichern
. So stellt man am sichersten fest, daß der
Grundriß des Komplexes ein Rechteck ist. An der
Westflanke führt ein Weg entlang, desgleichen an
der Südseite einer, der noch halb an der Ostseite
hinaufgreift. Die nördliche Hälfte der Ostseite
und die Nordseite grenzen an Feld und Wiese.
Schon beim Umschreiten des Komplexes scheint
es, daß von dem Schloß, das der schöne Stich
Merians in der Topographia Alsatiae (1644) zeigt,
nicht mehr viel erhalten sei. Dieser Eindruck ist
falsch; er rührt — wie sich bald herausstellt —
daher, daß die schöne Geschlossenheit, die das
im 17. Jahrhundert noch mit Mauer, Wall und
Graben gänzlich umzogene Schloß aufwies, durch
Aufschüttung des Grabens, Abflachung des Walls
und verschiedene Mauerabtragungen und -durchbräche
gestört worden ist. Am Grundbestand der
alten Gebäulichkeiten wurde wenig verändert,
yotyannitetfürftentum am öbm:t)dn
Ein Gang durch Heitersheim und seine Geschichte
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