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Die Markgrafschaft
durchstoßen lassen. In Höhe des Regence-Kapi-
tells schwingt sich der Flachbogen des Portalsturzes
über die im Schatten liegende Portal-
eintiefung, und der Raum zwischen Sturz unten,
Gebälk seitlich und dem axial darübersitzenden
Fenster ist beherrschend ausgefüllt von einem
prächtigen Wappenrelief. Sein Herzstück ist das
Wappen des Philipp Wilhelm Fürst Nesselrode,
der 1740 diesen Bau als Kanzlei errichten ließ.
Wappentiere und Rankenwerk natürlicher und
phantastischer Herkunft bilden den ersten Kreis
um das vom Helme bekrönte Wappenschild. Den
zweiten, äußeren Kreis bilden Trophäen: Fahnen,
Panzer, Waffen und — nach unten hin — eine
von Muschelwerk umschäumte Tafel mit der Inschrift
.
Die Figuren, die im schweren Flattern ihrer
Gewänder rechts und links mit bekräftigenden
und beschwörenden Gebärden das pompöse
Wappen flankieren, stellen, wie die Aufschriften
auf ihren Sockeln besagen, Fides = Glaube und
Justitia = Gerechtigkeit dar. Steigt man über die
wenigen Stufen hinan, so steht man in einer
hübschen Treppenhalle unter einer von stuckier-
tem Bandelwerk fröhlich übersponnenen Decke.
Das sich an den Torturm anschließende, die
Verbindung zur Westmauer der Anlage herstellende
Gebäude ist niedriger und einfacher
gehalten, es dürften ehedem Wohnungen für
Dienerschaft und Knechte enthalten haben. Der
Bau entstand im Zusammenhang mit dem Torturm
nach 1546 und hat — nach dem Stiche
Merians zu schließen — seit 1644 vieles von seiner
Höhe eingebüßt.
In diesem annähernd quadratischen Hof stand
früher auch die Pfarrkirche von Heitersheim;
sie wurde bereits im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts
abgebrochen und an die Stelle verlegt,
an der sich jetzt die neue Heitersheimer Kirche
erhebt. Heute ist der Hof ein freundlicher Garten
, in dem ein paar Obstbäume ihre Laubhäupter
über den sauber eingegrenzten Blumenrabatten
wiegen; Schwertlilien blühen hier und
Pflingstrosen, und auf den Bänken sitzen, wenn
die Sonne scheint, Insassen des Altersheims, das
in einem Teil der Vorburg eingerichtet ist.
In der noch gotisch gedachten Ostwand dieses
freundlichen, von dem ästhetischen Willen des
18. Jahrhunderts geprägten Hofes entdeckt man
den Durchgang zum Ostteil der Anlage, zum
eigentlichen Schloß, das von der Vorburg durch
einen heute zugeschütteten Graben abgetrennt
war. Durch eine Torhalle, die Komtur Johann
von Hatstein 1545 mit seinem und der Herrschaft
Heitersheim Wappen schmücken ließ, gelangt
man in den inneren Hof, der ebenfalls etwa
quadratischen Grundriß hat. Hat man den Stich
Merians zur Hand, läßt sich leicht erkennen, daß
der Nordflügel und der einst die Residenz, die
Kapelle und die Priesterwohnung enthaltende
Südflügel fast ganz verschwunden sind und im
Norden der unauffällige Neubau der Anstaltskirche
die Aufgabe der Abgrenzung nach außen
übernommen hat. Die West- und Ostflügel jedoch
haben ihre ursprüngliche Gestalt im wesentlichen
beibehalten; der Charakter der Bauten ist ernsthaft
und schwer; an sie hat der Barock keine
glättende, überformende Hand gelegt. Der Westflügel
— wohl der am reinsten erhaltene Teil
des alten Schlosses — ist ein schlichter Putzbau,
in dem einfach aber reizvoll profilierte Tür- und
Fenstergewände sitzen; besonders die eines im
Nordteil angebrachten Pförtchens haben bei aller
Einfachheit eine anmutige Innigkeit. Der Blickpunkt
des Flügels aber ist ein nicht sehr hohes,
aber schönes über dem Sechseck errichtetes Trep-
pentürmchen; die Fenster sind zum Teil schräg
geschnitten und zeigen so den Verlauf der im
Innern ansteigenden Wendeltreppe an. Entzük-
kend ist das Gewände des Pförtchens, durch das
man den Turm betritt: es zeigt einen Tudorbogen.
Den Helm des Turmes ziert über dem Knauf
der Spitze das Malteserkreuz. Dem Turm schräg
gegenüber ist eine gußeiserne Ofenplatte mit
historischer Darstellung in eine Wand eingelassen.
Auch der Charakter der östlich stehenden
Baugruppe ist noch gotischer Baugesinnung nahe.
Es sind ebenfalls Putzbauten, zum Teil mit abgetreppten
Giebeln geschmückt, aber einfacher in
den Hausteinteilen. Auch der von den Häusern
gebildete und umschlossene Hof hat Teil an diesem
geschichtsumwitterten Ernst, den Turm und
Chorhalle, Treppengiebel und Pförtchen ausstrahlen
: Eine mächtige alte Linde erhebt sich
inmitten und verbreitet kühlen Schatten über
dem moosbewachsenen Pflaster; ein roh behaue-
ner Steinblock liegt nahe dem riesigen Stamme
in dem grünen Dämmern — es soll ein alter
Richtblock sein — und die Linde war, so erzählt
die freundliche Vinzentinerin, die uns führt, die
Gerichtslinde, aber die Fenster der alten Bauten
sind blank und zeigen weiße Vorhänge; aus
allen Winkeln des Gemäuers, aus den Fenstern,
von den Blumengärten im Süden her dringt helles
Lachen und Rufen der Mädchen, die hier
unter der Leitung von Vinzenz - Schwestern ihre
Haushaltskurse absolvieren. So dient das alte,
schwarzgraue Gebäude — im Innern ist es natürlich
allenthalben gepflegt und schön gehalten
— der Jugenderziehung und sozialen Zwek-
ken, und so verknüpfen sich Vergangenheit und
Zukunft, und der milde Himmel des Markgräfler
Landes lächelt dazu.
Im Sommer
Lueg, wieni myni Heimet sieh
Do zwische Schwarzwaldberg un Rhy,
Do würd's ums Herz mir wohl un weh:
Ne sone Land findsch niene meh!
Gang jetz dur's Land an Summertag,
Do hange d'Rose üfoere Haag
Un Linde-, Rebeblüeteduft
Un Summersang hangt in der Luft.
Un luegt me Badewyler a,
Der Blaue, Bürgle änedra,
D' Tülliger Höchi, 's Röttier Schloß,
Un 's Münstertal un d' Wasserstroß:
Do locke liebli Berg un Tal,
Un d'Dörfli, d'Städtli überall:
Gang lauf un lueg, soviel de wit,
Ne schöner Ländli findsch du nit!
Paula Hollenweger
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