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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1956-09/0010
: Von bm ©päcbtrnlebäumen bte ^lemmbadjtaleö

Nicht weit von der gewaltigen Eichengruppe
des „Himmelreichs" von Müllheim steht einsam
am Rande des Wiesenweges ein eigenartiger
Baum. Von weitem gesehen, könnte man ihn
für einen gut entwickelten, alten Apfelbaum halten
; aber in der Nähe entdeckt man Eigenheiten,
die man nicht vermutet hätte: gefiederte Blätter
und in lockeren Trauben zusammenhängende
kleine Birnen als Früchte. Locker und weich,
pudelig und wuschelig umgibt das blaßgrüne
Laub die Krone. Der Stamm ist hoch und kräftig
und hat zwei Meter Umfang, also etwa 65 cm
Durchmesser. Die langen Hauptäste streben vom
Ende des Stammes nach allen Richtungen zum
Himmel.

Es ist der Spärbirnlebaum von Müllheim.
„Der" muß man sagen, weil es keinen weiter in
der Müllheimer Flur gibt, sofern mir eingesessene
Müllheimer und der Flurhüter richtig berichtet
haben.

Über das Wort „Spärbirnle" habe ich mir
große Kopfschmerzen gemacht. Weil der Baum
große Ähnlichkeit mit dem Vogelbeerbaum hat,
also mit der Eberesche, habe ich mir zusammengereimt
: Ebereschenbeerbaum - Eschbeerbaum -
Schbeerbirnlebaum, denn der Volksmund verkürzt
gern lange Wörter. Aber nachdem ich mein
Pflanzenbestimmungsbuch (Garcke, „Illustrierte
Flora von Deutschland") zurate gezogen habe, ist
mir der Name Spärbirnle besser verständlich.
Unter Nr. 1226 des Garcke steht: „Aberesche,
Eberesche, Vogel- oder Quitschbeere", und dann
kommt unter Nr. 1227: „Pirus domestica-Speier-
ling, Spierapfel". Die dann folgende Beschreibung
paßt genau auf unseren Spärbirnlebaum.

So leitet sich der Name Spärbirnlebaum bestimmt
von „speien", brechen, würgen ab. Es
sind Speibirnle, die unser Baum trägt. Wer nämlich
ein solche Frucht ißt, ehe sie teigig geworden
ist, dem zieht sie den Mund zusammen, der
würgt und speit, bis er alles wieder heraus hat.

Wenn unser Baum mit Apfel- und Birnenbäumen
zusammensteht, so ist er durchaus bei
seinen Verwandten, zu denen auch Quitten, Mispeln
, Vogelbeer und Mehlbeeren gehören. Mit
Weißdorn, Brombeer, Erdbeer, Himbeer, Fingerkraut
, Rosen und vielen andern bilden sie die
Familie der Rosengewächse. Der Spärbirnlebaum
blüht erst im letzten Drittel des Mai mit sehr
starkem Honigduft. Ich kann mir denken, daß
sich die Bienen mit Wonne in den Blütenbüscheln
tummeln.

Wegen des Spärbirnlebaumes habe ich mich
mit vielen Markgräflern unterhalten können;
kam die Rede auf ihn, so war der Kontakt sofort
da, und Spannung und Wärme belebten das
Gespräch. Es webt viel Geheimnisvolles um den
Baum; er wirft Fragen auf, die niemand beantworten
kann.

Das Holz ist so fest, daß man es früher zum
Bau von Mühlenrädern verwendete, besonders
zu den Zähnen. Die Früchte enthalten sehr viel
Gerbsäure. Sie werden zur Herstellung eines
starken, wohlschmeckenden Schnapses verwendet
, „der guet für der Magen isch". Dem Obstwein
zugesetzt, verhüten die Spärbirnle das Umschlagen
des Mostes, machen ihn also haltbarer.
Sie werden auch gern gegessen, wenn sie teigig,
breiig geworden sind oder getrocknet wurden.

Rätselhaft ist die Seltenheit, die Herkunft
und die Vermehrung des Speierlings. Garcke
schreibt über sein Vorkommen: „In Wäldern
und an Waldrändern, sehr selten und vielleicht
überall nur angepflanzt". Soweit ich festgestellt
habe, gibt es im Klemmbachtal im ganzen noch
sechs Spärbirnlebäume: einen in Müllheimer,
zwei in Niederweiler und drei in Oberweiler
Flur. Herr Eberhard in Oberweiler hat einen
solchen hinter seinem Hofe stehen. Der mächtigste
wächst auf der Wiese gegenüber dem
Hotel „Ochsen" zwischen Oberem und Mittlerem
Kirchweg. Letzterer scheint aber schon von oben
hohl zu werden, denn zwischen den gewaltigen
Ästen wächst schon ein stattlicher Weichselkirschenbusch
. Die beiden Artgenossen von Nieder-

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