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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1956-09/0006
So könnte ich fortfahren zu preisen und
müßte doch immer gestehen: Was will das beschreibende
Wort vor lebenssatter Gestalt?

Die Gedichte sind wie die Erzählungen ein
„Schatzkästlein", das wuchs aus dem Wurzelboden
der Heimat, dem Ländchen zwischen
Schwarzwald und Rhein, das aufblühte aus Deiner
allgütigen und allumfassenden Seele, voll
Einfalt, dennoch getränkt vom Blick ewiger
Fülle. Sie sagten mir, daß Du jenseits Deiner
amtlichen Theologie ein tiefreligiöser Mensch
bist. Aus den Anekdoten klingt es dem Tage des
Erzählens. Hier ward es „Wahrheit", die zeugt.
Die theologische Prüfung — erzählt man —
habest Du mühsam bestanden: aber, liebwerter
Meister: Gott war Dir lebendig, das heißt, Du
sähest ihn rings in den Dingen der Welt.

So bist Du denn Deutscher, auch Krist, dem
der Alltag „Gottesreich" ist, der in ihm sich erfüllt
und da, wo er steht, „Himmelreich" schafft.

„Wir nähren uns doch alle an dem nämlichen
großen Hausvatertisch und aus der nämlichen Hand;
die Biene, die Grundel im Bach, der Vogel im Busch,
das Rößlein und der Vogt, der darauf reitet".

„Die duftende Blume des Feldes verkündet uns
deine Allmacht und Güte, die alle Morgen neu ist".

,,Wohin der Landmann seine Blicke wendet, begegnet
ihm sein Gott. Die ganze Natur wird ihm
zum Tempel des Vaters aller Wesen, in dessen Händen
sein Schicksal ruht".

So schriebst Du, getragen von Gottes- und
Menschenliebe und nanntest Gott selber den
größten der Dichter.

Solch freudiges Glauben hieß Dich uns allen,
dem „Volke", ein drittes Schatzkästlein bereiten:
die biblischen Erzählungen. Da einen sich
Schlichtheit und Tiefe, Wärme und Klarheit,
lyrische. Seele und epische Kraft, und meisterlich
durchbildest Du uns Sätze. Du stellst die
Geschichten des fremden Volkes ins deutsche
Leben hinein und*gehst auch hier dem Rettenden
nach, in dem Du Zusammenhänge suchst
und gestaltest.

„Unbegreifliche Vorsehung: was entwickelst du
aus den Begebenheiten des Augenblicks, und arme,
kurzsichtige, leichtsinnige Menschheit, die du so oft
nicht bemerken kannst und bemerken willst, was in
deinem Schöße vorgeht!"

In diesem Augenblick stürzt vielleicht eine Wolke,
die einen Monat oder ein Jahrhundert lang unbemerkt
schnell den Himmel der Freude überflügeln
und verdunkeln und in tausend Herzen Weh und
Klage hinabdonnern wird. Vielleicht fällt auch in
diesem Augenblick ein Saatkorn, das nach einem
Monat oder nach einem Jahrhundert zum fruchtbaren
Baum gedeihen und über ganze Geschlechter
Labung und Schatten verbreiten wird".

So sinnend unterbrichst Du mitunter den
Gang der Geschichten, und läßt sie voll Liebe
wachsen, im Menschen den Sohn, die Tochter,
und im Unendlichen ganz den Vater zu wecken:
immer im Leben das Nächste.

Dein Bibelbuch ist demnach Volksbuch, das
wir nennen dürfen, wenn wir vom „Heliand"
sprechen, die alten Weihnachts-, Passions- und
Oster-Spiele, das Spiel vom Antichrist ins Erinnern
rufen, das ,,Marienleben" Dürers und Rem-
brandts, biblische Bilder betrachten.

Du weißt, wie lang Dein Buch die badischen
Schulen belebte.

Dann aber kamen „Gelehrte" und fanden es

falsch, Kindern die Kunde der Bibel lebendig, sie
also nicht im geschichtlichen Kleid — im
,,Kostüm" — zu erzählen. Dein Büchlein —
gräme Dich nicht — mußte die Schulen verlassen
: es floh vor den Stirnfalten runzliger Häupter
, die das Leben durch Brillen ansehen müssen.
Und mit ihnen traten „Schulbibeln" ein: sprachblasse
Krüppel.

So wandeln sich Zeiten und Menschen.

Was weiß die Stunde noch von Sprache, Sitte,
von Siedlung und Stamm, von den vier großen
„S", von dem, was Volkstum heißen darf? Wer
weiß noch, daß volkstümliche Kunst nicht das
geringste — Wilhelm Schäfer prägte, das Wort —,
sondern das höchste ist, was Bildung vermag,
wenn sie sich selber im höchsten Sinne, als Bild-
werdung dessen versteht, was wir Wesen heißen;
denn alles, was vor der Menschheit gilt, gilt kraft
des Volkes!

Drüben, der blasse und magere Schieler — er
bohrt am Feuilleton seiner „erhabenen" Zeitung
herum — sagt: Du seiest gestorben!

Ich lache noch einmal: wie Gott leben UrKräfte
ewig.

Brillen und scheues Getue, auch „machtvolle"
Worte können sie manchmal verschütten; dann
aber brechen sie plötzlich blühend aufs neue hervor
: dort, wo es still ist und die Maschine nicht
herrscht, sondern dient.

Ja, Meister: Du lebst!

In Deinem Bibelbüchlein schreibst Du einmal
: „Es ist eine schöne Grabstätte unter einem
Baum, wie wenn ein müder Wandersmann unter
einem schattenreichen Baume Kühlung und Erquickung
sucht. Er schläft ein Stündlein oder
etwas und steht alsdann wieder auf".

Du wundertest Dich, wenn Du heute durch
Freiburg, Heidelberg, auch durch Karlsruhe und
Mannheim gingst, spüren zu müssen, wie der
„Asphalt-Literat" versucht, den „Ton" zu befehlen
.

Wer jedoch täglich einmal die Bildkunst Deiner
Sprache hört — sie auch vor lauschenden
Kindern dieser Weltzeitsekunde gläubig klingen
läßt — weiß bald, wie Du lebst.

Den Finsternissen folgen Licht-Fluten: es gibt
kein Abend- ohne ein Morgenrot.

Pfingsten war ich mit Jugendlichen zusammen
und sprach vor ihnen Deine Geschichte vom
„Schneider in Pensa": seitdem weiß ich, daß wir
trotz allem einer Licht - Zeit entgegengehen, die
unter Not und Verkrustung Ur-Kräfte weckt. Sie
wird der Prinz sein, der das schlafende Volkstum
aus seiner Dornhecke wachküßt und blühenden
Tagen, Monden und Jahren zuführt:
nicht indem Altes aufgepäppelt, sondern indem
ein Neues aus alten Wurzelsäften ins Werden
gestaltet wird.

Ich aber bringe Dir, Meister, heute wieder
einmal zu danken, der späten Blumen des Jahres
soviel ich zu tragen vermag, in Deine sonnige
Stube. Ich streue sie froh über die drei Schatzkästlein
. Späte Blumen wecken dreifache Freude.
Die letzte drücke ich Dir in die Rechte.

Ich weiß, wie sie Dich freut.

Dann setze ich mich wie schon so oft, in die
heimelige Ecke und lausche dem, was Du erzählst.

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